Wegen Corona
Gnadenfrist für Berlins älteste Straßenbahnen: Die aus der DDR bekannten Tatra-Züge rollen weiter
Ursprünglich sollte die letzte Fahrt am 12. Februar stattfinden. Doch nun bleiben die Wagen mindestens drei weitere Monate im Einsatz

Corona macht’s möglich: Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) müssen die Alten noch mal ran. Ursprünglich sollten am 12. Februar zum letzten Mal Tatra-Straßenbahnen durch Berlin fahren – so war es geplant. Fast 45 Jahre, nachdem die ersten Züge aus Prag hierhergekommen waren, sollten die rüstigen Fahrzeuge aus Prag für immer aus dem Stadtbild verschwinden. Doch nun wird es ein langer Abschied, denn die Pandemie hat auch dieses Vorhaben über den Haufen geworfen. „Es wird weitere Einsätze geben“, sagte die BVG-Sprecherin Petra Nelken.
Wie finden Sie die alten Tatras? Die Straßenbahnfahrerin, die am Mittwoch an der Linie M17 auf ihren Einsatz wartet, macht aus ihrer Begeisterung keinen Hehl. „Die Tatras sind einfach fehlerfrei“, schwärmt die 54 Jahre alte BVG-Mitarbeiterin. „Gut in der Beschleunigung, gut beim Bremsen. Störungen gibt es kaum. Nur das Sitzen im Führerstand kann anstrengend sein, dort ist alles etwas kleiner als in den neueren Bahnen.“
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Nicht nur im Leben dieser Straßenbahnerin spielen die Züge, die der Hersteller ČKD nach dem Hochgebirge im Osten der heutigen Slowakei benannt hatte, eine wichtige Rolle. Über Jahrzehnte hinweg gehörten die zunächst rot-weiß, später orange-weiß lackierten Züge zum Alltag in Berlin, Hauptstadt der DDR. Der erste Wagen für die BVB, wie die Verkehrsbetriebe im Osten der Stadt hießen, traf am 28. März 1976 auf dem Güterbahnhof Schöneweide ein. Tatras waren ein Beispiel für friedliche Koexistenz. Ein Teil der Patente für die Technik kam aus den USA, die Rückleuchten stammten von Lada aus Russland.
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Nicht nur die Straßenbahner empfanden die Tatras im Vergleich zur übrigen, schon ziemlich betagten Flotte als Fortschritt. Die Fahrgäste waren ebenfalls zufrieden, auch wenn sie über Jahre hinweg auf Hartschalensitzen Platz nehmen mussten. 582 Tatra-Bahnen wurden nach Berlin geliefert.
In den 90er-Jahren begann die BVG, Fahrzeuge zu verkaufen. Andere Züge bekamen eine Verjüngungskur. Aber auch die erneuerten, nun gelb lackierten Bahnen sind nicht barrierefrei, Fahrgäste müssen Stufen erklimmen. Deshalb schrumpfte die Flotte immer weiter.

„Aktuell haben wir noch 20 Wagen“, sagte BVG-Sprecherin Petra Nelken. Seitdem zum Beginn der Winterferien die Verstärkereinsätze auf der Linie M6 endeten, sind nur noch auf der M17 zwischen Falkenberg und Schöneweide Tatra-Bahnen unterwegs. Geplant war, dass am 12. Februar gegen 22.25 Uhr die allerletzte Bahn in den Betriebshof Marzahn einrückt – ohne Schmuck und Beschriftung. In Coronazeiten sollten möglichst wenige Fans angelockt werden.
Doch der Senat hat die BVG gebeten, zusätzliche Kapazität zu schaffen, damit Fahrgäste während der Pandemie Abstand halten können. Dazu würde es nicht passen, die verbliebenen Tatras jetzt auszumustern. Wo die Züge ab Mitte Februar verkehren, will die BVG am Montag entscheiden, so Petra Nelken. „Sie sollen im Berufs- und Schülerverkehr als Verstärker eingesetzt werden, sofern der Fahrer des betreffenden Kurses die Fahrberechtigung für Tatras hat“, erklärte ein Straßenbahner. Im Mai werde entschieden, ob der Einsatz erneut verlängert wird.
Weil die Züge jetzt noch einmal gebraucht werden, wird die für April oder Mai geplante Abschiedsfeier verschoben - vielleicht auf den September. Vorgesehen seien ein Tag der offenen Tür im Betriebshof Weißensee und eine Fahrzeugparade. Wer sich einstimmen will: Der Denkmalpflege-Verein Nahverkehr (DVN) gibt eine Broschüre über die Berliner Tatras heraus. „50 Seiten für sieben Euro“, sagt DVN-Vorstand Hartmut Gröschke.