Der große Ausstand im Nahverkehr
Gespenstisch leere S-Bahnhöfe, dafür volle U-Bahnen: So kommen Berliner und Pendler durch den Mega-Streik – und der nächste droht schon
Die Menschen in der Hauptstadtregion waren auf den Super-Arbeitskampf gut vorbereitet. Nur wenige Touristen strandeten auf den Bahnsteigen.

Sogar die Anzeigetafel streikt. Es herrscht eine gespenstische Stille auf dem Bahnhof Wannsee. Die Bahnsteige sind wie leergefegt. Kein Mensch ist zu sehen. Der Mega-Streik in Deutschland hat am Montag auch diesen Bahnhof im Süden Berlins zum Geisterbahnhof gemacht.
Kurz nach 8 Uhr: Normalerweise ist an so einem Tag auf dem Bahnhof Wannsee mitten im Berufsverkehr die Hölle los. Er ist vor allem für die Pendler aus Brandenburg einer der wichtigsten Punkte für ihre Fahrt zur Arbeit nach Berlin. Hunderte stehen sonst zu dieser Zeit auf den Bahnsteigen, wo die Regionalzüge aus Potsdam kommend auf die S-Bahn treffen, die die Brandenburger und Berliner zur Arbeit in die Innenstadt bringen.
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Doch seit Mitternacht ruht in Berlin und Brandenburg bei der S-Bahn und den Regionalbahnen der Verkehr. „Es fahren komplett keine Züge mehr“, so eine Bahn-Sprecherin am Morgen. Daher gibt es auch keinen Notfahrplan. So sind überall in Berlin die Bahnsteige verwaist wie in Wannsee. Nur einige Menschen sind etwa am Hauptbahnhof mit Koffern und Reisetaschen zu sehen, die vergeblich nach Zügen suchen.
Mega-Streik: Liebespaar in den Flitterwochen strandet auf Berliner Hauptbahnhof
Wie Gaspar Lamelaz und seine Frau Veronica: „Wir sind komplett gestrandet. Wir kommen aus Mexiko, haben nichts über die Nachrichten mitbekommen“, sagt das Paar. „Eigentlich müssen wir nach Prag und später nach Venedig für unsere Flitterwochen.“ Wie es weiter geht? Ausreichende Informationen für Alternativen gebe es nicht, sagt Veronica. „Keiner kann uns gerade helfen.“
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Auch nicht die Taxi-Fahrer vor dem Hauptbahnhof, die am Morgen vergeblich auf Kundschaft warten. Sie haben wegen des Streikes mit vielen Fahrgästen gerechnet. „Doch wir haben keine Kunden“, sagt Taxifahrer Salae Hushmen. Er klingt enttäuscht. Das erhoffte große Geschäft bleibt offenbar aus.
Denn die Mehrheit der Berliner und Brandenburger hat der Mega-Streik nicht kalt erwischt. Schließlich ist die BVG vom Arbeitskampf nicht betroffen. Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen fahren in der ganzen Stadt. Sie sind die Alternative für die Berliner S-Bahn-Passagiere. Daher sind die BVG-Fahrzeuge im Berufsverkehr brechend voll.
Mega-Streik sorgt für volle U-Bahnen und Bus-Verspätungen bei der BVG
„Auf den Streik war man vorbereitet. Die Gewerkschaften haben ihn ja zum Glück ihn rechtzeitig angekündigt“, sagt eine Berlinerin, die sich am Alex in ein überfülltes U-Bahn-Abteil der Linie U2 drängelt. Und die vollen U-Bahnen seien die Berliner auch an normalen Tagen gewöhnt, wenn auf den Strecken die Züge wegen Bauarbeiten ständig pendeln, erklärt sie.

So mancher muss sich den Weg zur fahrenden BVG mit ungewöhnlichen Mitteln bahnen – wie Lars aus Biesdorf. „Mit einem geliehenen E-Scooter bin ich von der Stadtgrenze zur nächsten U-Bahnstation gefahren und dann ging es für mich problemlos in Richtung Innenstadt zur Arbeit“, sagt er.
Aus BVG-Sicht verlief der Mega-Streiktag fast reibungslos. Die vollen Busse und Bahnen habe man erwartet, sogar mehr Fahrzeuge eingesetzt. Probleme hatte man auf einigen Bus-Linien, wo Fahrgäste auf die nächste Fahrt warten mussten, weil die Fahrzeuge schon mit Menschen überfüllt waren. Oder es kam bei den Bussen wegen des hohen Verkehrsaufkommens auf den Straßen zu Verspätungen, teilt die BVG mit.
Mega-Streik: Berliner und Brandenburger zeigen Verständnis
Denn vor allem die Pendler aus Brandenburg setzten sich ins Auto, um nach Berlin zu kommen, weil keine Regionalzüge und S-Bahn kamen. Recht früh fuhren sie los, um rechtzeitig ans Ziel zu kommen. Autobahnen und Zufahrtsstraßen „waren zwar voller, aber bei weitem nicht so stark wie erwartet“, teilt die Verkehrsinformationszentrale in Berlin (VIZ) mit. Der Stau sei im Berufsverkehr ein wenig länger gewesen als sonst, aber die Anzahl der Autos war nicht besonders auffällig hoch.

Denn einige Pendler haben Fahrgemeinschaften gebildet. So kam auch die Bernauerin Josephine Tornow, die im medizinischen Dienst arbeitet, zur Arbeit nach Berlin. „Der Streik ist für mich kein Problem“, sagt sie. „Er ist wichtig, erhöht den Druck auf die Verhandlungen und vielleicht gibt es ja bald ein Ergebnis. Das wäre gut.“
Tornow hat auch schon eingeplant, wie sie am Feierabend zurück nach Bernau kommt. „Ich werde mit der BVG nach Pankow fahren, von dort holt mich meine Mutter mit dem Auto ab.“ Das ab 15 Uhr wieder die S-Bahnen fahren sollen, darauf will sie sich nicht verlassen. Denn trotz Streikende werden die Züge noch nicht pünktlich nach Fahrplan rollen, kündigt die S-Bahn Gmbh an.

Und wenn am Streiktag die S-Bahn nicht rollt und man sich nicht in überfüllte U-Bahnen setzen möchte, dann läuft der schlaue Berliner ein paar Kilometer zur Arbeit. Wie Fritz Strehle, der den Streik richtig findet. „Es geht um Respekt für die Arbeit, die das Land am Laufen hält.“ Schließlich sind Lebensmittel- und Energiekosten drastisch gestiegen. „Die angebotenen Einmalzahlungen der Arbeitgeber bringen nicht so viel, wenn die Preise dauerhaft oben bleiben“, sagt Strehle.
Kein Mega-Streik zu Ostern: Doch der nächste wird schon angedroht

Der Mega-Streik am Montag: Verdi und die Eisenbahngewerkschaft EVG haben bewusst diesen Termin gewählt. Denn parallel tagt die Tarifrunde im öffentlichen Dienst in Potsdam, auf der 10,5 Prozent mehr Lohn gefordert werden. Auch die Eisenbahner verhandeln in dieser Woche, fordern für für rund 230.000 Mitarbeiter der Deutschen Bahn und 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen mindestens 650 Euro mehr pro Monat.
Bisher lehnten die Arbeitgeber ab. Ein weiterer Mega-Streik droht. Auch wenn die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG keine Warnstreiks zu Ostern plant, ist man zu weiteren Arbeitskämpfen bereit. Denn nach den Feiertagen gehen die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn weiter. Dass die Signale dann auf Streik stehen könnten, macht EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch schon am Montag recht deutlich klar. „Wann immer wir verhandeln, müssen wir auch die Möglichkeit haben, zu streiken, um auf schlechte Angebote reagieren zu können“, droht der Gewerkschafter.