Verkehr
Berlins Fahrgäste sollen von Senkung der Mehrwertsteuer profitieren
Eine allgemeine Tarifsenkung wäre zu aufwendig. Die Verkehrsunternehmen wollen ihrer Kundschaft auf andere Weise entgegenkommen. Erste Vorschläge gibt es schon – und gute Beispiele anderswo.

So viel steht fest: Die Senkung der Mehrwertsteuer wird nicht dazu führen, dass alle Tickets für den Nahverkehr preiswerter werden. Beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) denkt man aber darüber nach, den Fahrgästen auf andere Weise entgegenzukommen. Für dieses Jahr sei eine „gemeinsame Fahrgastaktion“ der BVG, der S-Bahn und der anderen Verkehrsunternehmen in der Region geplant, teilte Verbundsprecherin Verena Löw der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. In Berlin gibt es schon erste Ideen, wie diese Aktion aussehen aussehen könnte.
Die Steuersenkung ist seit Beginn dieses Monats in Kraft. Um in Zeiten der Pandemie den Konsum anzukurbeln, hat die Bundesregierung im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets beschlossen, die Mehrwertsteuer vorübergehend zu verringern. Sechs Monate lang, von Juli bis Dezember 2020, will der Staat auf Einnahmen verzichten. Für Fahrkarten des Fernverkehrs werden statt 19 nur noch 16 Prozent fällig. Die Deutsche Bahn hat angekündigt, dass sie diese Kostensenkung in Form von niedrigeren Ticketpreisen an ihre Kundschaft weitergeben will. Der reduzierte Steuersatz, der für Nahverkehrstickets gilt, ist von sieben auf fünf Prozent gesunken. Doch in diesem Fall wird dies nicht zur einer allgemeinen Fahrpreissenkung führen.
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Verena Löw vom Verkehrsverbund hat das jetzt noch einmal bekräftigt. „Für diesen kurzen Zeitraum ist die Umsetzung der Mehrwertsteuerreduktion für VBB-Fahrausweise in Berlin und Brandenburg aus vertriebstechnischen und genehmigungsrechtlichen Gründen nicht zu realisieren“, sagte sie. Jede Preisänderung müsste von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Danach wären Automaten umzustellen und Informationsmaterial zu ändern – angesichts der Tatsache, dass die Steuersenkung nur ein halbes Jahr lang gilt, insgesamt ein unverhältnismäßig hoher Aufwand, hieß es. „Von daher wurden die Fahrpreise zum 1. Juli 2020 nicht um wenige Cent-Beträge gesenkt“, so Löw.
Doch die Fahrgäste sollen anderweitig profitieren, kündigte der VBB an. „Geplant ist, durch eine gemeinsame Fahrgastaktion aller 37 VBB-Verkehrsunternehmen den Fahrgästen noch in diesem Jahr entgegenzukommen“, so die Sprecherin. „Aktuell befinden sich unterschiedliche Vorschläge eines tariflichen Entgegenkommens in Abstimmung.“
Einige Ideen liegen bereits auf dem Tisch. „Ich halte es für sinnvoll, wenn zunächst die Stammkunden von einer solchen Aktion profitieren würden“, sagte Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linken-Fraktion. Denkbar wäre eine Erstattung oder Gutschrift für Abonnenten. „Aber auch weitere Fahrgäste sollten profitieren. Rot-Rot-Grün hat beschlossen, dass es in diesem Jahr einen fahrscheinlosen Tag im Rahmen der europäischen Mobilitätswoche im September geben soll. Eine Ausweitung sollte geprüft werden“, so der Abgeordnete. Er schlägt „fahrscheinlose Tage“ vor, zum Beispiel um den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung herum sowie in der Weihnachtszeit.
Zum Kindertarif durch die Stadt
Auch der Christdemokrat Oliver Friederici hält „Gratis-Tage“, an denen stadtweit der Nulltarif gelten würde, für möglich. Die „Fahrgastaktion“ könnte auch dazu führen, dass Bahnen und Busse häufiger verkehren – zum Beispiel abends und nachts. „Hauptsache ist für mich, dass die Steuersenkung bei den Nahverkehrsnutzern ankommt“, so der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion.
Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB meint, dass vor allem Stammkunden profitieren müssten. Abo-Nutzer sollten die eingesparte Mehrwertsteuer erstatten bekommen, sagte er. Denkbar wäre es auch, dass Erwachsene zu bestimmten Terminen zum ermäßigten Tarif fahren dürfen – zu Kinderfahrpreisen. Dadurch würde es auch für Familien billiger, Bahnen und Busse zu nutzen.
Anlässlich seines 40-jährigen Bestehens am Wochenende hatte sich der Verband gewünscht, dass nicht er, sondern die Fahrgäste Geschenke bekommen sollten. Die Steuersenkung komme gerade richtig, so die IGEB. „Wir schlagen wir eine Dankeschön-Aktion für alle Fahrgäste vor – für ihre langjährige Treue und für ihre Treue jetzt mit den Belastungen der Corona-Pandemie“, so Verbandschef Christfried Tschepe. „Das können Rabatte oder Mitnahmeregelungen für Inhaber von Zeitkarten sein oder spezielle Aktionen für Familien. Der Fantasie der Marketingabteilungen sind keine Grenzen gesetzt.“
Ein mögliches Vorbild könnte der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) sein, der Frankfurt am Main sowie große Teile Hessens abdeckt. Er wirbt mit einer „Sommeraktion“. Jeden Mittwoch während der hessischen Sommerferien gilt eine Erwachsenen-Tageskarte nicht nur für eine Person, sondern gleich für zwei Erwachsene und bis zu fünf Kinder. Außerdem können Jahreskarten-Inhaber an den Wochenenden der Sommerferien durchs ganze Verbundgebiet fahren – unabhängig vom Gültigkeitsbereich der Jahreskarte.
Auch der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS), der für Köln, Bonn und Umgebung zuständig ist, bietet Abo-Kunden während der Sommerferien einen Zusatznutzen an – als Dank für alle Stammfahrgäste, die dem Nahverkehr trotz der coronabedingten Einschränkungen die Treue gehalten haben, wie es dort hieß. Abo-Kunden dürfen weitere Personen mitnehmen, und alle Abo-Tickets gelten im gesamten Verbundgebiet, was in vielen Fällen den Radius stark erweitert.
Stammkunden halten BVG und S-Bahn die Treue
Als im Zeichen von Corona auch in Berlin und Brandenburg das Angebot für die Fahrgäste eingeschränkt wurde, ärgerten sich viele Abo-Kunden. Für ihre im Voraus bezahlten Tickets bekamen sie weniger Leistung – bei der BVG betrug die Reduktion 13 Prozent. Doch zu einem finanziellen Entgegenkommen sind die Verkehrsunternehmen bis heute nicht bereit. Aktuelle Zahlen zeigen aber, dass das offenbar nicht zu massenhaften Kündigungen geführt hat.
Bei der BVG stieg die Zahl der Abonnenten sogar von 862.100 (März) auf 870.300 (April). Im Juni waren es rund 859.800, sagte BVG-Sprecher Jannes Schwentu. Corona habe sich natürlich auch auf den Trend bei den Abo-Zahlen ausgewirkt, berichtete er. „Die sehr gute Entwicklung in den letzten Monaten und Jahren hat sich mit Beginn der Pandemie abgeschwächt.“ Die Zahl der Neuanträge sei im Mai und Juni 2020 stark zurückgegangen, doch die Anzahl der Kündigungen hat sich nur moderat erhöht. „Für den Juli sehen wir wieder eine positive Tendenz in den Neuabschlüssen. Diese liegen bereits jetzt fast auf dem Niveau der Neuabschlüsse von Mai und Juni zusammen“, so Schwentu. Im Juli gehe die Zahl der Kündigungen voraussichtlich weiter zurück.
Wie sieht es bei der S-Bahn aus? Im März standen fast 236.900 Abonnenten in der Kartei, im Juni waren es etwas weniger – rund 231.000, sagte eine Bahnsprecherin. „Bei der Anzahl der neu abgeschlossenen Verträge war zeitweise ein Rückgang zu beobachten“, berichtete sie. „Hier ist jedoch seit den Lockerungsmaßnahmen wieder eine Normalisierung sichtbar.“ Es sieht so aus, als ob die Stammkunden BVG und S-Bahn die Treue halten.