Neue Regeln ab Mittwoch
Diese Rechte haben Fahrgäste jetzt bei der Bahn
Ein Zug fällt aus oder ist stark verspätet. In solchen Fällen haben die Fahrgäste bestimmte Rechte gegenüber der Bahn. Doch diese ändern sich ab Mittwoch – zumindest teilweise.

Fällt der Zug aus oder ist er stark verspätet, haben betroffene Fahrgäste bestimmte Rechte gegenüber dem Bahnunternehmen. Diese Rechte ändern sich ab Mittwoch zum Teil. Dann tritt die Neufassung der EU-Verordnung „über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr“ in Kraft. Ein Überblick.
Kommt ein Zug mehr als eine Stunde zu spät am Zielbahnhof an, kann man 25 Prozent des Fahrpreises zurückverlangen, bei mehr als zwei Stunden sogar 50 Prozent. Bisher hat dabei die Ursache für die Verspätung keine Rolle gespielt. Das ändert sich jetzt.
Denn ab dem 7. Juni gibt es Fälle, bei denen der Entschädigungsanspruch entfällt. Konkret sind sie in Artikel 19 der neuen Verordnung festgeschrieben.
Außergewöhnliche Umstände – was fällt darunter?
Darunter fallen Umstände, die nicht im Einflussbereich des Bahnunternehmens liegen, etwa extremes Wetter, Menschen auf den Gleisen oder ein Kabeldiebstahl. Wichtig: Streiks des Bahnpersonals zählen nicht dazu!
Meistgelesen
Forscher finden DAS heraus
Studie enthüllt: Wer in diesem Alter in Rente geht, stirbt früher
Simpel und echt lecker
Rezept mit Hackfleisch aus der DDR: So machen Sie Beamtenstippe mit Kartoffelbrei
Anzeige gegen Produktion
Walentina enthüllt Gewalt im „Sommerhaus“: „ER gesteht eine Straftat“
Reicht künftig also schon ein Wintereinbruch, um die Entschädigung auszuschließen? Gerade die Frage, was extremes Wetter im Sinne dieser Verordnung ist, wird noch Gerichte beschäftigen, schätzt Gregor Kolbe vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Seine Befürchtung lautet: „Die Bahnunternehmen werden das nun häufiger nutzen, um Forderungen abzulehnen.“
Kolbe fürchtet auch: Im Zweifel werden Bahnreisende häufiger keine rechtlichen Schritte einleiten, obwohl die vielleicht gerechtfertigt wären – weil der Aufwand sich nicht lohnt.
Bahn: Bei „gewöhnlichen Unwettern“ wird weiterhin entschädigt
Nach Ansicht der Deutschen Bahn hat die Art und Weise, wie das Unternehmen die neuen EU-Regeln umsetzen wird, kaum Auswirkungen auf die meisten Kundinnen und Kunden.
„Gewöhnliche Unwetter sind explizit ausgenommen“, sagt Stefanie Berk, Marketing-Vorständin bei der DB Fernverkehr AG, mit Blick auf die neuen Einschränkungen bei den Entschädigungen.
Fälle, wo die Deutsche Bahn künftig nicht mehr entschädigen wird, seien Kabeldiebstähle, Notfälle im Zug oder Personen im Gleis, die ebenfalls in der neuen EU-Verordnung genannt werden. Solche Szenarien machen laut Berk aber nur einen geringen Anteil der Fahrgastrechte-Fälle aus, die bei der Deutschen Bahn landen.
Wichtig: Auf außergewöhnliche Umstände können sich Bahnunternehmen nur bei Entschädigungsforderungen berufen. Weitere Pflichten bleiben davon unberührt: etwa, dass bei größeren Verspätungen die Weiterreise auf anderem Weg organisiert werden muss oder sich der Fahrgast den Fahrpreis erstatten lassen kann.
Was ist mit der Hotelunterbringung?
Die bleibt von den neuen Regeln weitgehend unberührt. Es bleibt das Recht auf Hilfeleistungen bei Verspätungen von mehr als einer Stunde oder bei Zugausfällen – etwa, dass das Bahnunternehmen sich um Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit und gegebenenfalls um die Unterbringung in einem Hotel kümmern muss.
Eine kleine Änderung gibt es bei der Hotelunterbringung: Sind außergewöhnliche Umstände die Ursache für die Zugausfälle, kann das Bahnunternehmen die Unterbringung im Hotel auf höchstens drei Nächte begrenzen, heißt es im Artikel 20 der Verordnung. Diese Einschränkung gab es vorher nicht.

Ist eine Umbuchung künftig auf eigene Faust möglich – auf Bahnkosten?
Ja, von der Frage der Erstattung abgesehen, haben Fahrgäste bei absehbaren Verspätungen von mehr als einer Stunde am Zielbahnhof generell die Wahl, ob sie sich den Fahrpreis erstatten lassen oder die Reise fortsetzen wollen.
Entscheiden sie sich für die Fortsetzung der Reise, können sie bei nächster Gelegenheit oder zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Wahl weiterfahren, wobei sie stets auch eine andere, vergleichbare Verbindung wählen können. Die Option muss ihnen das Bahnunternehmen laut Verordnung (Artikel 18) bieten.
Ab 7. Juni gilt hier laut Europäischem Verbraucherzentrum (EVZ): Man darf für die Weiterreise vom Bahnunternehmen auch auf den Zug eines anderen Anbieters umgebucht werden.
Und: Bahnreisenden wird das Recht zur selbst organisierten Weiterreise eingeräumt. Die entstandenen Kosten können dann vom Bahnunternehmen zurückgefordert werden.
Was sind die Voraussetzungen?
Der Fahrgast muss sich entweder die Zustimmung des Bahnunternehmens für die Umbuchung holen. Oder: Dem Fahrgast wurden vom Bahnunternehmen nicht binnen 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtzeit, dem verpassten Anschluss oder dem ausgefallenen Verkehrsdienst alternative Weiterreise-Optionen mitgeteilt.
In solchen Fällen kann man sich selbst um alternative Verbindungen kümmern. Einschränkung: Die Verordnung nennt hier explizit Bahn- oder Busverbindungen anderer „öffentlicher Verkehrsdienste“. Das wiederum sehen die Verbraucherschützer kritisch.
Gelten jetzt kürzere Fristen für Beschwerden?
Ja. Die Frist, um bei Verspätung oder Zugausfall beim Bahnunternehmen Geld zurückzufordern, liegt bislang bei einem Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der Fahrkarte, berichtet das EVZ.
Künftig müssen Reisende hier womöglich schneller tätig werden. Drei Monate nach der Störung muss die Beschwerde spätestens eingereicht werden, heißt es in Artikel 28 der neuen Verordnung.
Die Deutsche Bahn will das aber nicht so streng handhaben, hat Marketing-Vorständin Berk angekündigt. „Wir werden auch danach noch Anträge annehmen“, sagte sie. Im Zweifel gelte hier die bisher bei der DB angewendete Frist von einem Jahr weiterhin.
In der Praxis ist das ohnehin selten ein Thema, wenn man Berk folgt: „Schon heute werden 97 Prozent aller Anträge binnen 90 Tagen eingereicht.“
Wo gilt die neue EU-Verordnung?
Die Verordnung zu den Bahngastrechten gilt für den Fern- und Nahverkehr in allen EU-Mitgliedstaaten sowie in Island, Norwegen und Liechtenstein. Sie legt die Mindestanforderungen fest. Das heißt: Die einzelnen Staaten, aber auch einzelne Unternehmen, können verbraucherfreundlichere Regeln festlegen.
In Deutschland gibt es zwei Beispiele für verbraucherfreundliche Regeln aus der hierzulande geltenden Eisenbahn-Verkehrsverordnung (EVO), die über die EU-Bahngastrechteverordnung hinausgehen.
Was gilt darüber hinaus in Deutschland?
Inhaber eines Regionalzug-Tickets können laut Artikel 8 der EVO unter bestimmten Umständen alternativ auch auf einen höherwertigen (nicht reservierungspflichtigen) Zug – zum Beispiel einen ICE – umsteigen, wenn die Verspätung am Zielbahnhof absehbar mehr als 20 Minuten betragen wird. Dafür muss man zwar erst mal ein ICE-Ticket kaufen, kann die Kosten aber später zurückfordern.
Und: Wenn die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 Uhr und 5 Uhr liegt und eine Verspätung am Zielbahnhof von mindestens einer Stunde absehbar ist, können Regioticket-Inhaber auch mit einem anderen Verkehrsmittel ans Ziel fahren, etwa mit einem Taxi.
Das ist ebenso möglich, wenn es sich um die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages handelt, diese ausfällt und man dann ohne andere Verkehrsmittel nicht mehr bis 24 Uhr am Zielbahnhof ankommen kann.
Für diese beiden Fälle sieht die EVO, die ebenfalls überarbeitet wurde, künftig einen erstattbaren Höchstbetrag von 120 Euro vor; bisher sind es 80 Euro. Die neue EVO tritt parallel zur neuen EU-Verordnung am 7. Juni in Kraft.
Und wohin mit der Beschwerde?
Jedes größere Bahnunternehmen und jeder größere Bahnhof mit im Jahresschnitt über 10.000 Fahrgästen pro Tag muss der EU-Verordnung zufolge Verfahren zur Beschwerdebearbeitung einrichten.
Bei der Deutschen Bahn lässt sich die Beschwerde für Tickets, die über ein Kundenkonto gekauft wurden, online auf bahn.de oder in der DB-Navigator-App anstoßen.
Oder man füllt ein Fahrgastrechteformular aus und schickt es per Post an das Servicecenter Fahrgastrechte in 60647 Frankfurt/Main. Teilweise gibt es Entschädigungen auch direkt im DB-Reisezentrum.