Verbraucher setzen auf Hygiene, aber...

Die Corona-Krise macht uns zu Plaste-Ferkeln

Hersteller verbuchten auf dem Höhepunkt der Pandemie hohe Umsatzsteigerungen. Doch die Umwelt leidet.

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Frisches Gemüse, plastikverpackt: Das ist hygienischer so, aber für die Umwelt stellt der Verpackungsmüll eine große Belastung dar. 
Frisches Gemüse, plastikverpackt: Das ist hygienischer so, aber für die Umwelt stellt der Verpackungsmüll eine große Belastung dar. Imago stock & people/Jochen Tack

Berlin - Verpackungen, vor allem aus Plastik, hatten lange Zeit keinen guten Ruf. Doch in der Corona-Krise ist vielen Verbrauchern im Zweifel die Hygiene wichtiger. Davon profitierte die Verpackungsindustrie, insbesondere zu Beginn der Pandemie. Hat Corona uns zu Umweltferkeln gemacht? 

Rückblick: Jahrelang reagierten viele Verbraucher mit Unverständnis auf in Plastikfolie eingeschweißte Gurken und Tomaten. Wozu der Verpackungsaufwand? Landet der Plastikmüll nicht am Ende im Meer? Handel und Hersteller versuchten, dem wachsenden Umweltbewusstsein gerecht zu werden. Plastiktüten an der Supermarktkasse kosteten auf einmal Geld. Der Tüten-Verbrauch ging 2018 um 18 Prozent zurück. Doch dann, im Frühjahr 2020, kam Corona. 

Die Pandemie-Krise änderte vieles. Während der strengsten Einschränkungen waren Lebensmittelhändler und Supermärkte die einzigen offenen Geschäfte. Die Nachfrage nach Klopapier, Hygieneprodukten, Nudeln und Konserven stieg schlagartig – und damit automatisch die Nachfrage nach Verpackungen. Auch umweltbewusste Verbraucher kauften nun Produkte in durchsichtiger Plaste-Folie.

Im Supermarkt gibt es gesunden Salat in allen Farben und Sorten – aber zumeist in Plaste eingeschweißt.
Im Supermarkt gibt es gesunden Salat in allen Farben und Sorten – aber zumeist in Plaste eingeschweißt.Imago Images/Eibner-Pressefoto/EXPA/Feichter

Die Verpackungshersteller verbuchten deshalb zwischen Mitte März und Mitte April dieses Jahres zweistellige Umsatzsteigerungen. Besonders bei Verpackungsprodukten für Lebensmittel, Medikamente, Hygieneartikel und Schutzbekleidung gab es einen zum Teil deutlich höheren Absatz.

Viele Verbraucher griffen nun auch aus hygienischen Gründen lieber zu eingepackten Tomaten. „Beim Kunden kam auf einmal das an, was wir immer schon betonen: Dass Verpackungen vor allem auch eine Schutzfunktion haben“, sagt Kim Cheng, Geschäftsführerin des Deutschen Verpackungsinstituts. Auch Vorräte anzulegen, funktioniere nicht ohne Konserven.

Und wie ist der Stand jetzt, im September 2020? Inzwischen kaufen die Kunden im Supermarkt natürlich wieder weniger Klopapier. „Die Konsumenten haben Vorräte angelegt, die nun erst mal aufgebraucht werden müssen“, sagt Cheng. Und was ist mit dem Umweltgedanken? Kehrt er zurück?

In der Krise wurde viel Klopapier „gehamstert“. Die Nachfrage nach Plastik-Folie stieg automatisch mit.
In der Krise wurde viel Klopapier „gehamstert“. Die Nachfrage nach Plastik-Folie stieg automatisch mit.dpa/Rene Traut

Erst vor einem Monat gab der Discounter Penny bekannt, bei Bio- und Gemüseartikeln „wo es möglich ist“ dauerhaft auf plastikfreie Verpackungen setzen zu wollen.

„Alle großen Handelsunternehmen haben bereits in den vergangenen Jahren detaillierte Pläne für eine Zukunft mit weniger und besseren Verpackungen ausgearbeitet“, so Antje Gerstein, Geschäftsführerin für Nachhaltigkeit beim Handelsverband Deutschland. „Diese Pläne werden auch weiter verfolgt und keinesfalls durch die Krise obsolet.“

In dieser Woche richtet das Verpackungsinstitut eine sogenannte Dialogwoche für die Branche aus. Dabei geht es auch um Recycling-Quoten und eine mögliche Plastiksteuer. Im Idealfall, sagt Cheng, wisse der Kunde, wenn er zur Kunststoffverpackung greift, dass er sich damit nicht nur selbst schütze, sondern dass die Verpackung anschließend auch recycelt werde. Hygiene und Umweltschutz seien demnach nicht zwingend ein Widerspruch. (mit dpa)