Höchstrichterliche Entscheidung

Bundesarbeitsgericht: Urlaub verjährt nicht automatisch nach drei Jahren

Das Grundsatzurteil hat Auswirkungen auf viele Arbeitnehmer in Deutschland, die über offene Urlaubsansprüche streiten, die teilweise Jahre zurückliegen. Es stärkt ihre Position.

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Urlaub ist zum Entspannen da! Dem voraus geht jedoch manchmal ein Streit mit dem Arbeitgeber um den tatsächlichen Anspruch.
Urlaub ist zum Entspannen da! Dem voraus geht jedoch manchmal ein Streit mit dem Arbeitgeber um den tatsächlichen Anspruch.Christin Klose/dpa

Sie hätten ja gern Urlaub genommen. Aber die hohe Arbeitsbelastung hat das einfach nicht zugelassen. Ständig waren Kollegen krank, für die Sie eingesprungen sind. Immer wieder gab es dringliche Projekte, die nicht aufgeschoben werden konnten. Oder waren Sie sogar selbst über einen längeren Zeitraum krank, sodass Urlaub nehmen einfach keine Option gewesen ist? Und nun? Darf der Urlaub wirklich verfallen? Genau zu dieser Frage hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt am Dienstag ein Grundsatzurteil gefällt.

Danach verjährt der Urlaub nicht automatisch nach drei Jahren. Das gilt, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigen nicht rechtzeitig auffordern, ihren Urlaub zu nehmen, und sie vor einer drohenden Verjährung warnen, entschied das Gericht (9 AZR 266/20). Sein Grundsatzurteil hat Auswirkungen auf viele Arbeitnehmer in Deutschland, die über offene Urlaubsansprüche streiten, die teilweise Jahre zurückliegen. Es stärkt ihre Position.

Die Informationspflicht des Arbeitgebers gelte auch für Arbeitnehmer, die für lange Zeit erkrankt sind. Ihnen drohte bisher auch für das Jahr ihrer Erkrankung der Verfall von Urlaub 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres. Das gilt nun nicht mehr. Mit ihren Urteilen setzten die höchsten deutschen Arbeitsrichter Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von September um, nachdem Arbeitgeber eine aktive Rolle spielen müssen und nicht zuschauen dürfen, wie Urlaubsansprüche erlöschen. Erfüllen sie diese Pflicht nicht, bleibe der Anspruch auf bezahlte Freizeit bestehen.

Zwei Frauen aus Nordrhein-Westfalen hatten sich bis in die höchsten Gerichtsinstanzen in Deutschland und Europa geklagt. Es ging unter anderem um 101 offene Urlaubstage aus mehreren Jahren sowie 14 Tage Resturlaub nach langwieriger Krankheit.

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Ab in den Urlaub: Was, wenn der Arbeitgeber meint, der Anspruch wäre verfallen?
Ab in den Urlaub: Was, wenn der Arbeitgeber meint, der Anspruch wäre verfallen?dpa/Julian Stratenschulte

Welche Rolle spielt der Arbeitgeber beim Einhalten von Fristen für Urlaubsanspruch?

Welche Pflichten Arbeitgeber beim Thema Urlaub haben, hatte das Bundesarbeitsgericht erstmals im Februar 2019 in einem Grundsatzurteil festgeschrieben – allerdings nur für den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen. Arbeitgeber wurden von den Bundesarbeitsrichtern verpflichtet, die Beschäftigten über ihren Urlaubsanspruch zu informieren, sie aufzufordern, ihren Resturlaub zu nehmen und auf einen möglichen Verfall hinzuweisen.

Die Bundesarbeitsrichter ließen aber offen, wie bei drohender Verjährung und Krankheit zu verfahren ist. Das wurde nun verbindlich entschieden.

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Worauf läuft das Urteil hinaus? Kann Urlaubsanspruch verjähren oder verfallen?

Das Bundesarbeitsgericht hat die beiden Fälle aus NRW vor seiner anstehenden Entscheidung bereits dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgelegt. Er sollte prüfen, ob europäisches Recht eine Verjährung des Urlaubsanspruchs gestatte, „wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch auszuüben“.

Die Entscheidung war eindeutig: Nein, sagte der Gerichtshof im September. Urlaub könne nicht verjähren oder bei langer Krankheit verfallen, wenn Arbeitgeber ihren Pflichten nicht nachgekommen seien, so der EuGH.