Neue KURIER-Serie: Die Väter des Erfolges beim 1. FC Union
Ob Andersson, Kruse, Awoniyi oder Becker – stets trifft ein Stürmer des 1. FC Union zweistellig
Der KURIER hat die Rangliste des rot-weißen Erfolgs erstellt. Platz 10: die 10-Tore-Männer!

Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa League, Königsklasse – das ist der 1. FC Union der jüngsten fünf Jahre im Schnelldurchlauf. Dahinter verbergen sich Namen, Ereignisse, Entscheidungen, manchmal auch nur Puzzleteile. Ein Top-20-Ranking ist ein wenig ungerecht, denn ohne den Einen oder das Eine würde es das Ganze, diese Erfolgsgeschichte, nicht geben. Entscheiden bei einem olympischen 100-m-Lauf, in dem sich die Weltbesten treffen, Millimeter und Hundertstelsekunden, dann gilt für die Eisernen: Gewonnen haben alle, nur eben mit Nuancen. Auf Platz 10 – Die Zehn-Tore-Männer.
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Das Bad vor den Anhängern auf der Waldseite genießt Sheraldo Becker mit einer Flagge um den Oberkörper. Das Rot und das Weiß, die Farben des 1. FC Union, sind auch dabei, dazu außen das Grün und in der Mitte ein gelber Stern. Ein wenig Suriname mischt sich unter den Jubel nach dem letzten Spiel dieser Saison, dem 1:0 gegen Werder Bremen, mit dem die Eisernen ihr grandioses Spieljahr auf Rang 4 abgeschlossen und sich für die Champions League qualifiziert haben, und verdeckt die Rückennummer 27 des Angreifers. Tanzend schließt der Offensivmann den Nachmittag ab, hochzufrieden mit der Welt, überglücklich und im Reinen mit sich.
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Becker ist, obwohl nicht er für sein Team das letzte Tor der Saison erzielt hat, sondern Rani Khedira, trotzdem so etwas wie der Mann des Jahres. Mit elf Treffern ist er der beste Schütze seiner Mannschaft, in den ersten Wochen des Spieljahres sogar die Nummer 1 in der Liga und am Ende auf Rang 11, besser noch als die Dortmunder Sebastien Haller, Jude Bellingham und Julian Brandt, besser auch als Leipzigs Timo Werner und Dominik Szoboszlai, besser sogar als die Bayern-Topleute Erin Maxim Choupo-Moting, Kingsley Coman, Leroy Sané, Thomas Müller und Sadio Mané.
Beckers Knoten beim 1. FC Union ist endlich geplatzt
Kritiker werden sagen, es wäre locker noch mehr möglich gewesen. Mit je 16 Treffern schon, nie in zuvor 59 Jahren Bundesliga haben die dafür gereicht, ging die Torjägerkanone an den Bremer Niclas Füllkrug und den Leipziger Christopher Nkunku. Nie war die Gelegenheit so günstig, Geschichte zu schreiben, womöglich sogar ein Kapitel für die Ewigkeit. Gutwillige werden dem entgegensetzen, dass der Knoten bei Becker endlich geplatzt ist und er seine Ausbeute von sieben Treffern in drei Spielzeiten innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt hat.
Doch auch in seiner mit Abstand besten Saison hatte er eine Zeit, in der es gar nicht flutschte, er in elf Spielen leer ausgegangen war und Trainer Urs Fischer („Als Stürmer brauchst du Erfolgserlebnisse. Vielleicht braucht es da mal ein Tor, das du über die Linie würgst.“) ihn in Schutz nahm. Trotzdem hätte er weiter vorn landen können in der Rangliste der besten Knipser. Dann aber hätte er womöglich Elfmeter können sollen. Satte sieben bekamen die Rot-Weißen in der abgelaufenen Saison zugesprochen ... Aber das ist eine andere Geschichte.
Unions aktuell bester Stürmer profitiert nicht allein von seinem Ballgefühl und seiner Fähigkeit, den Abschluss sowohl mit seinem linken als auch mit seinem rechten Bein zu suchen. Zuschauern, die ihn nicht gar so häufig sehen, fällt es schwer auszumachen, welches tatsächlich sein Schussbein ist. Becker brilliert vor allem auch mit seiner Schnelligkeit. Mancher meint, in ihm sei ein durchaus gutklassiger Sprinter verlorengegangen. Gut und gern hätte Becker auch in der Leichtathletik seinen Platz gefunden. Einer der schnellsten Spieler der Liga ist er sowieso. In der Spitze wurde bei ihm ein Speed von 36,57 Kilometern pro Stunde gemessen.
Kruses Vorlagen veredelt Awoniyi für den 1. FC Union
Nur Dortmunds Karim Adeyemi ist im vergangenen Spieljahr einen Hauch, einen Wimpernschlag nur schneller gewesen. Alle anderen wären von Becker abgehängt worden. Damit jeder diesen Speed einordnen kann: Bei seinem Weltrekord über 100 Meter, den Usain Bolt 2009 mit 9,58 Sekunden bei der Leichtathletik-WM in Berlin aufgestellt hat, war der Jamaikaner im Durchschnitt mit 37,58 kmh unterwegs. Dass er in der Spitze auf 44,72 kmh kam, na gut, damit kann nicht einmal Becker ansatzweise mithalten. Aber das konnten bei Bolt nicht einmal die anderen Weltklassesprinter.

Bevor Becker durchstartet, benötigte er jedoch einen ziemlich langen Anlauf. Das erste Jahr ist bei ihm schlichtweg zum Vergessen. Auf 13 Einsätze kommt er in der Saison 2019/20, doch bei den Toren steht eine Null. Schlimmer noch. Er hat ganz und gar die Seuche, denn immer dann, wenn die Eisernen gewinnen, hat er eine Muskelverletzung oder verbringt die 90 Minuten auf der Bank. Nur bei zwei von zwölf Siegen in jenem Jahr, dem ersten, einem 3:1 gegen Dortmund, und dem letzten, zum Abschluss einem 3:0 gegen Düsseldorf, ist er mit auf dem Platz. Das steht seinen Ansprüchen konträr gegenüber.
Zu jenem Zeitpunkt hat Sebastian Andersson längst vorgelegt, Unions erster Torschütze in der Bundesliga überhaupt beim 1:1 einst in Augsburg. Zwölf Treffer steuert der Schwede, wie im Jahr zuvor zum Aufstieg, diesmal zum Klassenerhalt bei und ist auch sonst einer, der Lücken reißt, hohe Anspiele zu verwerten weiß und Mitspieler in Szene setzt. Das ist nicht gerade einfach in der Anfangsphase, als die Eisernen ihr Spiel mehr ruckartig und weiträumig anlegen als technisch ausgereift und im Kurzpass-Stakkato. Dafür aber ist er der genau richtige Mann. Als er geht, gibt Robert Andrich ihm derart herb-warme Worte mit, wie es nur einer kann, der auch sonst Klartext redet: „Er hat echt aus Scheiße öfter Gold gemacht.“
Der 1. FC Union kassiert 6,5 Millionen für Andersson
Immerhin machen die Köpenicker mit dem Schweden Kasse. 6,5 Millionen Euro bekommen sie vom 1. FC Köln für ihren verlorenen Torjäger – und leisten sich dafür mit Max Kruse jemanden, der ebenso Tore, darüber hinaus aber noch viel mehr kann. Insofern ist der ehemalige deutsche Nationalspieler viel mehr als nur ein Ersatz. Er ist der Mann auf dem Platz, der den Eisernen zur nächsthöheren Stufe gefehlt hat.
Er spielt einen gepflegten Ball, hat das Auge für die Situation und für den Mitspieler, kann das Spiel sowohl beruhigen als auch mit Tempo befeuern. Fast im Vorbeigehen haut Kruse den Ball auch so oft in des Gegners Kiste wie in der Saison 2020/21 kein anderer aus seinem Team. Elf Treffer in 22 Spielen sind so schlecht nicht für einen, der schon 33 ist.
Noch besser ist Kruse nur darin, ein Spieljahr später für Taiwo Awoniyi zu sorgen und dem Nigerianer die Bälle aufzulegen. Als der Bessermacher weg ist, trauert ihm vor allem der Torjäger nach. „Max hat immer ein wenig hinter mir gespielt und stets gewusst, wann und wie er den Ball spielen muss“, sagte Awoniyi, „er hatte seine Augen überall. Du musstest als Stürmer nur schauen, wo Raum ist, um hinein zu sprinten.“
Während die Karrieren von Andersson (für Köln in drei Jahren nur sechs Tore in 42 Spielen; in der Saison 2022/23 gar kein Einsatz) und Kruse (Auflösung des Vertrages in Wolfsburg nach nur zehn Monaten) nach dem Weggang floppten, hat es Awoniyi bei Nottingham Forest erneut zweistellig gemacht. Mit zehn Treffern, davon allein sechs in den letzten vier Spielen, war er bester Torschütze seines Teams und hat einen erheblichen Teil dazu beigesteuert, dass der Premier-League-Neuling, der im Herbst sechsmal im Besitz der Roten Laterne war, die Klasse gehalten hat.
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