Wenn der 1. FC Union so effektiv spielt wie auf Schalke, dann muss auch der FC Bayern die Flagge streichen.
Wenn der 1. FC Union so effektiv spielt wie auf Schalke, dann muss auch der FC Bayern die Flagge streichen. Imago/Sven Simon

Wollen wir das Undenkbare denken? Die Bayern kommen. Die Übermannschaft der Liga. Der Branchenprimus. Auf dem Feld und bei den Finanzen. Ein Sieg gegen die mit Topstars gespickte Elf des Rekordmeisters hat eher Seltenheitswert. In der Liga sowieso. Und der 1. FC Union hat in sechs Anläufen die Münchner noch nie bezwingen können. Wie das diesmal gehen soll an diesem Sonnabend (15.30 Uhr, Sky)? Na, so: Wir basteln uns einen Sieg über die Bayern, indem wir aus jedem der ersten vier Saisonspiele das Herausragendste mitnehmen. Vier kleine Dinge für einen großen Dreier!

Wenn man sich als Neuling in der Bundesliga etablieren will, sind es ja immer wieder kleine Etappen, die es zu meistern gilt. Das erste Tor (Sebastian Andersson am 24. August 2019 beim 1:1 in Augsburg), der erste Sieg (3:1 gegen Dortmund am 31. August 2019 mit einem Marius-Bülter-Doppelpack), der erste Auswärtssieg (19. November 2019 beim 3:2 in Mainz). Auch jeden Gegner irgendwann einmal bezwungen zu haben, ist ein Schritt auf dem Weg zum gestandenen Bundesligisten. Mit dem 6:1 auf Schalke fehlt dazu nur noch ein einziger Klub – eben diese Münchner. 

Um im Hit des Spieltages beim Kampf Spitzenzweiter gegen Spitzenreiter zu bestehen, muss Union sich aus jedem seiner vier Auftritte in dieser Saison einen Punkt rauspicken und auf das Bayern-Spiel übertragen. Dann kann was gehen gegen Sadio Mané, Thomas Müller & Co. 

Der 1. FC Union ist derzeit effektiver als der FC Bayern

Fangen wir ganz hinten an: Es braucht die brutale Effektivität aus dem Schalke-Spiel, denn viele Chancen bekommt man nicht gegen den Nobelklub von der Isar. Bei den Knappen war gefühlt jeder Schuss drin. Tatsächlich hat Union ein Dutzend Mal auf den Kasten von Alexander Schwolow geballert. Eine Trefferquote von 50 Prozent! Insgesamt verwerten die Eisernen derzeit 42,3 Prozent all ihrer Chancen und weisen damit eine um 7,5 Prozent bessere Quote auf als die Bayern. Die Geschwindigkeit, mit der der 1. FC Union umschaltet, sucht in der Liga derzeit ihresgleichen. Und Sheraldo Becker, in der Form seines Lebens, hat Thomas Müller in der Scorerwertung auf die Plätze verwiesen. Auf sechs Punkte (vier Tore plus zwei Assists) kommt Becker da, Müller nur auf fünf (eins plus vier).

Aus dem 2:1 Heimsieg gegen Leipzig werden neben dem Bewusstsein, ein Spitzenteam schlagen zu können, der läuferische Aufwand (121,5 km!), die Giftigkeit und die robuste Herangehensweise mitgenommen. Nicht umsonst lobte Domenico Tedesco mit Rani Khedira den Sechser des 1. FC Union. „Wenn ich sehe, mit welcher Aggressivität Rani zur Sache geht. Ich kenne ihn ja noch aus Stuttgart: So wie er mit vollem Einsatz in alles reingeht. Und das, ohne Gelb zu kriegen. Ich meine das als Kompliment“, so Leipzigs Trainer. Ein Kompliment, das stellvertretend für das ganze Team gilt. Zudem bewiesen die Eisernen in dem Kick eine ungeheure Leidensfähigkeit, ohne dabei aber einzuknicken.

Aus dem Mainz-Spiel gilt es, die Geschlossenheit und die Abwehrleistung mit einzubringen. Diese Bereitschaft, Lücken zuzulaufen, helfend einzuspringen. „Diese Solidarität, die in der Mannschaft herrscht, die ist etwas Besonderes“, hatte auch Trainer Urs Fischer immer wieder betont. Damit macht der 1. FC Union jedem Gegner das Leben schwer. Die Rheinhessen hatten eigentlich keine echte Chance aus dem Spiel heraus. Nicht umsonst wird Robin Knoche als einer der besten Innenverteidiger der Liga angesehen. Mit einer Zweikampfquote von 63 Prozent hängt Unions Abwehrboss derzeit sogar 80-Millionen-Mann Lucas Hernandez (62,5) von den Bayern ab.

Das große Plus des 1. FC Union ist seine Leidensfähigkeit

Der Liga-Start und erste Teil der Stadtmeisterschaft, das 3:1 gegen Hertha, ist hingegen ein Zeichen dafür, dass der 1. FC Union anderen Teams durchaus das Spiel aufzwingen kann. Das wird gegen Bayern zwar nicht über 90 Minuten gehen – gegen Hertha langten ja sogar nur 50 Minuten –, aber es wird Phasen geben, in denen die Truppe von Trainer Fischer den Favoriten damit durchaus beschäftigen und vom eigenen Tor weghalten kann.

Robin Knoche, Abwehrchef des 1. FC Union, macht selbst guten Stürmern wie Simon Terodde das Leben schwer.
Robin Knoche, Abwehrchef des 1. FC Union, macht selbst guten Stürmern wie Simon Terodde das Leben schwer. Imago/Team 2

Wenn man dann noch auf der Pfanne hat, dass die Bayern-Abwehr immer wieder für einen groben Schnitzer gut ist – zuletzt schoss ja Dayot Upamecano beim 1:1 gegen Gladbach einen fundamentalen Bock – und Sheraldo Becker und Jordan Siebatcheu perfekt harmonieren, kann auch gegen die Bayern was drin sein. 

Und wenn nicht? Keiner der 20.000 in der ausverkaufen Alten Försterei, die es mit den Eisernen halten, wäre über ein Unentschieden böse. Wäre dann saisonübergreifend das zwölfte Spiel in Serie ohne Niederlage. Und auch bei einer Niederlage würde keiner den Kickern des 1. FC Union den Kopf abreißen. Gegen Bayern kann das ja mal passieren.

Union hat also nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen.

PS: Sollte die Sensation gelingen, wäre die nächste Etappe auf dem Weg zur Etablierung perfekt: Tabellenführer waren die Eisernen ja auch noch nie. Was sie derzeit gemeinsam haben mit dem FC Augsburg.

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