Was für ein Jahr

Beim 1. FC Union wurde aus Spaß Ernst

So ausgelassen feierten die Köpenicker den vielleicht größten Triumph ihrer Vereinsgeschichte – den Einzug in die Champions League.

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Christopher Trimmel und die Kollegen des 1. FC Union feiern den Einzug in die Champions League.
Christopher Trimmel und die Kollegen des 1. FC Union feiern den Einzug in die Champions League.imago/Beautiful Sports

Der 1. FC Union müsse sich in der neuen Saison mit der Champions League selbst treu bleiben, hatte in der Stunde des vielleicht größten Triumphs Urs Fischer gefordert. In erster Linie blieb sich der Trainer der Eisernen selbst treu. Als Mann ausschweifender Reden ist der Schweizer Fußballlehrer ohnehin nicht bekannt. Treffsicher, wie er zuvor sein Team gegen Werder Bremen eingestellt und Geduld gepredigt hatte, brachte er das Motto des Abends punktgenau unter das Volk: „An solchen Tagen soll man nicht viel quatschen, sondern feiern.“

Gesagt, getan. Hatte in den ersten Minuten nach dem Abpfiff vor allem die Mannschaft auf dem Rasen viel Spaß mit Bierduschen und einem Henkelpott aus Pappe, wurde danach der Parkplatz vor der Haupttribüne zur eisernen Fanmeile mit einer Ausgelassenheit, die Deutschland vielleicht zuletzt 2006 beim Sommermärchen erlebt hatte. Okay, vielleicht auch beim Aufstieg der Köpenicker im Mai vor vier Jahren.

Die Köpenicker Fans hüpften im roten Pyro-Nebel, ein kaum noch zu vernehmender Vorsänger stimmte „FC Union international“ an und auf dem Balkon vor der Haupttribüne bekam Geschäftsführer Oliver Ruhnert von Kevin Behrens eine Bierdusche. „Champions League kriegen wir auch hin zusammen, oder?“, fragte der Manager ins Rund, bekam laute Zustimmung und trällerte anschließend auch ein Lied mit. Logisch, dass dabei die Massen vor allem Siegtorschütze Rani Khedira hochleben ließen.

Khedira muss den Trainern des 1. FC Union recht geben

Die defensive Schaltzentrale der Eisernen hatte zuvor sein neues Champions-League-T-Shirt in Sicherheit gebracht. „Ich wollte nicht, dass es noch mehr Bierduschen abbekommt und darunter leidet“, meinte der 29-Jährige. Seinen geschlenzten Schuss in die Königsklasse habe er genau so machen wollen, sagte Khedira. „Ich bin im Training oft genug dafür kritisiert worden, nicht mit der Innenseite zu schießen. Ich habe gefühlte 400 Mal vom Trainerteam gehört: Nimm die Innenseite“, sagte Khedira. „Im entscheidenden Moment habe ich dann die Innenseite genommen. Der Trainer hat eben doch manchmal recht.“

Die Fans der Eisernen konnten ihr Glück nicht fassen. „So ’ne Scheiße, so Scheiß, so ’ne Scheiße, Champions League“, hatten sie zuvor schon ironisch intoniert. Die Abwandlung ihres alten Gassenhauers aus dem Jahr 2016, als sie damit noch einen ersehnten Erstligaaufstieg besungen hatten. Und das zur Melodie von Rod Stewarts „Sailing“. Die ironischerweise ja am anderen Ende der Stadt bei Frank Zanders Hertha-Hymne („Nur nach Hause“) ihre Heimat hat.

Ausgelassene Stimmung hinter der Haupttribüne im Stadion an der Alten Försterei
Ausgelassene Stimmung hinter der Haupttribüne im Stadion an der Alten Förstereidpa/Soeren Stache

Diesmal galt das auch in Köpenick. Ja, nach Hause gehen wollte keiner. Denn der 27. Mai wurde im Südosten der Hauptstadt wieder zum Feiertag. Genau vier Jahre nach dem Aufstieg in die Bundesliga steht der 1. FC Union nach dem 1:0 (0:0) gegen Werder Bremen in der Königsklasse. Am Ende einer unfassbar geilen Saison.

Beim 1. FC Union wurde aus Spaß Ernst

Zum dritten Mal in Folge qualifiziert sich Union für das internationale Geschäft. In der Hinrunde führten die Köpenicker die Tabelle sogar sieben Spieltage lang an, sie standen nur zweimal in 34 Spieltagen unterhalb von Rang vier. Seit 23 Ligaspielen musste Union in der Alten Försterei nicht mehr den bitteren Geschmack einer Niederlage kosten.

Monatelang hatten die Eisernen abgewunken, wenn es um die Chancen auf das Erreichen der Champions League ging. „Wir denken von Spiel zu Spiel“ und die 40-Punkte-Marke durften in keiner Antwort fehlen. Am Ende der Spielzeit die Königsklasse noch zu verspielen, sie hätten sich in den Allerwertesten gebissen, wie Khedira freimütig einräumte. „Sicher, wir haben ab und zu die Champions-League-Hymne in der Kabine gespielt. Aber aus Spaß. Aus Spaß wurde dann irgendwann auch Ernst“, sagte Rani Khedira.

Worte dafür habe er noch nicht, sagte Fischer. „Ich glaube, ich muss das noch ein bisschen sacken lassen.“ Und weniger quatschen und mehr feiern stand ohnehin erst einmal auf dem Programm.

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