Union-Kolumne
Zwischen rot-weiß und königsblau: Union-Held im Abstiegs-Dilemma
Steven Skrzybski zog aus, um sich auf Schalke seinen Traum zu erfüllen. Doch den leben sie gerade in Köpenick

Wer hat im Laufe seiner Jahre nicht mal darüber nachgedacht, was geworden wäre, hätte man nicht das, sondern dies getan? Wäre man während des Abiturs mit Berufsausbildung, ja, das gab es für meinen Jahrgang in der EOS, nicht Betriebsschlosser geworden, sondern Elektromonteur. Nach Russisch hätte man Englisch als zweite Fremdsprache lernen dürfen und sich nicht mit Französisch plagen müssen. Zweitens hätte man in der DDR Schuko-Material bekommen, der Beruf stand ja im Personalausweis und man war qua Eintrag Fachmann. In einer Ware-Ware-Gesellschaft ein Pfund.
Im Grunde war es nicht das Ding, ob Seine oder Themse, Paris oder London. Es war ja sowieso nur in der Fantasie. Aber dann! Was studieren und vor allem wo? Man lernt andere Leute kennen, andere Kommilitonen, Kollegen. Aller Wahrscheinlichkeit, ja, auch das, einen anderen Partner fürs Leben. Geht man für die Ausbildung weg von Zuhause und wie weit? Kommt man nach dem Studium zurück oder wurzelt man in der Fremde, die später, mir ist es so gegangen, Heimat wird. Wenigstens ein Stückchen.
Die große, durchaus philosophische Frage ist doch: Wie wäre es gekommen, hätte man auf der Autobahn des Lebens den Blinker mal anders gesetzt?
Noch hat das nichts mit dem 1.FC Union zu tun. Stelle ich mir diese Frage aber vor dem Match der Köpenicker gegen Schalke, bin ich bei den Eisernen. Bei einem, der gerade zwar keiner ist, der im Herzen aber einer von ihnen bleibt: Steven Skrzybski. Der eiserne Held, der im Abstiegs-Dilemma steckt.
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Heißt es über Otto Rehhagel und Wolfgang Overath, über Petar Radenkovic und Hans Tilkowski, Lothar Emmerich und Uwe Seeler, sie sind Kinder der Bundesliga, obwohl „Uns Uwe“ bei deren Beginn schon 37 Länderspiele absolviert und an zwei WM-Endrunden teilgenommen hatte, dann heißt es über Steven Skrzybski, auch wenn er einst bei Stern Kaulsdorf mit dem Fußball begann, er ist Unioner. Satte 17 Jahre – und der Kerl ist erst 28 – war die Alte Försterei seine sportliche Heimat.
Das bleibt immer, auch wenn es bei ihm die zweite Liebe gibt, die königsblaue. Kein Wunder, dass in Skrzybskis Traumelf außer dem Torhüter (Marc-André ter Stegen) und einem, an dem er partout nicht vorbeikommt (Lionel Messi), es nur Spieler gibt, die eine königsblaue Vita haben wie Olaf Thon, Ebbe Sand, Gerald Asamoah und Benjamin Stambouli oder eine eiserne. So wie Damir Kreilach, Toni Leistner und aus dem aktuellen Kader Christopher Trimmel und Christopher Lenz.
Doch zurück zur Frage und dem: Was wäre, wenn …? Was wäre, wäre Skrzybski 2018 kein Schalker geworden? Einerseits hätte er nicht in der Champions League gespielt. Andererseits wäre er, alles spricht dafür und das war so etwas wie sein Kindheitstraum, ein Jahr später doch in die Bundesliga gekommen. Nämlich mit dem 1.FC Union. Insofern hätte es, aber niemand ist Hellseher, der Abkürzung nicht bedurft.
Nur geht die Geschichte ja weiter. Aus dem Goldjungen ist ein klein wenig einer geworden, dem das Pech am Schussstiefel klebt. Es ist nicht allein, dass er wegen einer Knieverletzung seit sechs Wochen nicht mehr gespielt hat. Womöglich hat er später mal viel mehr daran zu knabbern, dass er in der 58-jährigen Geschichte der Bundesliga drauf und dran ist, als einer der ganz wenigen Spieler zweimal in Folge abzusteigen. Für die Rückrunde der vorigen Saison hatten die Schalker ihn nach Düsseldorf ausgeliehen: Fortuna schmierte mit einem 0:3 am letzten Spieltag ab – dummerweise in der Alten Försterei. Aktuell stehen die Wetten ganz mies für die Königsblauen, mit acht Punkten aus 20 Spielen ist noch keinem das Wunder geglückt.
Skrzybski wäre nicht der Erste, dem dieses Malheur passiert. Da hat es ganz andere erwischt. So Jürgen Rynio, der nach 1968 mit dem Karlsruher SC im Jahr darauf mit dem 1.FC Nürnberg eine Etage tiefer gefallen ist, obwohl der Club als Titelverteidiger in die Saison ging. Erst nach dem fünften (!) Abstieg – 1972 mit dem BVB, 1978 mit St. Pauli und 1986 mit Hannover – hatte der Torhüter die Nase voll und beendete seine Karriere. Auch wäre Skrzybski nicht der erste Ex-Unioner, der diese Kröte schlucken müsste. Bobby Wood, auch er ein Angreifer, lässt grüßen mit 2018 Hamburger SV und 2019 Hannover 96.
Vielleicht ist Skrzybski auf der Karriere-Autobahn tatsächlich einmalfalsch abgebogen. Wenn man das nur, so ist das Leben halt, vorher wüsste... Als Trost mag ihm bleiben: einmal Unioner, immer Unioner. Auch deshalb sollten die Eisernen nach zuletzt vier sieglosen Spielen wieder die Kurve kriegen.