Sieben-Tore-Crash, na und? Eiserne, behaltet euren Spaß!
Die jüngsten Niederlagen rütteln den 1. FC Union durch, aber das erst macht den „Urlaub in Europa“ so herausfordernd.

Das Leben ist reine Kopfsache. Oft zumindest und vor allem dann, wenn es auf der Geraden ein wenig holpert und in der Kurve leicht klappert. So wie es dem 1. FC Union gerade geht nach feinem Start ins Spieljahr mit dem Weiterkommen im Pokal, dem Sprung in die Gruppenphase der Conference League, vier Auftritten in der Bundesliga und alles in allem sieben Spielen ohne Niederlage. Da fallen zweimal 90 Minuten, die einen in Prag und die anderen in Dortmund, in denen es durch ein paar Schlaglöcher ging, durchaus aus dem Rahmen.
Manchem mag das vorkommen, als sei damit der Untergang des Abendlandes eingeläutet, zumindest dessen über Köpenick, weil die Belastungen für die Eisernen kaum weniger werden und die Anforderungen mit etlichen Englischen Wochen bis Weihnachten eher noch steigen. Mag sich andernorts auch der eine oder andere die Hände reiben über den Sieben-Gegentore-Crash innerhalb von vier Tagen nach dem Motto: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis tanzen. Was haben sie sich in der Wuhlheide auch derart aus dem Fenster gelehnt, um unbedingt durch Europa zu reisen. Selbst schuld, die Schlosserjungs, wären sie lieber in ihrer Alten Försterei geblieben.
Spiele im 3-Tages-Rhythmus für Union
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Ehrlich, Leute? Solche Gedanken, sollten sie jemandem kommen, haben was vom Heimchen am Herd. Wenn es in der Bundesliga um die Ränge ganz vorn geht, ist für die Rot-Weißen dort kein Platz vorgesehen und schon gar nicht reserviert, schon klar. Ein doppeltes und dreifaches Ja aber dafür, wenn es darum geht, ein wenig auf den Busch zu klopfen, den Branchengrößen wie zuletzt dem BVB zumindest kurz Angst einzujagen und für Spektakel zu sorgen. Es geht auch darum, ab und an einen Dreier einzusacken, so eventuell Sonnabend gegen Bielefeld, damit alles im tiefenentspannten Bereich bleibt. Dafür sind die Eisernen wie gemacht und in dieser Rolle fühlen sie sich am wohlsten.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es nach dem kurzen Luftholen am Wochenende weitergeht im Drei-Tages-Rhythmus gegen die Arminia, dann gegen Maccabi Haifa und Mainz und nach der Länderspielpause der Takt mit Wolfsburg, Feyenoord Rotterdam, Stuttgart, Mannheim (Pokal), den Bayern, erneut Feyenoord und schließlich Köln erst richtig kracht, dröhnt und rumst. Das haben sie gewollt, darauf freuen sie sich und es macht ihnen Spaß, die eine oder andere sportliche Ohrfeige inbegriffen. Bloß kein Mitleid, bitte.
Eiserne Balance zwischen Fest- und Alltag
Gewiss beansprucht das alles Muskeln und Sehnen, Gelenke und Bänder, auch werden Verletzungen kaum ausbleiben. Vor allem aber ist das alles eben auch Kopfsache. Nicht „Tschakka, tschakka, du schaffst es!“ und man muss nur ganz fest daran glauben. Kein Stück. Es ist das Einmalige, das Besondere, diese womöglich für manchen nie wiederkehrende Erfahrung und wie es sich anfühlt, in einen noch exklusiveren Bereich als die Bundesliga, nein, nicht eingelassen worden zu sein, sondern sich den Eintritt in diesen Salon im vorigen Spieljahr mit 50 Punkten und 50 Toren verdient zu haben. Das sorgt für Adrenalin.
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Also dann, Tanz auf drei Hochzeiten. Das ist in Köpenick nicht das Problem, weil sie es mit ihrem Anspruch, die europäische Bühne gern zu betreten, immer ehrlich gemeint haben. Sie müssen sich nicht entschuldigen für eine Sache, die andere gern selbst gehabt hätten, dazu aber nicht in der Lage waren. Trotzdem sollten sie achtgeben auf sich und auf die Balance zwischen Alltag und Festtag, zwischen Pflicht und Kür, zwischen Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.
Der 1. FC Union weiß, wo er herkommt
Ein paar zwischen die Lichter haben sie also bekommen mit dem 1:3 bei Slavia und dem 2:4 bei der Borussia. Mancher könnte hinklatschen nach solchen Momenten und nicht so schnell wieder aufstehen. Wohl aber nicht Dirk Zingler und Oliver Ruhnert, der Präsident und der Manager, nicht Christopher Trimmel, der Kapitän, und erst recht nicht Urs Fischer, der Trainer. Sie alle wissen am besten, wo sie herkommen. Von ziemlich weit unten nämlich. Dabei haben sie sich bewahrt, was manche bei Höhenflügen im Rausch schnell fallenlassen, eine Portion Respekt und eine noch größere Portion Demut.
Dazu gehört auch, den Spaß nicht zu vergessen und dass sie alle noch das Kind im Manne behalten. Dann sind Spiele im Drei-Tages-Rhythmus und Reisen durch die Lande alles andere als Belastung. Noch besser: Hatten sie ihre erste Saison im Oberhaus als „ein Jahr Urlaub in der Bundesliga“ ausgerufen, geht diese Saison locker als „ein Jahr Urlaub in Europa“ durch. Und zwar nicht als Rucksacktourist, sondern in einem Fünf-Sterne-Hotel. Es ist reine Kopfsache, das Leben, und der Fußball sowieso.
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