Doppelt bitter: Robert Andrich (M.) sieht in der Saison 2020/21 im Derby bei Hertha BSC den roten Karton, Union verliert das Spiel im Olympiastadion 1:3.
Doppelt bitter: Robert Andrich (M.) sieht in der Saison 2020/21 im Derby bei Hertha BSC den roten Karton, Union verliert das Spiel im Olympiastadion 1:3. Contrast/imago

Wahrscheinlich hat Paul Jaeckel seit Sonntag einige unruhige Nächte hinter sich. Zumindest durchwachte Phasen mit wiederkehrenden und halb düsteren Gedanken an die beiden Fouls, für die er im Spiel gegen Bochum innerhalb von nicht einmal einer Viertelstunde zwei Verwarnungen kassierte und damit des Feldes verwiesen wurde.

Das ist erstens blöd für die Mannschaft, weil damit in der vielleicht labilsten Phase der Partie zusätzliche Statik flöten ging. Das ist zweitens dazu noch viel blöder für Jaeckel selbst, weil das, was er sich nach für ihn eher quälenden Monaten wieder aufgebaut zu haben schien, in Scherben liegt: Sperre, raus für die Partie am Sonntag in Mönchengladbach und bei der unerbittlichen Konkurrenz mit Diogo Leite und Timo Baumgartl um einen Platz in der Abwehr womöglich raus in der Endphase der Saison …

Andrich und  Friedrich fliegen sogar zweimal raus

Jaeckel ist nicht der erste Spieler des 1. FC Union, der in der Bundesliga vom Platz gestellt worden ist. Robert Andrich hat es sogar zweimal getroffen und Marvin Friedrich auch, dazu in der ersten Saison nach dem Aufstieg Keven Schlotterbeck, Sebastian Polter und Neven Subotic, zwölf Monate später Nico Schlotterbeck und in diesem Spieljahr schon Diogo Leite. Das Dumme daran ist: Keines der Spiele, das sie in Unterzahl beenden mussten, und sei es, dass Friedrich seine beiden Platzverweise einst erst in der Nachspielzeit kassierte, haben die Eisernen gewonnen.

Selbst in Europa haben die Männer aus Köpenick ihre roten Spuren hinterlassen. Zuletzt, beim Aus in der Europa League bei Royale Union St.-Gilloise, hat es Janik Haberer erwischt, zuvor beim 1:0 in Malmö András Schäfer. In der Europa Conference League waren es im Jahr davor gegen Feyenoord Rotterdam Cedric Teuchert und Christopher Trimmel, im Spiel bei Slavia Prag schon einmal Paul Jaeckel.

Janik Haberer erwischt es in Belgien, der 1. FC Union scheitert in der Europa League bei Royale Union St.-Gilloise.
Janik Haberer erwischt es in Belgien, der 1. FC Union scheitert in der Europa League bei Royale Union St.-Gilloise. Panoramic International/imago

Es scheint, als schließe sich hier ein Kreis. Sei sie noch so ärgerlich, so gibt es im Fußball schlimmere Dinge als eine Ampelkarte. Sofern man seinen Platz im Team hat und der durch den Platzverweis nicht in Gefahr gerät. Ein Spiel Zwangspause, kräftig durchatmen, Luft holen – weiter geht die Reise oder auch die wilde Fahrt. Nur könnte das bei Jaeckel ein wenig anders enden.

Die ganz jungen Kerle, die wie Pelé 1958 mit 17 Weltmeister wurden oder wie Kylian Mbappé 2018 mit 19 Jahren, sind die großen Ausnahmen. Auch Jaeckel ist noch ein junger Mann, einer der Jüngsten beim 1. FC Union und beim 1:1 gegen Bochum der Benjamin in seinem Team. Er hat mit 24 noch eine ganze Menge vor sich.

Paul Jaeckel stellt sich selbst ein Bein

Aber ein ganz und gar heuriger Hase ist er dann doch nicht mehr. So langsam muss auch ihm klar sein, dass es mehr werden sollte, als nur ein Talent zu sein mit Ambitionen nach oben. Und auch daran muss Jaeckel sich messen lassen: Danilho Doekhi, deutlich stabiler und mit vier Treffern einer der torgefährlichsten Abwehrspieler der Liga, ist lediglich drei Wochen älter, irgendwie aber weiter und vor allem reifer.

Nun gibt es unter Fußballern den ein wenig angestaubten Spruch, dass es keine jungen oder alten, sondern nur gute oder schlechte (vielleicht auch weniger gute) Spieler gebe. Das mag in vielen Fällen durchaus zutreffen, doch auch hier gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Zu Paulchen und Paul ist es von da manchmal nur ein Katzensprung.

Den einen oder anderen Fehler darf ein Spieler machen, diese Toleranz hat jeder Trainer und das verzeiht er auch. Nur bei wiederkehrenden Aussetzern wird es eng, von schwindendem Selbstvertrauen bei einem selbst ganz abgesehen. Eine derartige Delle hatte Jaeckel gerade hinter sich.

Als Paul Jaeckel nach seiner Ampelkarte gegen Bochum vom Platz schleicht, guckt Trainer Urs Fischer gar nicht hin, bemüht eher höhere Mächte.
Als Paul Jaeckel nach seiner Ampelkarte gegen Bochum vom Platz schleicht, guckt Trainer Urs Fischer gar nicht hin, bemüht eher höhere Mächte. Contrast/imago

Nachdem er zehn Spiele ohne Einsatz geblieben war und bei vieren davon nicht einmal im Kader gestanden hatte, gehörte er zuletzt zweimal wieder zur Startelf. Es sollte ein neuer Anlauf werden auf der Jagd nach mehr Spielzeit und im Kampf um einen Stammplatz. Nun hat Jaeckel sich selbst ein Bein gestellt.

Paul Seguin und die Quittung für Patzer

Das kann, ohne Schwarzmalerei zu betreiben, durchaus zu einem kleinen Karriereknick führen. Paul Seguin, nicht nur Jaeckels Namensvetter, sondern wie er über Wolfsburg und Greuther Fürth in die Alte Försterei gekommen, hat in der Woche zuvor mit einem Schnitzer für das 1:2 in Dortmund gesorgt. Gegen Bochum, obwohl weder krank noch verletzt, saß er nicht einmal auf der Bank.

Im Saison-Endspurt, da es für die Eisernen um einen Platz in Europa geht und manche sogar von der Königsklasse träumen, werden Fehler selbst in der eigentlich gemütlichen Alten Försterei womöglich strenger bewertet als sonst. Damit zumindest sollte Jaeckel rechnen. Ruhigere Nächte wird ihm das kaum bringen.

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