Union-Kolumne
RB Leipzig? Da war doch was! Unions Fluch und Segen der letzten Sekunden
Zuletzt kassierten die Eisernen etliche Tore in der Nachspielzeit, die Erinnerung an Freitag-Gegner Leipzig ist jedoch eine andere.

Sogar Weisheiten ändern sich. So wie diese von Sepp Herberger, einstmals der größte Hellseher der (bundes-)deutschen Balltreter-Kultur: „Ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Länger dauerte nun mal keine Partie. In Wahrheit aber war es so, dass die letzte Minute über viele Jahrzehnte die tatsächlich längste eines Fußballspiels war. Manchmal dauerte sie 120, manchmal 240, in wenigen Fällen sogar 300 Sekunden. Nicht nur theoretisch hätten während dieser Zeit gut und gern drei Tore fallen können. Deshalb hat diese letzte Minute ohne eigenes Zutun einen Mythos aufgebaut, den ihr niemand streitig machen konnte.
In ihr sind so viele Tore gefallen wie in keiner anderen, wichtige darunter und entscheidende, manche brachten den Triumph, andere den Knock-out. In dieser letzten Minute hat die DFB-Auswahl 1966 die Verlängerung im WM-Finale gegen England erzwungen, ohne die es das vielleicht berühmteste aller Tore, das von Wembley, nicht gegeben hätte. Zehn Jahre später, 1976, schafft Bernd Hölzenbein in diesem letzten Moment im EM-Finale das 2:2 gegen die Tschechoslowakei und bringt den Titelverteidiger ins Elfmeterschießen. Ohne diesen letzten Augenblick wäre die Welt des runden Leders um gleich zwei zum Klassiker gewordene Episoden ärmer, um den Fehlschuss von Uli Hoeneß hoch in die Belgrader Nacht und um den gewitzt-pfiffigen Versuch von Antonin Panenka.
Jubeltraube und Jammertal
In diesen letzten Sekunden, die länger dauerten als eine Minute, hat Bayern München 1999 den Triumph im Finale der Champions League gegen Manchester United vermasselt. Schalke 04 hat 2001 in dieser Zeit, schon in schäumender Sektlaune, den Titel verloren und ist nur dadurch hinter den Bayern „Meister der Herzen“ geworden. Immer wieder die Bayern. Im europäischen Meistercup 1974 haben sie das Finale gegen Atlético Madrid in Minute 120 eigentlich verloren, ehe „Katsche“ Schwarzenbeck aus schierer Verzweiflung das 1:1 reinknallt, die Münchner ins Wiederholungsspiel rettet, bevor sie dort mit 4:0 triumphieren. 2012 im „Finale dahoam“ vergeigen sie gegen den FC Chelsea in ebenso letzter Sekunde ihren 1:0-Vorsprung und scheitern im Elfmeterschießen, Bastian Schweinsteiger wird es zeit seines Lebens nicht vergessen, am Pfosten.
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Inzwischen, seit die Nachspielzeit minutiös und öffentlich sichtbar Einzug gehalten hat, ist dieser Mythos ein wenig verschwunden. Jetzt aber ist es nicht mehr allein die 90. Minute, sondern die Minute 90+2, 90+4, 90+7 und manchmal sogar 90+10 – die Verrücktheiten nehmen eher zu. Und: Egal wie, Fluch und Segen der letzten Sekunden, diese Einheit aus Jubeltraube und Jammertal bleibt trotzdem erhalten, rührt manche zu Tränen des Glücks und treibt andere zu Tränen des Leids.
Union kassiert drei späte Treffer
Erstaunlich oft ist hierbei in den vergangenen Wochen und Monaten der 1. FC Union betroffen. Zum Ärger derjenigen, die es mit den Eisernen halten, nicht mit eigenen, sondern mit Gegentoren. Minute 90+1 gegen Mönchengladbach: In der Alten Försterei bringt Jonas Hofmann die Fohlen auf 1:2 heran – der Dreier bleibt trotzdem in Köpenick. Minute 90+3 in Stuttgart: Der VfB gleicht aus – mit dem 1:1 ist der Sieg futsch und mit ihm zwei Punkte. Minute 90+5 jüngst in Frankfurt: Die Eintracht erzielt das 2:1 – aus einem möglichen Zähler wird die dritte Saisonniederlage.
Dieser Trend, keine Frage, ist ärgerlich. Womöglich ist es aber gar keiner, sondern lediglich purer Zufall, weil der Gegner alles auf eine Karte setzt, ein höheres Risiko geht, alles oder nichts will und am Ende das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite hat? Oder sind es doch die Winzigkeiten, die im buchstäblich letzten Augenblick die Waage hier- oder dorthin ausschlagen lassen, weil die Reaktionen unbemerkt einen Tick behäbiger und die Schritte einen Zentimeter kürzer werden?
Unions Last-Minute-Erinnerungen an Leipzig
Alles ist möglich und vieles wahrscheinlich. Meist ist es ein Zusammenspiel etlicher Komponenten in diesem (Fußball-)Universum. Auffällig aber ist es doch, dass die Eisernen drei ihrer 19 Liga-Gegentore in der Nachspielzeit kassiert haben. Das ist immerhin jedes sechste oder in Zeiten, da Banken und Sparkassen mit Minuszinsen drohen, 16 Prozent …
Im Gegensatz dazu haben die Männer um Kapitän Christopher Trimmel in dieser Saison in der Nachspielzeit noch nicht getroffen. Ihr bisher letzter Treffer in Minute 90+x stammt aus der letzten Partie der Vorsaison. Sie wissen schon: Max Kruse! Kopfball! 2:1! Rang 7! Europa! Sie wissen auch, wer damals der Gegner war. Der, der am Freitag (20.30 Uhr, DAZN) erneut in die Alte Försterei kommt, die Bullen aus Leipzig.
Jungs, lasst aus dem Fluch der letzten Sekunden zur Feier des Tages mal wieder einen Segen werden.
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