Power aus der Wuhlheide: Der 1. FC Union streckt der Liga – und vor allem den Bayern – die blanke Faust entgegen.  
Power aus der Wuhlheide: Der 1. FC Union streckt der Liga – und vor allem den Bayern – die blanke Faust entgegen.   Matthias Koch/imago

Vor der WM-Unterbrechung, als der 1. FC Union für sieben Spieltage die Tabelle der Bundesliga anführte, machte es schon die Runde. Können die Eisernen ein Wunder? So wie einst Leicester City auf der Insel, die 2016 sensationell die Meisterschaft in der Premier League holten. Immer wieder wurde der Vergleich bemüht. Doch kurz vor der Unterbrechung stürzten die Köpenicker von der Spitze und das Undenkbare geriet in die Vergessenheit.

Doch 2023 scheint nun nichts aktueller. Die Bayern schwächeln. Und die Konkurrenz drückt. Mittendrin auf einmal wieder dieses kleine, unbeugsame gallische Dorf namens 1. FC Union, das nicht aufhört, dem Establishment Widerstand zu leisten und mit vier Siegen in Folge zum Gipfelsturm ansetzte. Die Fans singen lauthals „Deutscher Meister wird nur der FCU“. Und die Spieler singen lauthals mit. „Natürlich! Ist ja bisschen Ironie dabei. Wir genießen die Momentaufnahme“, so Mannschaftskapitän Christopher Trimmel nach dem 2:1 gegen den FSV Mainz.

Der Unterschied zur Hinrunde? Seinerzeit konnte das alles noch als Höhenflug abgetan werden. Doch mittlerweile ist so viel Wasser die Spree runtergeflossen, dass die Eisernen nicht mehr als Eintagsfliege abgetan werden können, sondern als ernsthafter Titelaspirant durchgehen mit ihren Qualitäten. 39 Punkte nach 19 Spielen! „Ein Wahnsinn“, wie auch Cheftrainer Urs Fischer staunend zugab.

Das ist längst mehr als ein Höhenflug beim 1. FC Union

Können sie das Wunder von der Wuhle wirklich schaffen? Werden die Eisernen ein zweites Leicester? Martin Schmidt, Sportdirektor der Rheinhessen, führt den Vergleich schon im Munde. „Man muss Union alles zutrauen. Diese Effizienz, die Bank, die Kampfkraft, die Standardstärke. Das ist ein Paket. Es kann alles passieren. Warum nicht so wie Leicester vor ein paar Jahren in England“, sagte der Landsmann von Urs Fischer.

Immer wieder dieses Leicester. Der Saisonverlauf der Foxes, bei denen Robert Huth, der Biesdorfer Junge, auf der Insel unter dem Kampfnamen „The Berlin Wall“ bekannt, Teil dieses Märchen war, ähnelte dem des 1. FC Union auffallend. 

Zunächst saßen sie nur Manchester City im Nacken. Die erste Tabellenführung gelang am 13. Spieltag. Dann wurden sie nach 19 Durchgängen von Arsenal überflügelt und schlugen doch noch einmal zurück. Poleposition zurückerobert am 23. Spieltag und sicher ins Ziel gerettet. Der 1. FC Union eroberte am 6. Spieltag erstmals die Ligaspitze, gab sie dann in Durchgang 13 wieder ab und greift nun erneut nach den Sternen.

Fischers Landsmann Martin Schmidt traut dem 1. FC Union alles zu

Warum der 1. FC Union im Titelkampf ein gehöriges Wörtchen mitreden kann? Da wäre die Heimstärke. Seit 51 Wochen kassierten die Köpenicker in der Alten Försterei keine Niederlage mehr, sind derzeit punktgleich mit Leipzig – je 23 Zähler aus neun Spielen – Spitzenreiter der Heimwertung. In den acht noch ausstehenden Spielen im Ballhaus des Ostens kommen von den größeren Kalibern nur noch Leverkusen und Frankfurt. Das riecht nach einem Punkteregen. 

Wenn man den 1. FC Union beschreibt, ist das Wort Mentalitätsmonster die richtige Vokabel. Im neuen Jahr wurde in den bisherigen fünf Spielen – also inklusive Pokal – drei Mal ein Spiel gedreht. Dazu der Schock eines späten Ausgleiches weggesteckt und gekontert. Das Wissen um diese Fähigkeit macht die Eisernen noch stärker. 

Biesdorfer Junge, der Teil eines Märchens war: Robert Huth mit dem englischen Meisterpokal.
Biesdorfer Junge, der Teil eines Märchens war: Robert Huth mit dem englischen Meisterpokal. Sportimage/imago

Und: Kein anderes Team der Liga ist so gefährlich bei Standards wie die Eisernen. Schon zwölf Treffer wurden per Kopf erzielt. Ligabestwert! Und wenn sie jetzt noch lernen, Elfer reinzumachen, werden sie noch gefährlicher. Vier von fünf wurden ja bekanntlich verballert. Statistiken, die Klubs zu Meistern machen. 

Noch ein Faustpfand: Harmonie und Teamgeist. Der 1. FC Union integriert ja selbst Neuzugänge so schnell, dass es einem vorkommt, als wären die immer schon da gewesen

Der 1. FC Union hat weniger Druck als die Konkurrenz

Dazu kommt, dass die Eisernen sich in jedem Spiel als echtes Bollwerk präsentieren. 23 Gegentore sind eine Wucht. Nur der FC Bayern kassierte weniger Treffer. Ein Angriff gewinnt Spiele, sagt der Volksmund, aber die Abwehr holt Titel. 

Das vielleicht Wichtigste: Die Konkurrenz hat Druck. Die Bayern müssen den Titel holen. Die anderen Teams wollen in die Champions League, sind auf die Einnahmen der Königsklasse angewiesen. Der 1. FC Union muss dagegen gar nichts. Das sollte für die nötige Lockerheit sorgen. Die Eisernen haben ja nichts zu verlieren, können nur gewinnen ...

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