Wirft einen Blick hinter die Kulissen des Profibetriebs: Unions Mittelfeldspieler Christian Gentner.
Wirft einen Blick hinter die Kulissen des Profibetriebs: Unions Mittelfeldspieler Christian Gentner. Foto: Matthias Koch

Irgendwann will wohl auch Christian Gentner Trikot und Stutzen gegen Anzug und Krawatte tauschen. „Der Fußball war immer Mittelpunkt meines Lebens und wird es auch bleiben“, sagt der Mittelfeldspieler des 1. FC Union. Er wolle dem Fußball definitiv „später in anderer Funktion erhalten bleiben“. Wo und welche das sein und ob der Weg vom Rasen in die Geschäftsstelle einmal nahtlos erfolgen wird, ist offen. Auch wenn der VfB Stuttgart ihm bei seinem Wechsel zu den Eisernen im vergangenen Sommer signalisiert hat, dass die Tür für ihn bei den Schwaben immer offen sei.

So weit ist es aber noch nicht. Der 409-fache Bundesligaspieler, der damit von allen aktiven Kickern in dieser Spielzeit die meisten Einsätze aufweist, denkt noch nicht ans Karriereende, hat aber die Zeit danach voll auf dem Schirm.

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Gentner ist einer von 14 Teilnehmern des neuen Lehrgangs „Management im Profifußball“, der am Montag startet. Der vom DFB und der DFL ins Leben gerufene Kurs soll künftige Sportverantwortliche in den Klubs der oberen drei Ligen auf ihre bevorstehenden Aufgaben vorbereiten. Er erstreckt sich über eineinhalb Jahre, umfasst neben 19 Präsenztagen auch mehrere Online-Phasen und ist in drei Hauptbereiche gegliedert: Bundesliga-Know-how, sportliches Know-how und Management-Know-how. Themen wie Sportrecht, Lizenzierung, Scouting, Kaderplanung und Leadership stehen auf dem Lehrplan.

Gentner ist der einzige aktive Profi

Auch die Ex-Nationalspieler Stefan Kießling, Marcel Schäfer und Sascha Riether machen mit, Gentner ist der einzige noch aktive Profi. „Ich bin kein Student, der nebenher Fußball spielt, sondern andersrum“, stellt der 35-Jährige klar. Er sehe „dieses Pilotprojekt“ aber als „riesige Chance“. Der Zeitpunkt sei „günstig, weil meine Familie in Stuttgart geblieben ist und ich mich außerhalb meiner Arbeit bei Union dann gut in die vielen neuen Themen einlesen kann“.

Themen, die er bislang nur gestreift hat. „Du kannst dich als Spieler noch so für Dinge wie Sportrecht oder Finanzen interessieren, den ganz tiefen Einblick hast du nicht“, sagt Gentner. „Es ist wichtig, die Vereinssicht kennenzulernen, um die Dinge besser zu verstehen.“

Fredi Bobic, seit 2016 Sportvorstand bei Eintracht Frankfurt, hat sie sich nach einer Hospitanz bei der DFL nach und nach selbst angeeignet. Auch Michael Zorc wechselte 1998 ohne die ganz großen wirtschaftlichen Vorkenntnisse ins Management von Borussia Dortmund. Jochen Saier, der seit 2013 die Geschicke des SC Freiburg leitet, hat Sportökonomie studiert. Oliver Kahn, designierter Vorstandsboss des FC Bayern München, machte einen Masterabschluss in „General Management“. Die Wege in die Chefetagen der Clubs waren und sind bislang also sehr unterschiedlich. Doch das Geschäft ist zum Milliardenbusiness gewachsen – und mit ihm die Anforderungen an seine Entscheidungsträger.

Auf einmal brauchte Gentner einen Lebenslauf

„Ich glaube, dass ein klassisches Sportmanagement-Studium nicht das hergibt, was es speziell im Profifußball braucht. Der wird immer komplexer“, sagt Gentner, dessen Bruder Michael beim VfB Nachwuchschef ist.  Die Funktionäre haben immer höhere Summen und immer mehr Personal zu verantworten. „Die Verantwortung und der öffentliche Druck sind enorm“, sagt Gentner. „Das Geschäft hat viele Spielregeln, die du als Außenstehender nicht kennst.“ Und bei denen es „nicht damit getan ist, dass ich ein breites Adressbuch oder eine bestimmte Anzahl an Länderspielen habe“, wie DFL-Boss Christian Seifert bei der Vorstellung des neuen Lehrgangs im März betonte.

Das Zertifikat, das die Absolventen im April 2022 erhalten, sei natürlich keine Verpflichtung, um im Profifußball auf Managementebene zu arbeiten, erklärte DFB-Direktor Oliver Bierhoff, aber es soll „ein Qualitätssiegel sein“. Weshalb dem Lehrgang auch ein strenges Auswahlverfahren vorausging. Was Unions Routinier vor ungewohnte Herausforderungen stellte. „Ich musste mich vorher noch nie richtig bewerben“, erzählt Gentner, „jetzt brauchte ich einen Lebenslauf, ein Motivationsschreiben. Da habe ich mir auch Ratschläge von meiner Frau geholt.“ Die Bescheinigung, dass er als Führungskraft geeignet ist, stellte ihm Unions Geschäftsführer Oliver Ruhnert aus.

Auf dem Platz war und ist Gentner eine solche schon immer gewesen – beim VfB Stuttgart, beim VfL Wolfsburg und nun bei den Eisernen. Es irgendwann auch abseits des Rasens zu werden, dafür drückt der Routinier ab Montag wieder die Schulbank.