Große KURIER-Serie: Die Väter des ErfolgsSpieler, doppelter Aufstiegsheld, Chef

Michael Parensen spielt im Märchen des 1. FC Union wirklich jede Rolle

Der KURIER hat die Rangliste erstellt: Platz 18 geht an den Mann, der Spieler, doppelter Aufstiegsheld, Chef und, und, und ist.

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Michael Parensen behauptet im Derby gegen Herthas Vladimir Darida den Ball.
Michael Parensen behauptet im Derby gegen Herthas Vladimir Darida den Ball.City-Press

Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa League, Königsklasse – das ist der 1. FC Union der jüngsten fünf Jahre im Schnelldurchlauf. Dahinter verbergen sich Namen, Ereignisse, Entscheidungen, manchmal auch nur Puzzleteile. Ein Top-20-Ranking ist ein wenig ungerecht, denn ohne den einen oder das eine würde es das Ganze, diese Erfolgsgeschichte, nicht geben. Entscheiden bei einem olympischen 100-m-Lauf, in dem sich die Weltbesten treffen, Millimeter und Hundertstelsekunden, dann gilt für die Eisernen: Gewonnen haben alle, nur eben mit Nuancen. Auf Platz 18 – der ewige Micha.

Für große Gefühle ist Urs Fischer kaum zu haben. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Die sachliche Analyse, ob bei triumphalen Siegen oder krachenden Niederlagen gleichermaßen, ist viel lieber sein Ding. Und doch lässt sich der Trainer des 1. FC Union manchmal dazu bewegen, etwas fürs Herz eines Spielers zu tun, wenn es sich auch nur um einen Moment handelt, um eine Geste. Die aber hat enorme Wirkung.

So wie bei Michael Parensen, und das in einem der größten Spiele der Vereinsgeschichte, zumal der jüngeren. 27. Mai 2019, dieses Datum kann jeder, der ein Eiserner ist, im Schlaf herbeten: VfB Stuttgart; Rückspiel der Relegation um den verbliebenen letzten Platz in der Bundesliga; 0:0 steht es in der Alten Försterei; die Massen sind heiß auf den Abpfiff, wollen all ihre Emotionen ausleben; längst läuft die fünfminütige Nachspielzeit; da kommt von der Trainerbank der Eisernen die Tafel zur Auswechslung; die Rückennummer 29 erscheint für die Rückennummer 32; ein Abwehrspieler für einen Angreifer; Parensen für Robert Zulj.

In der Relegation wird Parensen eingewechselt und genießt den Aufstieg des 1. FC Union auf dem Rasen

Sonnenbrille, Stirnband, Union-Klamotten – Michael Parensen bei der Feier nach dem Aufstieg in die Bundesliga.
Sonnenbrille, Stirnband, Union-Klamotten – Michael Parensen bei der Feier nach dem Aufstieg in die Bundesliga.City-Press

Einen einzigen Zweikampf nur muss der damals 32-Jährige führen, zwei Ballkontakte hat er, 380 Meter ist er gelaufen, nicht der Rede wert für die Statistik. Umso mehr für das Gefühl. Der ewige Micha ist mittendrin im Tollhaus, als auf dem Rasen nur Sekunden nach seinem Kommen der Wahnsinn ausbricht. Er gehört zu den Helden. Und: Er ist nach dem Aufstieg 2009 von der 3. Liga in die 2. Bundesliga der doppelte Aufstiegsheld, der einzige von damals im Aufgebot der nächsten Generation.

Mit einer weiteren Einwechslung setzt Fischer schließlich ein Jahr später den (geplanten) Schlussstrich unter Parensens Laufbahn. Letztes Saisonspiel; Fortuna Düsseldorf ist zu Gast in Köpenick; längst ist der Klassenerhalt eingetütet; der abschließende Sieg (2:0 steht es, am Ende wird es ein 3:0) ist auf den Weg gebracht; Parensen kommt für Marius Bülter. Es sind die letzten zehn Minuten einer Karriere, die ein glückliches, ein mustergültiges Ende nimmt. Ein Ende, wie es sich Michael Parensen verdient hat.

Mit ihm geht einer, ohne den sich den 1. FC Union zehn Jahre lang kaum jemand vorstellen konnte. Am besten skizziert seinen Wert eine Aussage, die über ihn in der Rubrik „Einmal Unioner, immer Unioner“ steht: „Immer dabei: der über die Jahre ergrauende Michael Parensen, menschlich unverzichtbar, sportlich viele Jahre die Allzweckwaffe im Kader. Das Mantra „… oder Micha“ stand am Ende jeder Aufstellungsdebatte, wenn irgendwo eine vakante Position besetzt werden musste. Parensen konnte alles – außer gesund bleiben.“

Verletzungen begleiteten die Karriere von Michael Parensen beim 1. FC Union

Stimmt, leider. Kaum jemand hatte so viel Pech mit Verletzungen und Krankheiten, Operationen und Blessuren. Rippenprellungen waren dabei und Muskelfaserrisse, ein Haarriss im Wadenbein und eine Lungenentzündung, ein Nasenbeinbruch und mehrere Innenbandverletzungen, ein Bruch der Elle (elf Tage später steht er aber wieder auf dem Rasen) und einer im Mittelfuß. Nichts, was der Mann für alle Fälle ausgelassen hätte. Und: Vor allem das Knie bereitete Probleme, mehrmals und lange. Dazu kam der Beginn zwar unter einem für ihn mit Uwe Neuhaus bekannten Trainer, aber im tristen Januar des Jahres 2009 in einer nicht gerade wirtlichen Stadt, die manchen, der zwar Köln und Dortmund kennt, wo Parensen zuvor gespielt hat, allein durch ihre Größe erschlagen kann. Es ist alles andere als Liebe auf den ersten Blick. Deshalb: Anstand wahren, dann aber so schnell und elegant wie möglich die Kurve kriegen.

Was ist daraus geworden? Eine Zuneigung von Dauer. Eine, deren Bande auch die Fans zu schmieden halfen. Als Parensen ständig verletzt und nicht einsatzbereit war, überraschten sie ihn mit einem Song frei nach Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“ und setzten ihm damit ein Denkmal. Trotzdem blieb seine Stabilität fragil. Oft, wie in der Saison 2012/13, wurde sein auslaufender Vertrag vorzeitig um zwei Jahre verlängert und alle waren froh. So Uwe Neuhaus („Michael ist ein charakterstarker Spieler mit Kämpferherz und Spielintelligenz. Ich bin sehr froh, dass er nach langer Pause auf dem Weg zu alter Stärke ist.“), Nico Schäfer, der kaufmännisch-organisatorische Leiter der Lizenzabteilung („Michael ist ein Spieler, der sich mit den Zielen seines Vereins intensiv auseinandersetzt. Umso mehr freut es mich, dass er die gewünschte Perspektive bei Union sieht.“) als auch Parensen selbst, der betonte: „Union hat anspruchsvolle Ziele und ich will meinen Beitrag dazu leisten, dass wir sie erreichen.“ Der Vertrag, bis 2015 datiert, galt übrigens auch schon für die Bundesliga! Dann aber, es war wieder wackelig geworden, gab es nur ein Jahr drauf und die Bundesliga schien weiter weg denn je.

Dieses Ziel, eigentlich schon unerreichbar geworden, hat er doch noch erreicht. Spät, am 19. Oktober 2019, geht mit seinem Einsatz beim 2:0 gegen Freiburg der Traum von der Beletage des deutschen Fußballs in Erfüllung. Mit 33 Jahren und 117 Tagen löst er Christopher Trimmel als ältesten Bundesliga-Debütanten der Eisernen ab. Neun Wochen und einen Tag später, es passiert beim 1:2 in Düsseldorf, ist Parensen auch der älteste Torschütze der Rot-Weißen, wenn auch nur für kurze Zeit, weil ihm alsbald Christian Gentner folgt.

Das wäre es, ist es aber nicht, abgesehen von seinem Engagement beim Landesligisten Polar Pinguin. Es geht weiter mit Parensen und dem 1. FC Union: Assistent des Geschäftsführers Profifußball, Technischer Direktor der Lizenzspielerabteilung … Der ewige Micha, so scheint es, ist noch lange nicht am Ende.

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