Jordan Siebatcheu (l.) und Sheraldo Becker hatten in der noch jungen Saison schon reichlich Grund zum Jubeln.
Jordan Siebatcheu (l.) und Sheraldo Becker hatten in der noch jungen Saison schon reichlich Grund zum Jubeln. City-Press

Zahlen lügen nicht, heißt es. Manchmal nur irritieren sie ein wenig. So wie die vom vorigen Spiel des 1. FC Union gegen RB Leipzig. Bei Torschüssen liegen die Eisernen mit 7:16 deutlich hinten, bei Ecken mit 1:13 noch deutlicher und bei Ballbesitz mit 26:74 Prozent ist es ganz finster. Auch bei angekommenen Pässen kommen die Rot-Weißen bei einem Verhältnis von 169:622 nicht annähernd in die Punkte. Angesichts solcher Zahlen kann nichts auf einen 2:1-Sieg hindeuten. Eigentlich.

Um die Verwirrung komplett zu machen, der Vergleich zu einem Spiel drei Jahre zuvor. Damals war alles besser, die Torschüsse mit 13:14 sogar deutlich, auch die Ecken (3:6), die angekommenen Pässe (231:516) und der Ballbesitz mit 36:64 Prozent sowieso. Dabei war der Gegner derselbe. Nur das Ergebnis war ein um Klassen anderes: 0:4!

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Zahlensalat bei Matthäus, Kahn und Ballack

Wie kann so etwas sein? Können Zahlen doch lügen? Und wie sie lügen können! Ganz am Anfang der Zahlenakrobatik, da Analysten jeden Schritt, jeden Pass, jeden Torschuss, fast jedes Wackeln mit der Hüfte zu dokumentieren begannen, gab es bei der EM-Endrunde im Jahr 2000 in Rotterdam die Partie zwischen Deutschland und Portugal.

Es war, zugegeben, die Zeit, als die Mannschaft um Lothar Matthäus und Oliver Kahn, Michael Ballack und Mehmet Scholl, Dietmar Hamann und Sebastian Deisler eine rumpelfüßige Spielweise perfektionierte und Ulf Kirsten mit seinem 100. Länderspiel seine internationale Karriere mit einer sportlichen Ohrfeige beendete. Bei rund 70 Prozent Ballbesitz für das DFB-Team stand am Ende dieses Ergebnis: Deutschland 0, Portugal 3!

So viel zu Zahlen, die alles sagen können und nichts. Sie zählen wirklich nur, wenn sie am Ende wie zuletzt in der Alten Försterei mit einem 2:1 angezeigt werden.

Der 1. FC Union ist flink, präzise, effizient

Mit Ballbesitz haben es die Eisernen sowieso nicht so. Selbst bei ihren höchsten Siegen in der Bundesliga, einem 5:0 gegen Bielefeld und einem 4:0 gegen Mainz, waren die Spielanteile komplett ausgeglichen. Bei einem 3:0 in der Alten Försterei gegen Düsseldorf stand es in dieser Rubrik 42:58, bei einem 1:0 gegen Paderborn gar bei 41:59, bei einem 0:0 gegen Schalke, als die Königsblauen schon auf ungestoppter Talfahrt nach unten waren und in Köpenick ein 0:0 holten, stand es in dieser Rubrik 38:62!

Irgendetwas müssen die Männer um Trainer Urs Fischer trotzdem haben, das sie so erfolgreich sein lässt. Sie eiern nicht lange vor dem gegnerischen Strafraum herum, spielen nicht noch den x-ten Querpass, um von links nach rechts, von rechts nach links und von hinten durch die Brust ins Auge zu stechen. Wenn die Post abgeht, dann aber mit Karacho. Ganze 13 Sekunden haben sie nach Balleroberung jüngst für ihr 1:0 gebraucht, zwölf nur, schon hatten sie das 2:0 eingetütet.

So geht Fußball heute, so ging Fußball eigentlich schon immer: ausdauernd, dann aber flink, präzise, effizient. Im Umschalten liegt das Geheimnis. Genau dafür haben die Eisernen, sowohl hinten als auch noch mehr vorn, die Männer. Es vergeht kaum eine Partie, in der Sheraldo Becker nicht als schnellster Spieler ermittelt wird. Außerdem scheint er mit Jordan Siebatcheu im Angriff nun einen Partner gefunden zu haben, der zu ihm passt wie Alte zu Försterei oder Schlosser zu Jungs.

Das beste Union-Ballerduo seit Jahren

Je zwei Treffer haben sie bereits erzielt, der von Siebatcheu in Chemnitz zählt ja nur für den Pokal. Ein solch ausgeglichenes Angriffsduo, auch wenn dies zu solch frühem Saisonzeitpunkt gewagt erscheint, hatten die Eisernen schon lange nicht. In der Bundesliga hat immer nur einer zweistellig getroffen. Zuerst war es Sebastian Andersson, dem zwölf Treffer gelungen waren, dann Max Kruse mit elf und zuletzt Taiwo Awoniyi mit 15. Das letzte Mal, dass zwei Angreifer der Köpenicker zehn oder mehr Tore auf ihr Konto gebracht haben, passierte in der Saison 2017/18 als Tabellenachter in der 2. Bundesliga.

Dass sich Siebatcheu und Becker (r.) gut verstehen, sieht man auch beim normalen Trainingsläufchen.
Dass sich Siebatcheu und Becker (r.) gut verstehen, sieht man auch beim normalen Trainingsläufchen. Imago/Contrast

Die beiden, denen das gelungen ist, haben Spuren in Köpenick hinterlassen: Steven Skrzybski und Sebastian Polter. Der Zufall will es, dass beide eine Verbindung zu Schalke, am Sonnabend nächster Gegner der Eisernen, haben. Skrzybski, inzwischen bei Zweitligist Holstein Kiel auf Torejagd, wurde 2018 ein Königsblauer. Polter hat gerade dort angeheuert.

Polter & Co.: Schalker mit eiserner Vergangenheit

Zwei andere mit Union-Vergangenheit gibt es außerdem im Revier: Simon Terodde und Marius Bülter. Es kann eine durchaus verflixte Kiste werden. Außerdem gehören die Schalker, so paradox das sein mag, zu jenen Teams, gegen die die Eisernen in der Bundesliga bei immerhin vier Spielen noch nie gewonnen haben. Da ist einige Luft nach oben.

Ähnlich ging das gegen Leipzig auch mal los, ist inzwischen aber eine Erfolgsgeschichte geworden. Einmal sollte der Knoten auch gegen Schalke platzen. Egal, ob die Zahlen dann wieder lügen oder auch nicht.

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