Union-Kolumne
Hallo rbb, der 1. FC Union ist wohl nicht gut genug fürs Radio
Arrogant oder schusselig? Eiserne werden als Tabellenvierter im Land eines viermaligen Weltmeisters mit Lob überhäuft, in Teilen der Stadt aber ignoriert.

Mit dem Propheten im eigenen Lande ist das so eine Sache. Als ob nie jemand schlau werden würde aus der Tatsache, dass die Welt, nicht nur im Sport, im Wandel ist, aus Abc-Schützen Professoren werden können, aus Hinterbänklern Präsidenten, aus Schmuddelkindern Vorzeigeerwachsene und aus sportlich grauen Mäusen grandiose Gladiatoren, die erst Deutschland rocken und kurz danach schon Europa. Derzeit lässt sich zwischen Ostsee und Alpen und zwischen Rheinland und Oderbruch kein besseres Beispiel dafür finden als den 1. FC Union. Von den Grandseigneurs des Fußballs im Lande, die, wie Lothar Matthäus, Dietmar Hamann und Stefan Effenberg, Woche für Woche via TV ihre Expertise abgeben, die, zugegeben, häufig polarisiert und manchmal ziemlich gewagt ist, werden die Eisernen mit Lob geradezu überhäuft, in Teilen der Stadt aber mit penetranter Nichtachtung gestraft.
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Das jüngste Beispiel dieser Art: Sonnabend, 27. Mai 2023, abschließender Spieltag der Saison, ausgangs der Nachrichten im Hörfunk auf rbb 88.8 kommt der Fußball. Der Tenor in den Nachrichten um 9 Uhr: In der Bundesliga fallen heute die letzten Entscheidungen. Zwischen Borussia Dortmund und Bayern München geht es um den Titel. Zwischen Schalke, Bochum, Stuttgart und Augsburg geht es gegen den Abstieg. Hertha BSC steht als Absteiger fest. Nun die Wetteraussichten für Pfingsten …
Das Finale des 1. FC Union war für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht entscheidend
Hey, bitte, was soll eine solche Nachricht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dieser Stadt im Top-Programm um 9 Uhr, in der es auch den 1. FC Union gibt, der Stunden später auf die größte seiner Spielzeiten das i-Tüpfelchen setzt? Von Entscheidungen war die Rede. Die Entscheidung, dass das Schlusslicht bereits abgestiegen ist, war eine Woche alt. In der schreibenden Zunft hält sich in derlei Fällen von überholten Neuigkeiten der Spruch, dass in eine solche Zeitung längst der Fisch eingewickelt ist.
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Will sich die sprechende Zunft mit dem Wort, das, verdammt, ach so flüchtig ist, herauswinden? Um die einzige Entscheidung im Fußball, die an diesem Tag für Berlin von Bedeutung war, ging es allein in Köpenick. Um es mit Hamlet auszudrücken: Champions League oder nicht Champions League, das ist hier die Frage. Besser als die meisten anderen wussten das auch die Nachrichtenmacher. Nur: Mag es daran liegen, dass die Masurenallee vom Olympiastadion nur 3,5 Kilometer entfernt liegt, von der Alten Försterei aber 29,5? Was viele, die es mit den Rot-Weißen halten, dahinter vermuten, ist Überheblichkeit, Ignoranz, auch Gleichgültigkeit und das Verschließen der Augen vor einem Machtwechsel. Dabei wäre schon ein Schuss Schusseligkeit schlimm genug. Das Profil von rbb 88.8 lautet nun einmal, ein Landesprogramm für Berlin auszustrahlen. Dazu gehört leider Gottes auch Köpenick. Nichts für ungut, liebe Kollegen, ein Halbsatz, gerade vor solch einer Sternstunde, die es am Nachmittag tatsächlich gegeben hat, hätte es bereits gemacht. So aber gehört sich das nicht.
Der 1. FC Union ist weit davon entfern, beleidigte Leberwurst zu spielen
Tage nach einem der größten Triumphe ihrer Vereinsgeschichte sind die Eisernen weit davon entfernt, beleidigte Leberwurst zu spielen. Dazu genießen sie alles um sich herum viel zu sehr. Da wäre die Tatsache, die sich mindestens schon seit zwei Jahren deutlich abzeichnet, nämlich inklusive Pokal fünf Stadtderbys in Folge gewonnen zu haben, damit endgültig die Nummer 1 in der Stadt zu sein und die Rangordnung derart auf den Kopf gestellt zu haben, wie es in München dem FC Bayern einst mit dem TSV 1860 gelungen ist und im Mutterland des Fußballs gerade Manchester City mit United. Da ist aber auch die Glückseligkeit des Augenblicks, dass der 1. FC Union, der noch kürzlich von vielen kaum wahrgenommene und total unterschätzte Verein, auf der für seine Verhältnisse höchsten Stufe in Europa angekommen ist. Er ist, Zahlen lügen nun einmal nicht und schon gar nicht am Ende einer Saison, einer der besten Fußballvereine im Land eines viermaligen Weltmeisters. Zumindest im Hier und im Heute. Da perlt momentan alles andere ab wie Wasser an einer Ölhaut.
Was nun in Köpenick kommt, ist kaum in Worte zu fassen. Wenn doch, dann nur in eines: Königsklasse! Wie durch ein Wunder ist aus dem Traum Wirklichkeit geworden. Nichts anderes war der Aufstieg in die Bundesliga aber auch. Nur besitzt das Jetzt ein Vielfaches an Wucht. Um die Dimension mal anders darzustellen: Der FC Liverpool, mit sechs Triumphen in der Champions League inklusive im europäischen Meisterpokal – der jüngste liegt erst vier Jahre zurück und gelang fünf Tage, nachdem die Köpenicker erstklassig geworden waren – ein kontinentales Superschwergewicht, hat es als Tabellenfünfter in England nicht geschafft, die aus der Alten Försterei dafür schon. Darauf gibt es nur eines, ein donnerndes: Und niemals vergessen – Eisern Union!
Anmerkung der Redaktion: Nach der Veröffentlichung des Beitrags meldete sich bei uns die Redaktionsleitung von rbb 88.8 und teilte mit, dass der Sender mehrere Beiträge am 27.5. zum Union-Spiel in seinem Programm hatte (mindestens 14 an der Zahl). Unser Kolumnist hörte das Radio um 9 Uhr und nahm in dieser Zeit keine Union-Berichterstattung in den Nachrichten wahr. Tatsache ist: Die Kollegen von 88.8 versichern, vorher und nachher über Union berichtet zu haben, aber nicht in den Nachrichten um 9 Uhr. Wir haben nach Rücksprache mit dem Autor und der Redaktionsleitung von 88.8 die Kolumne von Andreas Baingo entsprechend korrigiert und präzisiert.