Große KURIER-Serie: Die Väter des Erfolgs, Platz 3

Festung Alte Försterei: Daheim macht der 1. FC Union jeden klein

Zu Hause sind die Eisernen eine Macht und in der Bundesliga seit nunmehr über einem Jahr ohne Niederlage.

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Heim-Jubel des 1. FC Union ist immer wieder schön – der zuletzt nach der Quali für die Champions League natürlich doppelt und dreifach.
Heim-Jubel des 1. FC Union ist immer wieder schön – der zuletzt nach der Quali für die Champions League natürlich doppelt und dreifach.Nordphoto/Imago

Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa League, Königsklasse – das ist der 1.FC Union der jüngsten fünf Jahre im Schnelldurchlauf. Dahinter verbergen sich Namen, Ereignisse, Entscheidungen, manchmal auch nur Puzzleteile. Ein Top-20-Ranking ist ein wenig ungerecht, denn ohne den einen oder das eine würde es das Ganze, diese Erfolgsgeschichte, nicht geben. Entscheiden bei einem olympischen 100-m-Lauf, in dem sich die Weltbesten treffen, Millimeter und Hundertstelsekunden, dann gilt für die Eisernen: Gewonnen haben alle, nur eben mit Nuancen. Auf Platz 3: Festung Alte Försterei.

Trutzburg – dieses Wort passt so gar nicht zum Ballhaus des Ostens. Viel zu derb klingt es für das für viele schönste und auf jeden Fall heimeligste Stadion der Bundesliga. Andererseits versprüht es einen, wenn auch spröden, Charme, das mittelalterliche Trutz oder Trotz. Auf jeden Fall kommt es der Sache näher, denn auch die Alte Försterei hat sich im Laufe der vier Bundesligajahre des 1. FC Union zu dem entwickelt, was eine Trutzburg ausmacht: Sie ist eine Festung geworden.

Heimbilanz: elf Siege, sechs Unentschieden

Ohne Niederlage sind die Eisernen im vergangenen Spieljahr geblieben, zumindest in der Bundesliga, in Europa gab es ja das ein wenig vermurkste 0:1 gegen Royale Union Saint-Gilloise. Fans mit ein wenig Galgenhumor sehen das nicht gar so eng und machen sich einen Jux draus, schließlich hat trotzdem ein Team gewonnen, das Union im Vereinsnamen trägt.

Im Ernst: Diese Heimbilanz um Punkte mit elf Siegen und sechs Unentschieden ist großartig, sie ist überwältigend, sie ist geradezu unglaublich. Zugleich ist sie etwas für die Historie nicht nur der in Köpenick, sondern der in Deutschland.

Spieljahre ohne Heimniederlage sind durchaus bemerkenswert und kommen nicht gar so häufig vor. Nicht Dauer-Meister Bayern München hat es im zurückliegenden Jahr geschafft und auch nicht Fast-Titelträger Dortmund, nicht Pokalsieger Leipzig und nicht Pokalfinalist Frankfurt. Die Eisernen haben es gepackt und nur sie.

FC Bayern hält auch Heim-Rekord

Das allein ist den stehenden Applaus, mit dem das Team um Kapitän Christopher Trimmel Spiel um Spiel förmlich überschüttet worden ist, wert. Um das als großartig einzuordnen, genügt ein Blick in die Historie.

Da strahlt sogar (meistens) der Himmel, wenn der 1. FC Union in der Alten Försterei, dem Ballhaus des Ostens,  aufdribbelt.
Da strahlt sogar (meistens) der Himmel, wenn der 1. FC Union in der Alten Försterei, dem Ballhaus des Ostens, aufdribbelt.Contrast/Imago

In den zurückliegenden 30 Jahren, das ist immerhin die Hälfte aller Spielzeiten seit Gründung der Bundesliga, hat es nur 14 Spieljahre gegeben, in denen wenigstens ein Team zu Hause ungeschlagen geblieben ist, in 16 Jahren dagegen ist es keiner Mannschaft gelungen. Wie selbstverständlich sind auch in dieser Kategorie die Bayern dabei, sechsmal gar, auch Dortmund (drei) und Wolfsburg (zwei) haben es mehrmals geschafft.

Von manch anderem Team, das mit einer Null-Niederlagen-Heimbilanz geschmückt aus der Saison kommt, vermuten es wahrscheinlich die wenigsten: Frankfurt, Hoffenheim, Hannover (tatsächlich, 2011/12 mit sieben Remis), Leverkusen, der HSV (1995/96 mit sieben Siegen und zehn Unentschieden) und 1994/95 Kaiserslautern.

Es werden daheim immer weniger Gegentore

Jetzt und als vorerst letzte Mannschaft also der 1. FC Union! Das, obwohl der Start in das damalige Abenteuer Bundesliga – immer auf das Schlimme! – mit dem 0:4 gegen Leipzig seinerzeit total in die Hose geht. Außerdem folgen in der eisernen Premierensaison fünf weitere Heimniederlagen. Das ist ganz schön knackig, so gegen Bremen und Frankfurt, Hoffenheim, Leverkusen und auch gegen die Bayern. Andererseits gibt es sieben Heimsiege ohne Gegentor! Da schon deutet sich an, was die Stärke der Eisernen werden könnte: die stabile Abwehr.

Trotz der Auftaktklatsche kassieren die Schützlinge von Trainer Urs Fischer in der gesamten Saison zu Hause nur 20 Gegentore. Das ist für einen totalen Neuling durchaus eine Hausnummer. Die Mitaufsteiger Köln mit 27 und erst recht Paderborn mit 46 können da nicht mithalten, selbst Bremen (36) und Hoffenheim (37) bleiben deutlich zurück.

Was sich manchmal als Eintagsfliege herausstellt, hat bei den Eisernen Bestand. Die Anzahl ihrer Gegentore in der Alten Försterei geht stetig zurück von 20 über 18 zu 17 und nun zu sagenhaften elf. Kein anderes Team kassierte im zurückliegenden Jahr zu Hause auch nur annähernd so wenige Gegentore wie die Köpenicker.

1. FC Union: In vier Jahren Bundesliga unerreicht

Das schon grenzt an Hexerei, wird aber durch die Vier-Jahres-Bilanz geradezu veredelt. Niemand, nicht einmal die Bayern, nicht Leipzig und schon gar nicht Dortmund, hat seit dem Aufstieg der Männer aus dem Südosten der Stadt in Heimspielen weniger Gegentore gefangen. In der Summe sind es 66, die Münchner haben 68 hinnehmen müssen, RB 69 und der BVB 82. Mönchengladbach und Leverkusen, immerhin so etwas wie Halbschwergewichte und bislang immer stärker eingestuft als der 1. FC Union, hinken mit 85 bzw. 89 Gegentoren deutlich hinterher.

Dass die Männer um Schlussmann Frederik Rönnow, Abwehrchef Robin Knoche sowie Nach-hinten-Aufpasser-und-nach-vorn-Antreiber Rani Khedira in der Alten Försterei Heimspiele können, treibt natürlich auch die gegnerischen Trainer um. Bei Oliver Glasner, im Frühjahr mit Eintracht Frankfurt in Köpenick, klingt das so: „Wir wissen, dass Union sehr heimstark ist. In der Hinrunde aber haben wir gezeigt, dass wir Skills in unserer Mannschaft haben, mit denen Union Probleme hat. Die wollen wir auch in Köpenick zeigen.“ Das Ende: 2:0 für die Eisernen.

Nur Bochums Plan ging halbwegs auf

Bruno Labbadia, kurz zuvor in Stuttgart an Bord gekommen, schätzt die Lage so ein: „Es ist toll anzusehen, wie Union als Mannschaft funktioniert. Sie sind in alle Richtungen unglaublich kompakt. Man muss immer gegen ein extremes Bollwerk arbeiten.“ Schade für ihn, nach dem 0:3 muss er seinen Hut nehmen.

Thomas Letsch, mit Bochum tief im Abstiegskampf, warnt seine Mannschaft so: „Union hat eine super Heimbilanz. Wir dürfen ihnen nicht in die Karten spielen.“ Wenigstens sein Plan geht mit einem 1:1 halbwegs auf.

Inzwischen sind es 23 Heimspiele ohne Niederlage. Ein richtiges Pfund ist das. Seit dem 13. Februar vorigen Jahres, seit Dortmund durch zwei Tore von Marco Reus und eines von Raphael Guerreiro mit 3:0 die Punkte mitnimmt, hat niemand mehr die Alte Försterei gestürmt.

Nur BVB blieb zuletzt zwei Jahre ohne Heimpleite

In der damaligen Startelf stehen Andreas Luthe, Grischa Prömel, Bastian Oczipka, Levin Öztunali, Taiwo Awoniyi … Es ist eine Mannschaft aus einer gefühlt anderen Zeit. Gebröckelt hat die Festung danach ab und an doch, aber nur so, als ob sich, wie nach Öffnung der Grenze, Mauerspechte an ihr versucht hätten und nur ein paar Splitter herausschlagen konnten.

So wird es nicht weitergehen, völlig klar. Nur Dortmund hat es in den vergangenen 30 Jahren geschafft, zwei Spielzeiten hintereinander ohne Heimniederlage zu bleiben. Rekordhalter auch hier sind übrigens die Bayern. Viermal in Folge ist es ihnen gelungen. Die Namen derer, die dieses Kunststück fertiggebracht haben, lesen sich wie das Who’s who des deutschen Fußballs und nur die Großväter haben sie live gesehen: Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Uli Hoeneß, Hans-Georg Schwarzenbeck, Gerd Müller, Paul Breitner …

Das ist trotz allen Wohlwollens eine Kategorie aus einer anderen Galaxie. Träumen, gerade für den 1. FC Union, darf dennoch weiterhin erlaubt sein.

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