Große KURIER-Serie: Die Väter des Erfolgs beim 1. FC Union

Felix Kroos und Rani Khedira: Weltmeister-Brüder rocken die Alte Försterei

Die Atzen der 2014-Champions Sami und Toni bringen Familien-Tradition zum 1. FC Union, Levin Öztunali die Gene seines Opas „Uns Uwe“ Seeler und Paul Seguin das Magdeburg-Erbe von Papa Wolfgang – Rang 8 im Erfolgsranking.

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An diesen Felix Kroos kann sich jeder Unioner erinnern. Auftakt zur Aufstiegssaison 2018/19. Felix jubelt nach seinem Freistoßtor, das den Sieg gegen Aue bringt. Erster Gratulant ist Michael Parensen.
An diesen Felix Kroos kann sich jeder Unioner erinnern. Auftakt zur Aufstiegssaison 2018/19. Felix jubelt nach seinem Freistoßtor, das den Sieg gegen Aue bringt. Erster Gratulant ist Michael Parensen.City-Press

Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa League, Königsklasse – das ist der 1. FC Union der jüngsten fünf Jahre im Schnelldurchlauf. Dahinter verbergen sich Namen, Ereignisse, Entscheidungen, manchmal auch nur Puzzleteile. Ein Top-20-Ranking ist ein wenig ungerecht, denn ohne den einen oder das eine würde es das Ganze, diese Erfolgsgeschichte, nicht geben. Entscheiden bei einem olympischen 100-m-Lauf, in dem sich die Weltbesten treffen, Millimeter und Hundertstelsekunden, dann gilt für die Eisernen: Gewonnen haben alle, nur eben mit Nuancen. Auf Platz 8: Familientraditionen.

Nationalspieler, zumal aktuelle deutsche, sucht man beim 1. FC Union vergebens. Wohl auch, weil Bundestrainer Hans-Dieter Flick fast schon mutwillig einen Bogen um Rani Khedira und Robin Knoche macht. Zwar gab es mit Günther Wirth, Wolfgang Wruck, Reinhard Lauck, Günther Hoge und Ralf Sträßer einst welche, die in A-Länderspielen aufliefen. Doch das ist so lange her, dass es in eine vergangene (DDR-)Epoche gehört. Trotzdem haben die Spitznamen der damaligen Stars – Wibbel, Ata, Mecky und Jimmy (nur Sträßer hatte keinen) – unter den Fans noch immer einen einzigartigen Klang, auch tauchen sie in den Choreografien auf der Waldseite in schönen Abständen immer mal wieder auf. Was die Eisernen aus schwarz-rot-goldenen Gefilden bisher haben, sind mit Christian Gentner und Max Kruse zwei ehemalige deutsche Nationalspieler sowie mit Kruse und Cedric Teuchert zwei Teilnehmer von Olympia 2021 in Tokio.

Dafür haben sie beim 1. FC Union eine Art von ganz anderer Prominenz. Mit Khedira und Felix Kroos spiel(t)en bei ihnen gleich zwei, die einen Weltmeister als Lehrmeister an ihrer Seite und in ihrer Familie wissen. Das gibt es, nachdem Felix Götze, der jüngere Bruder von Mario Götze, dem Siegtorschützen vom WM-Triumph 2014 in Rio gegen Argentinien, nicht mehr in Augsburg spielt, sonst nirgendwo in der Liga. Doppelt hält besser und meist fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.

Felix Kroos passt menschlich perfekt zum 1. FC Union

Als Felix Kroos im Januar 2016 mit der Empfehlung von 65 Bundesligaspielen aus Bremen kommt, ist sein 14 Monate älterer Bruder Toni gerade anderthalb Jahre Weltmeister. Auch ist der Nationalspieler mit Bayern München bereits Champions-League-Sieger, dreimaliger Meister und dreimaliger Pokalsieger. Dass Felix deshalb die Nase höher tragen würde als alle anderen – kein Stück! Eher das Gegenteil ist der Fall. Menschlich wie sportlich passt er bestens nach Köpenick und wird Kapitän des aufstrebenden Teams. Schade nur, dass seine Entwicklung ein wenig stagniert und er 2018 mit dem Amtsantritt von Urs Fischer nicht mehr in der allerersten Reihe steht.

Trotzdem verbinden die Anhänger mit Felix einen ziemlich außergewöhnlichen Moment. Im ersten Punktspiel unter dem neuen Trainer, es ist ein Heimspiel gegen Aue, strotzt die Partie nur so vor Krampf. Kroos, nach gerade überstandener Verletzung nur als Ersatz aufgeboten, hockt 81 Minuten auf der Bank. Auch als er kommt, riecht alles eher nach einem farblosen 0:0 als nach einem souveränen Auftakt-Dreier. Sechs Minuten später ist das jedoch kein Thema mehr: Freistoß aus 22 Metern; Sahne-Schlenzer ins linke obere Eck; Aue-Keeper Martin Männel ist chancenlos. Es ist, wenn man so will, an diesem 5. August 2018 der erste Meilenstein zum Aufstieg in die Bundesliga knapp zehn Monate später. Besser, da sind sich die Experten einig und übertreiben kein bisschen, hätte es auch Toni nicht hingekriegt. An diesem Tag ist Felix mehr als nur der kleine Bruder des Weltmeisters und sagt: „So starte ich gern in die Saison.“

Mit der Geburt von Söhnchen Theo gelingt Papa Felix und Mama Lisa eine Unioner Punktlandung

Insgesamt ähnelt er dem erfolgreichsten aktiven deutschen Fußballer, der nach vier Triumphen mit Real Madrid Europas Königsklasse nunmehr fünfmal gewonnen hat, auch im Wesen: Beide sind ruhig, halten zumeist den Ball flach und witzeln in ihrem Podcast „Einfach mal Luppen“ eher über sich selbst als über andere. Außerdem trifft auf Felix die Beschreibung „Einmal Unioner, immer Unioner“ den Nagel auf den Kopf. Erstens wird er nach Unions erster Saison in der Bundesliga, in der er 15 Spiele bestreitet und nach Braunschweig wechselt, nicht einmal verabschiedet, weil man sich eine Tür zur Rückkehr offenhalten möchte.

Tatsächlich kehrt er zurück, als Hospitant und als Co-Trainer des U19-Teams zumindest kurzzeitig. Außerdem bleibt er durch Sohn Theo, am 20. Januar 2023 und damit auf den Tag exakt 57 Jahre nach der Klubgründung geboren, mit dem Verein aufs Engste verbunden. Theo ist, weil Papa Felix und Mama Lisa ihn mit dem ersten Blinzeln in die Union-Familie aufnehmen lassen, das Vereinsmitglied mit der Nummer 50.000! Fast ist Felix das ein bisschen peinlich, trotzdem sagt er voller Stolz: „Wir haben weder Theos Geburtstag noch dessen Mitgliedsnummer so genau geplant, aber beides perfekt getroffen.“

Das ist selbst von Rani Khedira nicht zu toppen. Außerdem ist der Abräumer vor der Abwehr und zugleich Lenker des Überfallspiels erst gekommen, als Felix schon nicht mehr da ist. Dass er mit Sami ebenso einen Weltmeister-Bruder hat, wird dennoch wohlwollend registriert. Zwar hat auch der eine Vergangenheit bei Real Madrid, doch Rani ist aus dessen Schatten längst herausgetreten. Bereits nach seinen ersten Spielen in Köpenick wird er als einer der Unverzichtbaren eingestuft. Wo es eine Lücke zu schließen gibt, wo dem Gegner der Ball abgeluchst werden soll, wann zum Tempo oder zum Rückzug geblasen wird – zumeist ist Rani Khedira vorneweg.

Rani Khedira jubelt völlig losgelöst. Der Weltmeisterbruder ist ein echter Glücksfall für den 1. FC Union.
Rani Khedira jubelt völlig losgelöst. Der Weltmeisterbruder ist ein echter Glücksfall für den 1. FC Union.City-Press

Rani Khediras Vertragsverlängerung ist ein Signal für den 1. FC Union

Deshalb ist die Verlängerung seines Vertrages, sechs Runden vor Saisonschluss nach einem ziemlich mauen 1:1 gegen Bochum als Stimmungsaufheller verkündet, ein überaus wichtiges Signal. „Alle im Verein haben ambitionierte Ziele und arbeiten als Einheit. Das ist die beste Basis, um Erfolg zu haben“, sagt Khedira über sein neues Arbeitspapier mit dem Wissen, dass das erstmalige Erreichen der Champions League für den damaligen Tabellendritten immer greifbarer wird.

Für Oliver Ruhnert ist Khediras Unterschrift mehr als nur ein Puzzleteil. „Rani ist auf und neben dem Platz ein wichtiger Baustein unseres Kaders“, betont der Manager, „wir sind davon überzeugt, dass sein vorbildlicher Einsatzwille und seine überragende Einstellung uns auch zukünftig viel geben werden.“ Fast umgehend, mit seinem Siegtor zum Saisonabschluss gegen Bremen, als die Eisernen mit dem 1:0 den Einzug in die Champions League festzurren, haben sich diese Worte, Wünsche und Hoffnungen bereits erfüllt.

Beim 1. FC Union hoffen sie mit Khedira auf ein Brüderpaar beim DFB

Zwei andere mit außergewöhnlicher Familien-Prominenz haben ihre Fußball-Gene derweil nicht wie gewünscht zur Geltung gebracht. Levin Öztunali, Enkel von „Uns Uwe“ Seeler und 2014 mit der U21 sowie 2017 mit der U19 jeweils Europameister, hat sein Können lediglich in Ansätzen aufblitzen lassen und nach zwei Spielzeiten seine Zelte in Köpenick abgebrochen. Gar nur eine Saison hat Paul Seguin, Sohn von Magdeburg- (1974 Triumph im Europapokal der Pokalsieger) und DDR-Legende (1972 Bronze bei Olympia in München, 21 Länderspiele) Wolfgang Seguin, durchgehalten. Doch auch sie sind Teil des Erfolges.

Damit ist aktuell nur Rani Khedira mit einem weltmeisterlichen Familienhauch gesegnet. Vielleicht denkt Bundestrainer Flick im Sommer noch einmal über sein Personal nach und entdeckt Unions Vizekapitän doch noch für sich. An Nationalspieler-Brüdern mangelt es Deutschland – im Westen die Walters, die Dörfels, die Hoeneß’, die Allofs’, die Försters, die Rummenigges, die Kremers- und die Bender-Zwillinge, im Osten die Wolfs, Duckes und Wrucks – nicht. Mit Rani Khedira könnte sich ein Kreis schließen.

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