Eiserner Kampf um die Kaderplätze
Union-Manager Oliver Ruhnert muss trotz des Stillstands die neue Saison planen. darin liegt auch eine Chance für die Köpenicker.

Berlin - In einer normalen, heilen Welt befände sich der 1.FC Union gerade in einer Länderspielpause und in dieser Woche wohl vor dem wichtigsten Spiel seiner bisherigen Bundesliga-Geschichte. Am Sonnabend hätte sich Mainz 05 die Ehre geben müssen. Und es ist wohl kaum unangemessen zu sagen, dass mit einem Sieg die Eisernen am Ziel Klassenerhalt so gut wie angelangt gewesen wären. Damit hätte Union-Manager Oliver Ruhnert seine bisher zweigleisig verlaufene Kaderplanung mit stärkerem Fokus auf die Bundesliga ausrichten können.
Nur: Die Verhältnisse sind nicht so. Nun hat Ruhnert jüngst zum Besten gegeben, dass in der Corona-Krise andere Dinge vorrangig wären. „Im Moment konzentrieren wir uns auf den Ist-Zustand“, sagte der 47-Jährige. Doch es wird irgendwann wieder gespielt werden. Und der Sauerländer, umtriebig wie er nun einmal ist, wird bis dahin nicht Däumchen drehen.
Vielleicht ist die mit der Pandemie einhergehende Finanzkrise sogar eine Chance für Union. Mondpreise haben die Köpenicker eh nie gezahlt. Mit wenig gut zu wirtschaften ist ein Markenzeichen der Eisernen. Angesichts fallender Preise auf dem Transfermarkt und wohl auch bei den Gehältern sollte ein zeitiges Bemühen um neue Akteure hilfreich sein.

13 Verträge laufen am Ende der Spielzeit bei Union aus. Bislang steht nur fest, dass Sebastian Polter auf eigenen Wunsch den Klub verlässt. Angesichts der ins Jahr 2021 verschobenen EM stellt sich auch bei Rafal Gikiewicz nicht mehr die brennende Frage, wo und wie er seinen letzten großen Vertrag macht, sondern eher, dass er wieder spielen kann und sich nicht mehr die Zeit mit so spaßigen Sachen wie Toilettenpapier-Hammerwerfen, Staubsaugerroboter-Curling oder 80er-Jahre-Aerobic vertreiben muss.
Bei Yunus Malli kann man davon ausgehen, dass seine Leihe aus Wolfsburg im Sommer endet. Zu teuer als Gesamtpaket. Was unter finanziellen Aspekten wohl auch für Felix Kroos gilt, selbst wenn es da eine Option auf Verlängerung im Vertrag geben soll.
Corona als neue Chance für Michael Parensen
Auch die Zeit von Ken Reichel und Manuel Schmiedebach neigt sich dem Ende zu. Bei Marius Bülter wird Union die Kauf-Option ziehen - Kostenpunkt derzeit ca. eine Millionen Euro - und in Freiburg könnte die Erkenntnis wachsen, dass man in unsicheren Zeiten Keven Schlotterbeck durchaus noch weitere zwölf Leih-Monate als Entwicklung gönnen kann. Angesichts knapper Kassen durch die fehlenden TV-Einnahmen spricht auf einmal sogar einiges für ein weiteres Jahr von Michael Parensen. Bei ihm weiß Urs Fischer, was er hat. Und gehaltstechnisch ist der Routinier eher ein Schnäppchen. Das gilt auch für Ersatz-Keeper Leo Oppermann.
Also müsste sich Ruhnert vermehrt darauf konzentrieren, Grischa Prömel den Verbleib schmackhaft zu machen. Was man bei Jakob Busk und Christian Gentner wohl eher nicht so in Betracht ziehen wird. Selbst wenn bei „Le Gente“ die Leistung gestimmt hat. Doch angesichts schmaler Kassen muss Union ja irgendwo den Rotstift ansetzen. Die Verluste, die ein Saisonabbruch mit sich bringen würde, gilt es ja erst einmal zu kompensieren in der Zukunft. Um die neun Millionen Euro an TV-Geldern würden wegbrechen. Zuschauereinnahmen und Catering nicht mit eingerechnet.
Ungeachtet dessen braucht Ruhnert auch noch Gestaltungsspielraum. Weil in einer neuen Spielzeit – Stand jetzt – die ausgeliehenen Nicolai Rapp (Darmstadt), Lars Dietz (Viktoria Köln), Lennard Maloney (Chemnitz) und Berkan Taz (Cottbus) erst mal wieder auf der Matte stehen. Vielleicht sogar Belgien-Legionär Lennart Moser, den das von Bernd Storck trainierte Cercle Brügge im Sommer eigentlich fest verpflichten wollte. Aber sicher ist in diesen Corona-Tagen ja nichts. Außer, dass viel Arbeit auf Ruhnert wartet. Was ihm aber sicherlich viel lieber ist als die derzeit herrschende Ungewissheit.