Die unglaubliche Achterbahnfahrt des Christopher Lenz bei den Eisernen
Wie Unions scheidender Linksverteidiger mehrere Anläufe brauchte, um sich in Köpenick zu etablieren. Was Frankfurt auf den Plan rief. Nun beginnt seine Abschiedstour und die Fahndung nach seinem Nachfolger.

Nun will der Lenz uns grüßen. Aus der Ferne. In einer nicht mehr so fernen Zukunft. Am Tag nach der ersten virtuellen Mitliederversammlung der Eisernen platzte die Bombe. Im Sommer bricht der 26-Jährige seine Zelte in Köpenick ab und wechselt an den Main zur Frankfurter Eintracht. Nun ist Lenz auf Abschiedstour aus seiner Heimatstadt. Bis zu 16-mal können die Unionfans den leider ablösefrei von dannen ziehenden Linksverteidiger noch genießen.
Dass der daraus eine Portion Extraschwung ziehen wird, davon ist sein Noch-Trainer Urs Fischer überzeugt. „Das muss man akzeptieren. Er wechselt zu einem aus meiner Sicht tollen Klub. In der Liste der 20 umsatzstärksten Klubs der Welt ist Frankfurt mit dabei. Das ist ein toller Klub mit einem tollen Trainerteam. Er wird sich da wohl fühlen und den nächsten Schritt machen“, sah Fischer keinen Grund, groß Tränen zu vergießen. So ist nun mal das Geschäft.
Man kann ihm das unbesehen so abkaufen. Denn seine Anerkennung für den Kollegen Adi Hüter, mit dem er sich in der Schweiz als Trainer schon immer wieder heiße Duell geliefert hatte, ist bekannt. „Er hat sich leider nicht für uns entschieden, aber das muss man akzeptieren“, meinte Fischer, der den kommenden Abgang ein bisschen auch als Auszeichnung für die Köpenicker und seine Arbeit versteht. Auch wenn er Letzteres niemals so ausdrücken würde. „Es ist eine Wertschätzung für den gesamten Klub, dass er von Topklubs umworben wird“, so der 54-Jährige.
Pedersen und Lenz – eine kuriose Geschichte
Die Zeit bei Union war eine echte Achterbahnfahrt für den Zimmergenossen von Christopher Trimmel, der jetzt „den nächsten Schritt machen“ möchte und mit der Eintracht auf Aufritte auf dem internationalen Parkett hofft.
Am Ende werden es fünf Jahre sein. Es begann für den passionierten Playstation-Zocker (Fortnite) im Sommer 2016, als er vom Niederrhein zurück an die Spree kam. Obwohl, eigentlich hatte es schon früher begonnen. Ein halbes Jahr früher. Union wollte unter Sascha Lewandowski den gebürtigen Berliner heimholen. Doch Gladbach – am Sonnabend übrigens zu Gast in der Alten Försterei (15.30 Uhr/Sky) – weigerte sich, ihn gehen zu lassen, weil der angedachte Ersatz Kristian Pedersen aus Höge nicht loszueisen war.
Sechs Monate später war Lenz dann doch Eisern. Sein von der Borussia angedachter Ersatz Pedersen aber auf einmal auch. Und da begann das Problem für Lenzer. Am Dänen war kein Vorbeikommen. Es folgte Holstein Kiel als Leihstation.
Stammspieler, Meister, Aufstieg in die 3. Liga. Nach einigen sehr ordentlichen Auftritten bei den Störchen bremste Lenz auf einmal eine hartnäckige Adduktorenverletzung. Erst im letzten Saisondrittel fasste der Linksverteidiger, der inzwischen vom Internetportal Transfermarkt.de auf rund 4 Millionen Euro Marktwert taxiert wird, wieder Fuß an der Börde.
Doch die Rückkehr nach Köpenick im Sommer 2018 stand auch unter keinem guten Stern. Pedersen war zwar weg gen Birmingham, aber Ken Reichel wurde Lenz vor die Nase gesetzt. Und der bundesligaerfahrene Ex-Braunschweiger behauptete seinen Stammplatz die ganze Aufstiegssaison hindurch. Lenz musste sich trotz seiner deutlichen Fortschritte auf dem Feld mehr oder weniger mit seiner Rolle als Kabinen-DJ begnügen.
Es folgte das Wunder von der Wuhle. Im Fußballoberhaus stand Reichel auf einmal im Schatten des acht Jahre jüngeren Konkurrenten. Was sich in nichts vorher abgezeichnet hatte. Reichel ist heute in Osnabrück und Lenz zieht es nach einem weiteren starken Halbjahr in Köpenick in die Hessenlande.
Das, was daran besonders schmerzt, ist seine Ablösefreiheit. Für einen Klub wie Union, der den zweitgeringsten Etat aller Erstligisten hat, ist das nicht so einfach zu verkraften. Und in Köpenick sind sie schon eifrig dabei, nach einem Ersatz zu fahnden.
Eine erstes Bewerbungszeichen gab es kurz vor dem Jahreswechsel übrigens aus Italien. Dort ließ Lennart Czyborra, vor seinem Wechsel aus Gelsenkirchen nach Holland auch bei den Köpenickern auf dem Zettel, durchblicken, dass er gerne in der Bundesliga, noch lieber in Berlin und da am liebsten für die Eisernen seine Töppen schmieden würde in der Zukunft. Immerhin spielt Brüderchen Michael ja auch bei der VSG Altglienicke. Die Familie wäre also wiedervereint.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Sicher, die Eisernen haben die Soft Skills (Stadt, Stadion, Umfeld) auf ihrer Seite. Zumal Manager Oliver Ruhnert ihn dereinst zu den Knappen lotste, ehe er über Heracles Almelo den Weg auf den Stiefel fand. Weil Nationalspieler Robin Gosens Bergamo nicht wie angedacht verließ, kam Czyborra nicht zum Zug und wurde nach Genua verliehen. Im Ligurien gehört er derzeit zum Stammpersonal und Genua muss ihn kaufen, wenn er auf eine gewisse Zahl von Spielen kommt. Atalanta wird für ihn die rund 5 Millionen Euro kassieren wollen, die sie einst nach Holland überwiesen haben. Dimensionen, die für Unions Macher wohl noch unerreichbar sind.