Union-Kolumne

Die Eisernen setzen auf die „reife Jugend“

Auch wenn nur ein Team älter als das des 1. FC Union ist, unterbieten sich die Köpenicker gerade mit Youngster-Debüts von Woche zu Woche selbst.

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Zwei Generationen Fußballer: Mathis Bruns (l.) ist gerade einmal 16, Max Kruse 32.
Zwei Generationen Fußballer: Mathis Bruns (l.) ist gerade einmal 16, Max Kruse 32.imago-images/Matthias Koch

Mit dem Alter ist das so eine Sache. Besonders auch im Fußball. Wann ist jemand alt, wann reif, wann ein Grünschnabel, oder spielt bei jemandem sogar das Kind im Manne mit? Das lässt angesichts der Tatsache, dass Brasiliens Wunderkind Pelé 1958 mit gerade mal 17 Jahren Weltmeister geworden ist und Italiens Super-Torhüter Dino Zoff 1982 mit sagenhaften 40, alle Interpretationen zu.

Einst lag das beste Alter für einen Fußballer bei 26 bis 28 Jahren. Da hatte er sich soweit alles angeeignet, was es für einen klasse Kicker braucht, Erfahrung inklusive. Das ist längst anders. Gerade am zurückliegenden Wochenende sind die Tage für den jüngsten Bundesligaspieler aller Zeiten nach unten torpediert worden. Mit 16 Jahren und einem Tag ist Dortmunds Youssoufa Moukoko gerade erst auf dem Weg zu einem Teenie. Die Antwort auf die Frage, wie dieses „Kind“ den Hype um sich als weltweit einzigartiges Talent wegsteckt, werden vor allem die Erwachsenen um ihn herum zu verantworten haben.

Eines nur ist klar, dieser Benjamin der Benjamine ist alles andere als eine Eintagsfliege. Von den zwölf jüngsten Debütanten in etwas mehr als 57 Spieljahren sind sechs erst in diesem Kalenderjahr zum Einsatz gekommen: Jamal Musiala von den Bayern, Maximilian Beier aus Hoffenheim, Florian Wirtz aus Leverkusen und mit Jude Bellingham und Giovanni Reyna zwei BVB-Mitspieler von Moukoko.

Um ein Haar, und damit wäre der 1. FC Union mit ganz vorn gelandet, hätte sich ein Eiserner in diese Schar der, naja, Kindergesichter eingereiht. Mathis Bruns, geboren am 31. März 2004 und seit der F-Jugend bei den Rot-Weißen, saß beim 2:1 in Köln auf der Bank. Das ist insofern interessant, weil die Köpenicker mit Grünschnäbeln ähnlich der Bellinghams bis Moukokos (noch) nicht dienen können. War nach der vorigen Saison Julian Ryerson mit 21 Jahren und 350 Tagen der jüngste Union-Spieler aller Zeiten, wurde der Norweger zunächst von Nico Schlotterbeck (20 Jahre, 300 Tage) und schließlich von Tim Maciejewski unterboten. Maciejewski war bei seinem ersten Einsatz 19 Jahre und 237 Tage alt.

Bruns nah am Vize-Rekord

Es ist durchaus kurios, dass alle drei ihr Debüt außer der persönlichen Freude mit einer ganz besonderen Nuance verbinden. Ryerson kam beim 1:0 im hochemotionalen Stadtderby gegen Hertha BSC mit dem Elfmeter-Tor von Sebastian Polter zum Einsatz, Schlotterbeck krönte sein erstes eisernes Ligaspiel beim 1:1 in Mönchengladbach mit einem Tor und Maciejewski war beim höchsten Bundesligasieg der Wuhlheider, beim 5:0 gegen Bielefeld, dabei.

Mit einem Schlag also hätte Mathis Bruns für die Jungs aus der Alten Försterei die neue Ich-bin-jung-was-kostet-die-Welt-Marke gesetzt. Es wäre, allzu lang ist die Liste der Verletzten, in erster Linie aus Personalnot passiert. Zugleich ist das ein Zeichen, das signalisiert: Ja, auch wir können ganz jung. Wäre das 1,92-m-Abwehrtalent nämlich zum Einsatz gekommen, wäre Bruns nach Dortmunds Jahrhunderttalent zweitjüngster Spieler überhaupt geworden.

Die Zeiten für Jungspunde, das zeigt die regelrechte Inflation an blutjungen Burschen, sind auch wegen Corona ganz brauchbare. Stehen die Spiele wie das der Eisernen in Köln bis zur letzten Sekunde auf der Kippe, wird jeder Trainer einen Teufel tun, ausgerechnet das Küken – Pech für Bruns – in die zumeist heiße Endphase zu hetzen. Ist die Partie dagegen wie bei Dortmunds 5:2 im Olympiastadion – Glück für Moukoko – entschieden, kann einer wie er als vierter oder fünfter Joker, den es ja nur wegen Corona gibt, kommen.

Aus der Flut an Jugendlichen nun aber einen Trend für attraktiven und zudem erfolgreichen Fußball herzuleiten, liegt nicht unbedingt auf der Hand. Eine U 23 ist noch nie Meister geworden und auch in Zukunft würde jeder, der von diesem Sport etwas versteht, seine Hand dafür ins Feuer legen, dass das so bleibt. Trotz Schlotterbeck, Maciejewski und Bruns sind die Rot-Weißen das gelebte Gegenteil dieser Jugend-forscht-Episoden, mischen dabei trotzdem kräftig mit. Jüngst standen mit Andreas Luthe, Christopher Trimmel (beide 33), Max Kruse (32) und Sebastian Griesbeck (30) vier Spieler in der Startelf, die nur dann noch als Teenies durchgehen, hätten sie eine gewiefte Maskenbildnerin zur Hand, die sie auf jung schminkt. Dabei hat mit Christian Gentner der 35-jährige Oldie sogar noch gefehlt.

Mit einem Durchschnittsalter von 27,6 Jahren stellen die Eisernen aktuell übrigens den zweitältesten Kader der Liga. Nur ein Team ist mit 28,3 Jahren älter: Eintracht Frankfurt. Das kann was werden am Sonnabend in der Alten Försterei im Duell „Alt“ gegen „Noch Älter“. Für mich ist die Sache klar: Ich setze auf die reifere Jugend.