Kolumne 1. FC Union : Danke, Eiserne, für dieses Derby der absoluten Gegensätze!
Andere Städte schauen neidisch auf Berlin und dieses einzigartige Fußball-Duell.

Jedes Derby ist ein Geschenk. Gerade auch deshalb, wenn es wie am Freitag, wenn der 1. FC Union im Olympiastadion antritt, in einer der besten Ligen der Welt ausgetragen wird. Genießen sollten es, selbst wenn der ganz große Spaß angesichts leerer Stadien ausbleibt, alle. Da bin ich ganz auf Seiten derjenigen, die weder die eine noch die andere Vereinsbrille aufhaben und den Fußball als solchen verehren. Für den Genuss bin ich auch deshalb, weil der Fokus zwar für die Fans hier auf Köpenick und da auf Charlottenburg liegt, der Rahmen und das Interesse aber weiterreichen als lediglich rund um die Alte Försterei oder um das Olympiastadion. Denn klar ist auch, dass dieses Derby alles andere als Alltag ist.
Den Wert, das Fluidum, die Attraktivität eines Derbys wissen vor allem diejenigen zu schätzen, die wie München, Köln oder Stuttgart kein Derby mehr haben oder wie die in Hamburg, wo es nurmehr in Liga 2 stattfindet. Es ist durchaus so, dass mit Neid auf die Hauptstadt geschaut wird, zumal es ein wahres Derby ist. Ein ursprüngliches. Eines wie aus dem Bilderbuch. Eines in der Stadt und da auch noch zwischen Ost und West. Und wenn jemand dazu Klassenkampf sagt, wie es schon passiert ist, trifft das vielleicht nicht den Geschmack aller, passt aber nirgendwo besser als auf die einst geteilte Metropole und auf dieses Spiel der absoluten Gegensätze.
Der Fußballgott will dieses Derby
Dass es dieses Derby auch in dieser Saison gibt, kommt für mich noch immer einer Sensation gleich. Und das in vielerlei Hinsicht. Erstens gehört die Geschichte der Eisernen aus mehreren Gründen zu meiner sportlichen und beruflichen DNA, zweitens grenzt es noch immer an ein Wunder, dass die Kerle aus der Wuhlheide 2019 in die Bundesliga aufgestiegen sind, und drittens glaube ich mittlerweile fest daran, dass diese Spiele zwischen Rot-Weiß und Blau-Weiß ein fester Bestandteil in Deutschlands höchster Liga bleiben.
Wenn es einen Fußballgott gibt – wo soll es den geben, wenn nicht in der Alten Försterei? –, dann kann der nicht anders, als dieses Derby auch zu wollen. Niemand anderes nämlich hat sich diese Spiele derart verdient wie die Eisernen. Aus den Tiefen sind sie gekommen. Pleite wie sonst was sind sie gewesen, dass sie, der Fußballgott möge ein Auge zudrücken, bei der Kollekte nur deshalb eine kleine Münze in den Korb zu legen bereit waren, um mit der Behändigkeit eines Taschendiebes eine größere herauszuklauben. Regelrecht auf dem Zahnfleisch sind sie angekrochen und in die vierte Liga abgestürzt, wo die Gegner MSV Neuruppin, Greif Torgelow, Ludwigsfelder FC, Motor Eberswalde und Falkensee-Finkenkrug hießen. Nicht einmal, selbst wenn nur für eine Saison, ein eigenes Stadion hatten sie.
So etwas nennt man üblicherweise Totalschaden, verabschiedet es auf den Schrottplatz und winkt es durch in die Metallpresse. Es sei denn, an der Seite dieses eigentlichen Gerümpels friemeln derart besessene, man kann zu ihnen nichts anderes sagen als Liebhaber, die das Gespür dafür entwickeln oder es sowieso in ihrem rot-weißen Blut haben, dass in diesem vermutlichen Wrack irgendwo noch eine Seele wohnt, mag sie noch so verrostet sein, und es aufpäppeln.

Genau das ist die Nahrung für solch ein Derby, zumal für den eigentlich hilflos Unterlegenen, für den in der Metropole egal wann, ob zu Zeiten eines Staatsratsvorsitzenden oder zu Zeiten einer Bundeskanzlerin, schon immer nur die Rolle des Verlierers vorgesehen war. Das hat so etwas wie Pokal, weil der eine auf Teufel komm raus und um den Preis der Blamage unbedingt gewinnen muss und es für den anderen nichts, aber auch gar nichts zu verlieren gibt. Gelingt so etwas wie am 5. Februar 2011 mit dem 2:1 im Olympiastadion oder wie mit dem 1:0 im vorigen Herbst in der Alten Försterei, gehört der Moment ganz dem vermutlich hässlichen Entlein. Das macht ein Derby besonders interessant und erst recht einmalig.
Na klar kommen gerade vor solch einem besonderen Duell die kessen Sprüche aus allen Lagern. Man sei bereit für das Spiel der Spiele und, um den Gegner vielleicht doch ein wenig zu beeinflussen, besonders motiviert sowieso. Das gehört zum Geplänkel im Vorfeld und zum Breite-Brust-Zeigen wahrscheinlich dazu.
Da ist einerseits alles irgendwie von Bedeutung und andererseits auch nichts. Da zählt ein bislang verkorkstes Spieljahr mit acht Punkten und Tabellenplatz 13 genau so wenig wie ein bislang grandioses mit 16 Zählern und Rang 6. Es ist unerheblich, ob der Gastgeber zu Hause sieglos ist und der Gast auswärts ungeschlagen, ob der eine nur eines seiner letzten acht Spiele gewonnen hat und der andere keines davon verloren.
Es ist eben ein Derby, eines der absoluten Gegensätze dazu. Ganz egal wie es ausgeht, ich sage den Eisernen dafür trotzdem schon mal herzlich danke.