Rekordjagd

Beim 1. FC Union geht es schon wieder los: Eiserne Momente für die Ewigkeit

Mit drei Kopfballtoren schreibt Kevin Behrens ebenso Geschichte wie Frederik Rönnow mit zwei gehaltenen Elfmetern.

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Elfer gehalten! Frederik Rönnow lässt seine ganzen Emotionen raus. Der Mainzer Schütze Ajorque schlägt derweil die Hände vor den Kopf.
Elfer gehalten! Frederik Rönnow lässt seine ganzen Emotionen raus. Der Mainzer Schütze Ajorque schlägt derweil die Hände vor den Kopf.Andreas Gora/dpa

Wer den 1. FC Union seit Jahrzehnten kennt, muss denken, dass nun das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Kurz darauf muss sich derjenige dann doch wieder kneifen und sich die Augen reiben, weil hinter der Fahnenstange noch eine steht und noch eine, die vorher nicht da gestanden haben. Wenn es irgendwann vielleicht doch die letzte sein könnte, wird sich bestimmt wieder jemand finden, der noch eine hinstellt und wieder eine. So geht das nun schon eine Weile und es hört und hört nicht auf.

Es gab zur Saisonpremiere gegen Mainz sicherlich einige, denen schwante nichts Gutes. Mit Auftaktspielen hatten es die Eisernen in der Bundesliga bisher nicht so. Ein Sieg nur sprang in der Vergangenheit heraus, im Vorjahr mit 3:1 im Stadtderby. Zuvor hatte es gegen Leverkusen ein 1:1 gegeben, wieder davor ein 1:3 gegen Augsburg und wieder davor eins, naja, Sie wissen schon, gegen Leipzig. Dann auch noch das: Rani Khedira nicht einsatzfähig, auch Lucas Tousart und Janik Haberer nicht. Selbst Urs Fischer, der Trainer, der sonst nicht gar so viel Aufhebens von Ausfällen macht, sondern aus der Not eine Tugend, ließ tief blicken, als er zugab: „Im zentralen Mittelfeld sind wir eher dünn aufgestellt.“ Als der Coach letztlich anscheinend ohne Not sogar auf Sheraldo Becker, den mit elf Treffern erfolgreichsten Offensivgeist der Vorsaison, verzichtete, bekamen im Fan-Lager einige wohl doch leichte Zweifel am Schweizer und fragten sich, ob die Crew um ihn herum erst noch im Aufwärmmodus sei.

Die kurze Antwort: Nein, ist sie nicht. Es ist gut gegangen, völlig klar nach einem 4:1. Zumal es zwei Männer in die Schlagzeilen geschafft haben, die hin und wieder schon dort standen, aber nie mit derart einzigartigen Taten, dass sie über Köpenick hinaus mit Anerkennung und noch mehr Staunen wahrgenommen werden.

Kevin Behrens feiert nach dem Spiel mit seinem Nachwuchs auf dem Arm.
Kevin Behrens feiert nach dem Spiel mit seinem Nachwuchs auf dem Arm.City-Press

Mainz-Trainer Bo Svensson: „Da haben wir dem Behrens aber den roten Teppich ausgerollt“

Über Kevin Behrens und dessen Kopfballstärke etwas zu erzählen, hieße, auf das tägliche Verkehrschaos in Köpenick hinzuweisen und speziell auf die Staus vor der Einengung hin zur Schlossinsel oder bei Spieltagen rund um das Stadion an der Alten Försterei. Wissen alle und fahren trotzdem immer wieder sehenden Auges hinein. In diesem Fall ist Behrens beides schnuppe. Erstens als Kopfball-Dreierpacker, der die Mainzer Defensive ratlos zurückließ und Gäste-Trainer Bo Svensson („Da haben wir dem Behrens aber den roten Teppich ausgerollt“) Zornesfalten auf die Stirn trieb, zweitens als einer, der nach seinem Kunststück auf dem Fahrrad nach Hause fuhr und dem Stau das Rücklicht zeigte.

Na gut, mag mancher meinen, drei Tore sind schön, drei Tore sind wichtig, drei Tore sind eine Wucht. Aber es gibt Spieler, die haben selbst in einem WM-Endspiel drei Tore erzielt. So Geoffrey Hurst 1966 beim 4:2 der Engländer gegen die DFB-Elf um Kapitän Uwe Seeler und den jungen Franz Beckenbauer, bevor es im vorigen Jahr auch Kylian Mbappé beim 3:3 der Franzosen gegen Argentinien schaffte, er am Ende aber doch nicht Weltmeister wurde. Also macht nicht so viel Wind. Doch! Weil es erstens um Kevin Behrens geht und zweitens um Kevin Behrens in der Bundesliga. Ein Dreierpack ist dem inzwischen 32-jährigen Angreifer selbst in 94 Zweitligaspielen nicht gelungen und auch nicht in 181 Spielen in der Regionalliga. Drei Tore in einem Punktspiel im Männerbereich sind für Behrens ein einziges Mal zuvor festgehalten. In der Bremenliga gelangen sie ihm, da war er 20, mit Werder Bremen III bei einem 7:1 bei – der Name ist echt, echt – TuS Schwachhausen. Ob der Dreier bei dem Gegner überhaupt zählt? Also: den mitgenommenen Ball in die Vitrine stellen und weitermachen.

Elfmeter-Töter Frederik Rönnow hat sich keinen Spielball mitgenommen

Einen Spielball mitgenommen hat Frederik Rönnow nicht, obwohl auch er allen Grund dazu gehabt hätte. Selten ist jemand seiner Position als Hüter des Tores besser gerecht geworden als der Däne, vor allem wenn es um Elfmeter geht. Natürlich haben andere Keeper mehr Bälle vom Punkt gehalten als die Nummer 1 der Eisernen, die allermeisten aber beim Elfmeterschießen. Älteren Semestern fällt hier vor allem Helmuth Duckadam ein, der Steaua Bukarest 1986 zum Sieger des europäischen Meistercups machte, als er gegen den FC Barcelona gegen Marcos Alonso, Pichi, Pedraza und Alexanco hielt und der fünfte Barca-Schütze nicht mehr antreten musste. Aber im Spiel? Und zudem so, dass der Ball beide Male wie festgeklebt an den Handschuhen haftet? Das ist großer Sport, ein noch größerer Moment für Rönnow und überhaupt was für die Ewigkeit.

Das hat zwar nichts mit Fahnenstange zu tun. Die an der Ecke war bei den Toren von Behrens und den Paraden von Rönnow ziemlich weit entfernt, so um die 31 oder 32 Meter. Aber auch hier gilt, dass es nicht aufhören oder zumindest noch eine Weile so oder ähnlich weitergehen möge.