Auch ohne Kruse sind die Eisernen reif für großes Theater
Nicht der bisherige Unterschiedsspieler des 1. FC Union ist das Problem, sondern das System.

Es gibt viele Slogans, die ihren Weg von Köpenick in verschiedene Richtungen geschafft haben. Einer von ihnen klingt nach Heimat, nach Wärme, auf jeden Fall nach Verbundenheit: Einmal Unioner, immer Unioner. Daraus ist mit immerunioner.de eine Internet-Rubrik entstanden, die etliche Facetten der rot-weißen Historie am Leben hält und nahezu täglich aktualisiert wird. Statistik-Freaks, aber nicht nur die, kommen beim Schmökern voll auf ihre Kosten. Hier gibt es neben Neuigkeiten Wissenswertes über Trainer und Trikots, Nummern und Namen, außerdem sind alle Ehemaligen, die, in welcher Liga auch immer, wenigstens ein Punktspiel in der ersten Männermannschaft des 1. FC Union bestritten haben, akribisch aufgelistet.
Bis Sonntagmittag standen auf dieser Liste 479 Namen, der erste ist René Adamczewski und der letzte Robert Zulj. Die Liste jener Spieler, deren Familienname mit K beginnt, ist mit 59 ohnehin schon die längste gewesen, nun ist sie fast auf den letzten Drücker vor Ablauf der saisonalen Transferperiode um den 60. Namen erweitert worden: Kruse, Max Bennet.
Union kann's auch ohne Max Kruse
Der Unterschiedsspieler ist also rot-weiße Geschichte. Wie immer hat auch diese Personalie zwei Seiten und der Weggang im Eiltempo – wobei: Eiltempo vielleicht nur deshalb, weil zuvor nichts durchgesickert war und so ein Ding niemals in gefühlt nur wenigen Minuten über die Bühne geht – erst recht. Vor allem gehören, auch wie immer, zwei Parteien dazu, um das zu wuppen, völlig unabhängig von den Interessen. Trotzdem, so ist zumindest anzunehmen, wird aus der Alten Försterei ohne einen der bisherigen Hauptdarsteller keine Kleinkunstbühne. Auch alle anderen sind fähig zu großem Theater.
An Kruse schieden sich von Anfang an die Geister. Manche schlugen, kaum war er verpflichtet, die Hände überm Kopf zusammen. Wie kann man nur, stöhnten sie, so einer bringt, kaum dass etwas aufgebaut wurde, sowieso alles durcheinander. Nicht wenige dagegen rieben sich die Hände, weil sie davon ausgingen, dass einer wie dieser durch und durch verrückte Kerl die Mannschaft auf ein anderes Niveau heben kann.
Was also ist passiert? In den anderthalb Jahren seiner Zeit in Köpenick hat Kruse für die wenigsten Eskapaden seiner Laufbahn gesorgt. Ist er jemals unangenehm aufgefallen? Hat er auch nur einen Tag für Stunk gesorgt? Musste sich jemand für ihn schämen? Im Gegenteil! Er hat die Eisernen – nicht allein, völlig klar, aber doch ziemlich prominent – nach Europa gebracht. Er hat die Farben des Vereins bei den Olympischen Spielen vertreten und er hat in seinem letzten Spiel für die Eisernen, dem 2:1 bei Borussia Mönchengladbach, einen Zweierpack vom Feinsten hingelegt und so für einen wichtigen Dreier gesorgt. Was also soll sein?

Dass dieser Kerl geradeheraus ist, hat er selbst im allerletzten Moment gezeigt. Ehrlich hat er sich verabschiedet und den wahren Grund angegeben: die Kohle. Wo andere rumschwurbeln und von neuer Herausforderung faseln, gibt sich Kruse zackig wie meist. Wenn ihm also jemand viel mehr Schotter in den Rachen werfen will als bisher, immerzu, wer würde sich, ehrlich bitte, mit Füßen und Händen dagegen sträuben? Mit anderen Worten: Wer würde sich zieren, wenn jemand den Geldkoffer öffnet mit der Bitte, mit beiden Händen möglichst kräftig hineinzugreifen?
Wer jetzt glauben mag, das liege an den Profis Nimmersatt, die Mister X, Monsieur Y, Senor Z oder in diesem Fall Herr Kruse heißen, ist nicht hinter das Geschäft gestiegen. Auch hierzu gehören immer zwei – der eine, der gibt, und der andere, der nimmt. Oder dem es angeboten wird und der sich dadurch gebauchklatscht fühlt. Da sollte derjenige hervortreten, der bei so etwas, zumal kurz vor seinem 34. Geburtstag – und nicht jeder spielt wie einst Klaus Fichtel bis 43 oder Claudio Pizarro bis 41 –, nicht weich wird. Sollte jemand trotzdem den Stab brechen, so ist der Spruch nicht weit, nach dem derjenige den ersten Stein werfen möge, der ohne Fehl ist. Es wird nicht die kleinste Klamotte fliegen, wenigstens da sollte man der Bibel glauben.
Weder Union noch Kruse sind schuld
Geld regiert nun einmal diese Welt. Letztlich hat ja auch der 1. FC Union etwas davon. Erst recht in einer Situation, in der der erneute Sprung nach Europa zwar möglich, der Abstieg – in Köpenick geht es in erster Linie noch immer darum, den zu vermeiden – aber ziemlich weit weg ist. Mag sich jeder damit trösten, dass Kruse 14 Punktspiele später sowieso nicht mehr im Rot und Weiß der Eisernen aufgelaufen wäre.
Ein Blick auf das gerade wieder zu Ende gegangene Transfer-Hickhack macht etwas ganz anderes deutlich. In diesem Becken voller Haie sind Kruse und der 1. FC Union höchstens Hechte, vielleicht sogar nur Heringe. Wer trotzdem nach einem Problem sucht, dann ist es nicht Kruse, dann ist es das System. Punkt.
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