30 Jahre DFB-Pokal-Endspiel der blau-weißen Amateure

Als die Hertha-Bubis „Eisern Union“ im Roten Rathaus schmetterten

Am 12. Juni 1993 lieferten die Amateure von Hertha BSC um Andreas Schmidt Bundesligist Bayer Leverkusen im Finale im Olympiastadion einen großen Kampf.

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Die legendären Hertha-Bubis am 12. Juni 91993  beim Finale im Olympiastadion
Die legendären Hertha-Bubis am 12. Juni 91993 beim Finale im OlympiastadionCamera 4/imago

Es ist der ewige Traum von Hertha BSC. Gefühlt seit der Klubgründung 1892. Okay, kleiner Scherz. 1935 wurde der Tschammer-Pokal als Vorläufer des DFB-Pokals ja erst aus der Taufe gehoben. Und erst seit 1985 ist das Berliner Olympiastadion als deutsches Wembley ständiger Austragungsort. Doch das ändern nichts an den blau-weißen Sehnsüchten nach dem Endspiel im eigenen Wohnzimmer und dem Gewinn des Potts. Ein Traum, der vor drei Dekaden zum Greifen nahe war und sich an diesem 12. Juni zum 30. Mal jährt.

Der Durchmarsch der Hertha-Amateure im DFB-Pokal endete 1993 erst im Finale. Die jungen Spieler von damals genießen auch heute noch Legenden-Status beim Klub aus dem Westend. Wenn das Wort Hertha-Bubis fällt, schlagen die Herzen der Fußballromantiker höher. Sie waren die ersten Amateure, denen das Kunststück gelang, ins große Endspiel einzuziehen. Noch weit vor Energie Cottbus (1997) oder dem 1. FC Union (2001). 

Viele der jungen Wilden sind danach im Profizirkus durchgestartet. Andreas Schmidt, der als damals 19-Jähriger zusammen mit seinem Zwillingsbruder Oliver gegen die favorisierten Rheinländer in der Startelf der Hertha-Amateure stand, schwärmt auch heute noch von Teamgeist, als wäre es gestern gewesen. „Die Mannschaft hat so viel zusammen gemacht, gerade beim Thema Feierlichkeiten. Und die Mannschaft hat sicher sensationell gut zusammengepasst“, erinnert sich der heute 49-Jährige.

Nicht alle Hertha-Bubis kamen im Profizirkus an

Die Profis hatten im Achtelfinale bei der Werkself mit 0:1 die Segel streichen müssen. Nun gab es ausgerechnet im Finale die Chance zur Revanche. Aber der ganz große Coup blieb aus, wieder hieß es 0:1 gegen Bayer Leverkusen durch einen Treffer von Ulf Kirsten (77.).

Die Mannschaft sei, laut Schmidt, der am Ende seiner Karriere auf 276 Erst- und Zweitligakicks für die Alte Dame zurückblicken darf, charakterlich einfach unglaublich gut gewesen. Dass sie damals alle im gleichen Alter gewesen seien, habe halt zusammengeschweißt, auch ein bisschen verbunden.

Nach den Überraschungen gegen den VfB Leipzig (4:2), Titelverteidiger Hannover 96 (4:3), den 1. FC Nürnberg (2:1) und den von Trainer-Legende Hans Meyer trainierten Chemnitzer FC (2:1) im Halbfinale vor 56.000 Zuschauern standen die damals drittklassigen Amateure im Finale im heimischen Olympiastadion. Die Siegtreffer gegen Nürnberg mit Andreas Köpke im Tor und Hannover fielen jeweils kurz vor dem Schlusspfiff, gegen den Titelverteidiger aus Niedersachsen machte Schmidt selbst den Treffer zum 4:3, nachdem der Defensiv-Spezialist bereits zum 3:2 erfolgreich gewesen war.

„Wir waren ja alle sehr jung und waren körperlich auch teilweise noch gar nicht so weit, da mitzuhalten. Wenn wir in die Verlängerung hätten gehen müssen, wäre das nicht gut ausgegangen. Also passte halt alles zusammen“, sagt Schmidt.

Eine bessere Imagepflege hat Hertha danach nie mehr erlebt

Ganz zufällig seien sie damals aber auch nicht von Runde zu Runde weitergekommen. „Das war schon eine recht große Substanz in dieser Mannschaft“, sagt er.

Der damals im Lauf der Rückrunde erst 18 Jahre jung gewordene Torwart Christian Fiedler gehörte ebenso zum Team wie der spätere Nationalspieler Carsten Ramelow oder Gerald Klews, Sven Meyer, Andreas Zimmermann und Oliver Holzbecher. „Das Kapital für die nächsten Jahre, vielleicht für das nächste Jahrzehnt“, sagte der damalige Schatzmeister Heinz Striek über das Überraschungsteam, „eine Imagepflege, wie wir sie bei Hertha nicht erlebt haben“.

Andreas Schmidt jagt Andreas Thom hinterher.
Andreas Schmidt jagt Andreas Thom hinterher.Kicker/Liedel/imago

Klar, nicht allen gelang der Durchbruch in den Profizirkus. Die Schmidt-Zwillinge erreichten wie Fiedler die Bundesliga, Andi spielte sogar Champions League. Carsten Ramelow wurde dann neun Jahre später 2002 mit der deutschen Nationalmannschaft Vizeweltmeister. „Aber ansonsten war das für alle wahrscheinlich der Höhepunkt der Karriere“, sagt Schmidt.

Empfang im Roten Rathaus für die Hertha-Bubis

So hielt sich die Trauer nach der Niederlage in Grenzen. „Wir hätten gerne das nächste Wunder vollbracht, aber irgendwann ist ein Traum auch mal zu Ende“, sagte Erfolgstrainer Jochem Ziegert.

Nach der Partynacht stand am Sonntag ein Autokorso zum Roten Rathaus an. Angesichts des schlechten Wetters bereiteten nur wenige Berliner den Pokalhelden einen Empfang. Denen war das egal. Im Wappensaal feierten die Spieler und sangen – heute undenkbar – das Lied des Ligakonkurrenten aus dem Südosten der Stadt: „Eisern Union“, hallte es durch das Rote Rathaus. Die Köpenicker hatten am Nachmittag das entscheidende Spiel um den Aufstieg in die Zweite Liga gegen den Bischofswerdaer SV. Ein Punkt hätte gelangt, aber sie gewannen mit 1:0 durch einen Treffer von Jens Henschel (67.). Wegen einer gefälschten Bankbürgschaft erhielten sie aber wenig später keine Lizenz.

30 Jahre später erinnern sich die Fans immer noch an diese Hertha-Bubis. „Es gibt auch heute noch immer unheimlich viele, die mich ansprechen, die speziell bei den Spielen im Mommsenstadion waren, wo nicht so viele Zuschauer zusahen, und von dieser Kulisse nach wie vor schwärmen“, sagt Andreas Schmidt, der seit 2010 im Aufsichtsrat von Hertha sitzt.

Zum großen Wiedersehen kommt es 30 Jahre nach der denkwürdigen Pokalsaison für die Hertha aber nicht. Eine kleinere Delegation war am vorletzten Spieltag zu Gast im Olympiastadion und musste den Abstieg der Profis aus der Bundesliga miterleben.

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