Achtung Getümmel! Dort geht es für Torhüter um Kopf und Kragen
Schlimm genug, aber Union-Schlussmann Andreas Luthe ist längst nicht der einzige Keeper, den es mit einer Gesichtsverletzung erwischt hat.

Sie hauen sich manchmal ins Getümmel, als ob es kein Morgen gäbe. Deshalb leben Torhüter im Fußball ab und an gefährlich. Allein das jüngste Beispiel von Andreas Luthe zeigt es. Auch Feldspieler haben Probleme, zumeist mit Muskeln, Bändern, Sehnen und Knochen. Dafür erwischt es einen Schlussmann viel häufiger am Kopf, weil er sich öfter dort aufhält, wo sich gleich 20 Beine von Feldspielern drängeln und der Keeper unterhalb der Knie der anderen abtaucht. Dort ist es eng und ein Knie ist selten gepolstert. Zwar hat es die Nummer 1 des 1. FC Union beim jüngsten Malheur beim 0:0 in Bielefeld in der Luft und dazu am Mitspieler erwischt, trotzdem und schlimm genug, auch bei ihm ist es (wieder) der Kopf.
Wie es Luthe dabei geht und was ihm hätte blühen können, weiß Loris Karius nur allzu gut. Es wurde oft genug erzählt: Endspiel 2018 in Europas Königsklasse, Gehirnerschütterung, Patzer, Niederlage. Die Schmerzen am Kopf sind längst verklungen, die Schmerzen im Kopf, das heißt in der Seele, bleiben auf immer.
Petr Cech hat es schwer getroffen
Das weiß ich aus eigener Erfahrung, dabei habe ich höchstens aus Spaß und im Training mal im Tor gestanden. Doch die Verletzung eines Torhüters, zumal während meiner zugegeben kurzen Zeit beim 1. FC Union, hat mich ziemlich mitgenommen. Wir Eisernen standen im Frühjahr 1976 kurz vorm Beginn der Aufstiegsrunde zur Oberliga. Wolfgang Matthies war die unumstrittene Nummer 1 und der eigentliche Turm in mancher Abwehrschlacht. Dann aber brach Potti sich zwei Finger, und zwar an meinem Kopf. Im Trainingsspiel war ich bei einer Flanke ausnahmsweise eher am Ball als er mit seinen Fäusten, und es krachte auf meinem Schädel. Prost Mahlzeit! Nicht auszudenken, dass ausgerechnet ich, obwohl ich keine Schuld am Unfall trug, den Aufstieg hätte gefährden können. Zum Glück ist es gutgegangen, auch weil wir in der Fünfer-Staffel zu Beginn spielfrei hatten und Potti nach fünf Wochen zum ersten Spiel, einem 4:0 gegen Vorwärts Dessau, gerade rechtzeitig fit und ein Garant für den Aufstieg war.
Geht es um Torhüter, komme ich, da kann ich mir noch so viel Mühe geben, an Jürgen Croy nicht vorbei. Nur: Croy, dieser elegante Flieger, und Verletzungen? Und ob! Gleich zweimal musste er mit gebrochenem Jochbein lange Zeit pausieren, sonst wäre er, bei deutlich weniger Länderspielen im Jahr als heute der Ritterschlag schlechthin, vor dem Italiener Dino Zoff der erste Schlussmann weltweit gewesen, der es auf 100 Länderspiele gebracht hätte.
Beim Brüllen den Kiefer ausgerenkt
Einer, den es viel schwerer traf als Luthe, Karius und damals Matthies und Croy, ist Petr Cech. An alle Titel, die der Goalie vor allem mit dem FC Chelsea gewann, können sich wohl nur Hardcore-Fans komplett erinnern, an den maßgeschneiderten 80 Gramm leichten Helm, der in fast anderthalb Jahrzehnten zum Markenzeichen des 117-maligen tschechischen Nationalspielers wurde, dafür die allermeisten. Passiert war es so: Der 1,96-Meter-Riese, ein Jahr zuvor zum Welttorhüter des Jahres gewählt (er hatte seinen Kasten in 25 Premier-League-Spielen sauber gehalten und war 1025 Minuten in Folge ohne Gegentor geblieben), prallt im Herbst 2006 im Spiel gegen den FC Reading mit dem Kopf ans Knie von Gegenspieler Stephen Hunt. Ganze 16 Sekunden sind erst vorbei, noch weniger als bei Luthes Verletzung jetzt auf der Alm. Schiedsrichter Mike Riley erkennt, englische Härte kann hin und wieder ein Fluch sein, die Schwere der Verletzung nicht und lässt die Ärzte nicht aufs Feld. Auf allen Vieren kriecht der Torhüter runter – Schädelbasisbruch, Lebensgefahr, Notoperation, Koma. Dass Cech nach drei Monaten zurückkehrt und nichts von seiner Klasse eingebüßt hat, grenzt an ein Wunder.
Kommt man den Briten mit der Verletzung eines Torhüters, dann verehren sie einen, dem sie zehn Jahre zuvor noch die Pest an den Hals gewünscht hatten, weil der II. Weltkrieg, als das F.A.-Cup-Finale 1956 stattfand, erst elf Jahre vorüber und ihr jetziger Held ein Deutscher und damit ein Feind war: Bert Trautmann. In diesem Finale, das Trautmann mit Manchester City 3:1 gegen Birmingham City gewann, brach er sich das Genick, spielte aber weiter und brillierte mit einigen spektakulären Paraden. Sein unglaubliches Glück war, dass von fünf verschobenen Wirbeln einer gebrochen war und sich mit einem benachbarten derart verkeilt hatte, dass genau das ihn vor dem sicheren Tod bewahrte.
Auch die letzte Episode geht gut aus, und zwar so gut, dass sie ohne Schenkelklopfer kaum auskommt. Wieder ist es ein Keeper aus Manchester, nur diesmal United-Schlussmann Alex Stepney. Der treibt seine Vorderleute derart an, dass er sich beim Brüllen den Kiefer ausrenkt. Dumm nur, dass United keinen Ersatztorwart dabeihat, weil Stepney nie verletzt und eine Institution ist und ein Feldspieler in den Kasten muss. Der Mittelfeldmann brüllt viel weniger, ist sonst aber ganz Stepney und lässt keinen Ball durch.
Für Andreas Luthe ist es trotz aller Schmerzen glimpflich ausgegangen. Für die Partie am Sonnabend gegen Köln und die neun folgenden Spiele dieser Saison heißt es nach zwei Brummschädeln aber vor allem: Achtung im Getümmel und Kopf hoch!