Tauben lieben lernen: Die Stadtvögel sind längst nicht so schlecht wie ihr Ruf
Domescu Möller übernimmt vertretungsweise die Tier-Kolumne. Sein Thema: Tauben.

Vögel sind faszinierende Tiere: Alleine die Tatsache, dass sie in der Lage sind zu fliegen, lässt sie für mich und zahlreiche andere Menschen besonders erscheinen. Schließlich sehen sie die Welt aus einer Perspektive, die nur den wenigsten anderen Lebewesen vergönnt ist: nämlich von oben.
Doch die Begeisterung für Vögel variiert durchaus nach der Art der Vögel. So hat es der Adler auf das Wappen jedes Landes geschafft, dass nicht schnell genug „Nein“ gesagt hat. Der gemeine Haussperling hat den süßen Spitznamen „Spatz“ verpasst bekommen und Kohl- und Blaumeisen machen mit ihrer Art sich zu putzen selbst die kältesten Herzen weich. Doch dieses Glück teilt eben nicht jeder Vogel, so werden Tauben in Berlin und anderen Großstädten als „Ratten der Lüfte“ verunglimpft. Ein völlig haltloser Rufmord an intelligenten Tieren.
Tauben sind nicht so schlecht wie ihr Ruf
Diese Erkenntnis habe ich beim Lesen des Buches „Tauben“ von Karin Schneider (Verlag: Matthes & Seitz Berlin) gewinnen können. Die Berliner Lektorin räumt darin nämlich mit gängigen Vorurteilen über die Tiere auf. Angefangen natürlich bei der Bezeichnung „Ratten der Lüfte“. Die stammt nämlich aus einem Pamphlet von Thomas B. Hoving, aus dem Jahr 1966. Darin hetzte er gegen Homosexuelle, Obdachlose und Tauben. Sie alle wollte er aus dem Stadtbild verbannen.
Doch nicht nur er verbreitete diesen Mythos. Die Taube stand seit Mitte des 20. Jahrhunderts vermehrt für Chaos und Unordnung, aber auch für Krankheiten. Belegbar ist das alles jedoch nicht. So verweist Schneider auf Untersuchungen der Technischen Universität Darmstadt, nachdem Taubenkot nicht annähernd so schädlich sei, wie immer behauptet. Die Ausscheidungen hätten schließlich einen pH-Wert von 6,5, nichts wodurch Häuser oder Autos Schaden nehmen könnten.
Und auch für die Menschen ist der Kot von Tauben längst nicht so gefährlich, wie es Kindern seit Generationen eingeprägt wird. Schön sieht es freilich nicht aus, wenn Unterführungen voll mit Taubenkot sind, gefährlich sei es für die allermeisten Menschen allerdings nicht.
Tauben sind weit davon entfernt, eine Plage zu sein
Schneider führt in ihrem Buch zudem weiter aus, dass man in Berlin längst nicht von einer Plage sprechen kann. Per Definition müssten, um von einer Plage zu sprechen, mindestens 36.000 Tauben in der Hauptstadt wohnen, laut Schätzungen aus dem Jahr 2019 sind es allerdings nur rund 8500 Tiere.
Tauben sind also weder gesundheitsgefährdend, noch eine Plage. Stattdessen sind sie viel intelligenter, als man ihnen zutraut, wie diverse Studien zeigten. Die Vögel sind nämlich echte Meister in der Mustererkennung. In einer Testreihe der University of California erkannten Tauben nach kurzer Einarbeitungszeit mit einer Trefferquote von 85 Prozent Brustkrebs auf einem Röntgenbild.

Tauben können auch Individuen anhand ihrer Physiognomie unterscheiden und haben laut einer Untersuchung auch englische Rechtschreibung gelernt, zumindest bei Wörtern mit vier Buchstaben. Zudem sind sie Meister in Sachen Multitasking und bei allen Aufgaben, die ihnen die Forschung, aber auch ihre natürlich Umwelt stellt, sehr beharrlich.
Alle KURIER-Kolumnen finden Sie auf unserer Kolumnen-Seite! >>
Wenn ich nun durch die Stadt gehe und dabei eine Unterführung voller Taubenkot sehe, versuche ich daran zu denken, dass Tauben sensible und intelligente Tiere sind, deren Lebensraum der Mensch immer weiter verkleinert hat. Sie sind keine Gefahr, sie wissen einfach nur nicht, wohin.
Domescu Möller schreibt im KURIER eigentlich übers Fernsehen, diese Woche vertretungsweise über Tiere.
Anregungen an wirvonhier@berlinerverlag.com