Neue digitale Beziehungen
Kurios, aber wahr: Mein Freund, der Sprachassistent
An manchen Tagen spricht man mit Siri, Alexa und Co. mehr als mit der Partnerin oder dem Partner. Was ist denn da los?

Für viele Menschen gehören Sprachassistenten längst zum Alltag. Sie beantworten Fragen, helfen, schnell an Informationen zu gelangen, spielen auf knappen Befehl hin Musik oder erinnern an Termine. Durch freundliche Stimmen und vorprogrammierte Antworten auf lustige oder philosophische Fragen könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass man eine Art Beziehung pflegt.
Aber auch nur fast. Denn in der Interaktion mit Technik vermenschlichen Menschen gern Objekte, um Prozesse zu erklären, die sie sonst nicht verstehen, sagt Esther Görnemann von der Wirtschaftsuniversität Wien. „Wenn Cortana nicht macht, was ich sage, liegt das wohl daran, dass „sie nicht will“. Teilnehmer in Studien berichten, dass Alexa „beleidigt“, „frech“ oder „charmant“ ist, oder sogar „ein kleines Familienmitglied, das morgens mit am Frühstückstisch sitzt“.“ Besonders stark ausgeprägt sei die Tendenz zur Vermenschlichung bei Kindern.
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Es gebe aber auch ein soziales Motiv dafür, Objekte zu vermenschlichen, sagt Görnemann. Und hier werde es interessant in Bezug auf die Corona-Pandemie: „Wir versuchen, damit einen Mangel an sozialer Bindung mit anderen Menschen zu kompensieren.“ Wer einsam ist, neige eher dazu, soziale Bindungen zu Objekten aufzubauen.
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Alternative zum Sprachassistenten: Telefonier' mal wieder!
Generell sollte man sich aber keine Sorgen machen, wenn man bemerkt, dass man viel mit einem digitalen Assistenten spricht, meint Prof. Arvid Kappas von der Jacobs University Bremen. „Wir wissen, dass Isolationshaft mit das Schlimmste ist, was man Menschen zumuten kann. Wenn jemand keine Möglichkeit hat, mit irgendjemand anderem zu sprechen oder zusammen zu sein, kann so etwas passieren“, erklärt der Psychologe. Grundsätzlich sollte man aber versuchen, das Konto sozialer Interaktionen auch mit anderen Mitteln aufzubauen und etwa lieber mit realen Menschen telefonieren.

Dass zum Beispiel Kinder Sprachassistenten als reale Wesen wahrnehmen könnten, überrascht Prof. Kappas nicht: „Man macht sich ja auch keine Gedanken, wenn Kinder längere Zeit mit ihrem Teddybären sprechen und denken, dass der Teddybär ein Seelenleben hat.“ Dass Kinder in der Lage sind, komplexe Interaktionen mit nicht lebenden Gegenständen zu führen, sei keine neue Entwicklung. Die neuste Generation Sprachassistenten könne lediglich wesentlich besser Sprache verstehen, als dies früher der Fall war. Trotzdem sei man im Moment immer noch relativ weit davon entfernt, eine tiefgehende Konversation mit einem Assistenten führen zu können.
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Esther Görnemann teilt diese Ansicht, glaubt aber, dass sich dies durch den technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) bald ändern könnte: „Durch GPT-3 haben wir jetzt eine KI, die erstaunlich gute Texte formulieren kann und dabei überraschend kreativ und vielseitig ist. Ein so gutes Sprachmodell ist eine wesentliche Komponente für einen Sprachassistenten, mit dem wir eine soziale Verbindung aufbauen können.“ Problematisch werde es erst, wenn Menschen anfangen würden, ihre sozialen Kontakte zu Menschen durch Assistenten zu ersetzen.
Sprachassistenten taugen nicht als Seelentröster
Grundsätzlich betrachtet seien Sprachassistenten ja erst einmal nur ein weiteres Medium, um Kommunikation zu führen und Dinge zu beschleunigen, meint Prof. Andreas Dengel, Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Als Seelentröster würden sie hingegen nicht taugen.
Und zwar unter anderem deshalb, weil sie Empathie nur vorspielen und auch nur bedingt ausüben könnten, sagt Dengel. „Der Mensch benötigt auch negative Konversationen, um Empathie spüren zu können. Zwischenmenschliche Kommunikation ist vielschichtiger und vieldimensionaler als es eine Konversation mit einem Sprachassistenten sein könnte.“

Im Hintergrund hätten Hersteller bereits Patente entwickelt, die aus den Spracheingaben werberelevante Schlüsselwörter heraushören sollen, sagt die Forscherin. Über lange Zeit würden die Firmen dabei so viel wie möglich über die Kunden lernen, und daraus beispielsweise ableiten, welche Werbung wann funktionieren könnte.
Werbung könnte dann so individuell an Situationen angepasst werden, dass man gar nicht merke, dass im Grunde das eigene Verhalten manipuliert wird, warnt Görnemann. „So lange Tech-Giganten uns bis aufs kleinste Detail durchleuchten und dieser Prozess so intransparent bleibt, wie er es jetzt ist, besteht die Gefahr, dass wir uns so verhalten, wie der Hersteller es sich wünscht, und wir merken es noch nicht mal.“
Bei aller Faszination, die von Sprachassistenten ausgeht: Kinder sollten nicht zu viel mit ihnen spielen, da sich dies negativ auf ihre Kommunikationsfähigkeit auswirken könne, warnt Dengel. „Kommunikation besteht ja nicht nur aus Sprache, sondern es sind mannigfaltig nonverbale Kommunikationsformen beteiligt, wie etwa Mimik und Gestik oder auch die Spiegelung des Gegenübers. Und das lernt man bei solchen Geräten eben nicht.“
Sprachassistenten als Chancen für Senioren
Neben Risiken sieht Prof. Kappas aber auch die Chancen von Sprachassistenten. Gerade für ältere Menschen könnten sie einen Zuwachs an Freiheit bedeuten. Ein Sprachassistent könne als Begleiter bei bestimmten Themen helfen, indem er zum Beispiel an Termine erinnert oder daran, Medikamente einzunehmen, sagt der Psychologe.
„Ein natürliches Sprachinterface ist wesentlich besser geeignet für ältere Menschen, die vielleicht nicht mehr so gut tippen oder auf einen Bildschirm schauen können“, sagt Kappas. Den Sprachassistenten könne man auch einfach auffordern, jemanden anzurufen, ganz ohne Nummernsuche und Tipperei. Bei den meisten Menschen sei der Umgang mit Sprachassistenten jedoch ganz einfach spielerischer Natur.