Olympiasiegerin Angelika Bahmann (r.) zeigt Sybille Boedecker, die damals Elfte wurde, ihre Goldmedaille.
Olympiasiegerin Angelika Bahmann (r.) zeigt Sybille Boedecker, die damals Elfte wurde, ihre Goldmedaille. Imago/Karl-Heinz Stana

Die Olympiaorganisatoren ließen sich 1972 nicht lumpen. In Augsburg bauten sie für die Premiere der Wildwasser-Spezialisten einen traumhaften künstlichen Kanal. Das Wasser rauschte auf der als Augsburger Eiskanal berühmt gewordenen 660 Meter langen Strecke mit sieben Metern pro Sekunde durch das Betonbett. Die Fluten wirbelten durch den Kanal und verwandelten sich durch Betonklötze in rauschende Stromschnellen, in Wirbel und Walzen. „Durch die Prellwände entstanden Gegenströmungen, die es in der Natur nicht gibt“, erinnert sich die heute 70-jährige einstige Starkanutin Angelika Bahmann.

Bei den Spielen von München tanzte die damals 20 Jahre alte Sportlerin vom SC DHfK Leipzig über die tückischen Wellen, als handele es sich um ein gebohnertes Parkett. Am Ende konnte der aus dem vogtländischen Plauen stammenden Angelika keine Konkurrentin das Wasser reichen. Nach dem Sieg fand die Abiturientin bedeutende Worte: „Natürlich sind die Medaillen der Lohn des Einsatzes eines jeden Sportlers, seiner Technik und Taktik und seiner Moral. Aber zugleich erscheint mir meine Goldmedaille als Zeichen des Dankes an alle, die mir den Weg ebneten.“

Die DDR baute die Olympiastrecke in Sachsen einfach nach

Damit meinte Angelika damals neben dem Trainer und den Betreuern auch die Architekten und Betonspezialisten des Augsburger Eiskanals – und jene an der Zwickauer Mulde. Die Sachsen zauberten nämlich in kürzester Zeit eine 300 Meter lange Kopie des olympischen Eiskanals in die Natur. Wer heute die einstige olympische DDR-Trainingsstrecke sucht, wird nur ein Rinnsal vorfinden, das sich durch wild wuchernde Sträucher und Bäume schlängelt. 

50 Jahre sind eine lange Zeit. Zudem sieht im deutschen Osten die Sportlandschaft ziemlich ramponiert aus. Nur graue alte Betonwände lassen erahnen, mit welcher Wucht das Wasser dagegen klatschte.

Die damals vier möglichen Wildwasser-Olympiasiege 1972 gingen neben Angelika Bahmann an die weiteren DDR-Athleten: den leider schon verstorbenen Kajak-Fahrer Siegbert Horn, den Canadier Reinhard Eiben sowie den Canadier-Zweier Walter Hofmann und  Rolf-Dieter Amend (verstorben).

Angelika knetete nach der Karriere die Bob-Sportler

In den wackligen Kajak wurde Angelika von ihrem Vater Peter in Plauen gesetzt. Dem damaligen Trainer Jochen Lenz fiel das Talent des Mädchens sehr schnell auf. „Ich wurde dann nach der zehnten Klasse nach Leipzig delegiert. Da die Sportschulen erst im Aufbau waren, zog ich an einer ganz normalen EOS bis zum Abitur durch“, erinnert sich die heutige Sportseniorin. Nach ihrem Olympiasieg, drei Weltmeistertiteln und weiteren Medaillen stieg die junge Frau 1977 nach dem Gewinn einer WM-Silbermedaille aus dem Kajak. „Als ausgebildete Physiotherapeutin begann ich beim ASK Oberhof und war für die Bobfahrer verantwortlich“, erklärt die einstige Goldkanutin. „Mit Angelika haben wir uns gut verstanden. Sie wusste, worauf es im Leistungssport ankommt“, bestätigte uns vor wenigen Tagen bei unserem Besuch Meinhardt Nehmer (82) auf der Insel Rügen.

An der Ostsee hat es für Angelika auch rums gemacht und Amor schlug zu. „Bei einem Ostsee-Urlaub lernte ich meinen Mann Rainer kennen. Es war sofort die große Liebe“, gesteht Frau Bahmann. 1979 wurde geheiratet. „1981 kam unser Sohn Christian und 1983 unsere Tochter Beate zur Welt.“ Christian führte die Tradition der Mutter fort und brachte vom wilden Wasser in Penrith (Australien) 2005 eine WM-Goldmedaille mit.

2008 waren Mutter und Sohn in Peking noch einmal bei Olympia als technische Berater gefragt. Heute arbeitet Christian als Schweizer Nationaltrainer. Tochter Beate betreibt im Nikolaiviertel und am Gendarmenmarkt Geschäfte für Erzgebirgskunst. In Plauen wiederum öffnete unmittelbar nach der Wende 1990 die Bahmann-Physio-Praxis, die von der einstigen Topsportlerin noch lange nach dem Eintritt ins Rentenalter betrieben wurde. Seit vergangenem Freitag ist Urlaub am italienischen Garadesee für das seit 43 Jahren verheiratete Ehepaar angesagt. Angelika schwärmt: „Dort haben wir Wasser, Berge und ein schönes Hotel.“

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