Florian Hübner durfte gegen RB Leipzig noch mitspielen, aber wurde danach für zwei Spiele gesperrt.
Florian Hübner durfte gegen RB Leipzig noch mitspielen, aber wurde danach für zwei Spiele gesperrt. Foto: imago images

Fußball wird nach Regeln gespielt. Das bläut man schon den Kleinsten, den Minis, ein. Diese Regeln sind einfach. Eigentlich. Darüber hinaus gibt es in diesem Sport, der seinem Namen nach zumeist mit den Füßen gespielt wird, aber auch ungeschriebene Gesetze. Um die zu befolgen, braucht es ab und an ein anderes Körperteil, mit dem man zwar fulminante Treffer erzielen kann, das vor allem aber zum Denken geschaffen ist: den Kopf.

Derartige ungeschriebene Gesetze zum Beispiel sind: Liegt ein Gegenspieler verletzt am Boden, spiele den Ball bewusst ins Seitenaus; wirf danach den Ball zu dessen Team zurück; fordere für einen Gegenspieler nie eine Bestrafung, selbst wenn das Foul, das er begangen hat, dich noch so sehr nervt. Bei all dem gibt es enormes Steigerungspotenzial: in Deutschland, in der Bundesliga, und ganz sicher auch beim 1. FC Union. Vorbildfunktion, Sie wissen schon.

Weitere ungeschriebene Gesetze sind auch, dass das, was in der Kabine besprochen wird, in der Kabine bleibt. Unbedingt. Und, was bis zur vorigen Woche vielen nicht bewusst war und was Leverkusens Kerem Demirbay, ein deutscher Nationalspieler, klar ausgesprochen hat: Auf dem Platz bleibt auf dem Platz! Das gilt, es ehrt ihn umso mehr, auch nach einer in fast letzter Minute erlittenen 0:1-Niederlage in Köpenick.

Viel Heu für eine Beleidigung

Damit bin ich bei der Sanktion gegen Florian Hübner. Unions Abwehrmann hat das Match in Augsburg verpasst und muss auch im Heimspiel am Sonnabend in der Alten Försterei gegen Mönchengladbach zuschauen: zwei Spiele Sperre und 20.000 Euro Geldstrafe. Das ist viel Heu für eine Beleidigung. Eine dazu, die so richtig nicht einmal greifbar ist und dennoch für derart viel Wirbel gesorgt hat, dass man sich, ich bin rot-weiß gefärbt, ich weiß, fragt: Haben die beim DFB – zumal alles auf angeblichem Hörensagen beruht, nur will es am Ende keiner so richtig gehört haben und auch von der anderen Seite wird behauptet, alles sei im grünen Bereich und erledigt – nichts Besseres zu tun? Vielleicht sollte lieber darüber nachgedacht werden, einen Spieler, der einen anderen vorsätzlich grob verletzt, so lange zu sperren, bis der Verletzte wieder einsatzfähig ist. Das wenigstens wäre sichtbar und abschreckend.

Herunterspielen ist nicht mein Ding, wirklich nicht. Was verkehrt läuft, muss geahndet werden, klare Sache. Was aber habe ich nicht alles selbst schon erlebt, wenn ich auf dem Platz stand. Mit „Du blöder Sachse“ haben sie mich beschimpft, als ich nach meinem Studium nach Berlin kam und beim 1. FC Union spielte. Und das nur, weil ich aus Zwickau kam. Gehört hat man draußen nichts. Weder die Beleidigung noch mein angebliches Sächsisch. Schließlich hatte ich an der Uni Sprecherziehung. Die dortige Frau Taube hat mir das gleen weng Sägsch, das in mir steckte, locker ausgetrieben. Dabei bin ich gar kein Sachse. Wie aber sollte „Du blöder Oberschlesier“ klingen. Da muss man beim Lesen in die nächste Zeile hüpfen oder gar umblättern.

An beleidigte Leberwurst habe ich nie gedacht. Höchstens daran, ein Tor mehr zu schießen und das Spiel zu gewinnen. Erst recht viel später, ja, nach der Wende, als ich in den Oldie-Teams des Grünauer BC und von Altglienicke kickte. Einige Male kamen tatsächlich Wörter wie Stasi, Essen mit Messer und Gabel, Asbestwohnungen. Klischees, logisch. Aber kann man tatsächlich so dämlich sein? Mehr als „Was bist du nur für ein armes Würstchen“ blieb mir nicht. Gilt das schon als Beleidigung? Vor allem, was Florian Hübner strafmildernd angerechnet wird, nach einer Provokation? Hätte ich mich aufgeplustert, wäre mir womöglich ein hämisches „Heul doch!“ hinterhergeflogen. Spätestens seit Andreas Möller aber weiß man: Heulsusen haben es nie leicht. Erst recht nicht im Fußball.

Erinnerungen an Zinedine Zidane

Leute, Ball flach halten! Fußball ist – um nicht noch tiefer ins Fettnäpfchen zu treten: auch manche Frau kann ziemlich ordentlich kicken – doch eher ein Spiel für Kerle. Laut sagen wird es wohl niemand, aber sehen es nicht alle Trainer gern, zumindest einen Verbal-Rüpel im Team zu haben? Nur sollten sie nicht nur austeilen, sondern ebenso einstecken können.

Passiert so etwas, muss ich im Gegenteil immer an Zinedine Zidane denken, den großen Franzosen. Dumm gelaufen, als ihn der Italiener Marco Materazzi erst am Trikot festhält, Zidane ihm, diese Größe muss man erst einmal haben in einem WM-Finale, bei dem es beim Stande von 1:1 zehn Minuten vor Ablauf der Verlängerung um alles geht, verspricht, sein Trikot nach dem Spiel haben zu können, Materazzi darauf, dass ihm Zidanes Schwester lieber sei … Der Rest ist Legende: hier Kopfstoß, Rote Karte, Ende einer grandiosen Karriere, zweiter WM-Titel futsch; da Triumph, sportlicher Höhepunkt, Weltmeister. Ist das gerecht?

Also: Bleibt fair! Bleibt anständig! Und zeigt nicht immer nur auf den anderen.