Tokio nicht der Tiefpunkt: Trübe Aussichten für Paris 2024

Sport-Boss klagt nach Olympia-Debakel: „Leistung zählt nicht mehr“

Die magere Medaillen-Ausbeute in Tokio befeuert die Debatte über Ausrichtung und Strukturen im deutschen Leistungssport. Doch die Aussichten sind trübe.

Teilen
Nicht nur die Handballer gingen bei Olympia leer aus. Deutschland holte in Tokio in keiner (!) Ballsportart eine Medaille. 
Nicht nur die Handballer gingen bei Olympia leer aus. Deutschland holte in Tokio in keiner (!) Ballsportart eine Medaille. Imago

Schneller, höher, weiter! Hieß es mal. Doch vom olympischen Motto war bei Deutschlands Athleten bei den Spielen in Tokio nur noch wenig übrig. Triathlon-Präsident Martin Engelhardt begründet die schlechteste Medaillen-Ausbeute seit der Wiedervereinigung mit der fehlenden Anerkennung des Leistungssports.

„Die Bedeutung des Leistungssports in unserer Gesellschaft hat dramatisch abgenommen“, erklärt der Chef der Deutschen Triathlon Union (DTU) und kommt zum knallharten Fazit: „Der Leistungsgedanke ist, wenn man wissenschaftliche Befragungen im Ländervergleich anguckt, in Deutschland im Keller.“

Viel Kritik an DOSB-Boss Alfons Hörmann

Triathlon-Präsident Martin Engelhardt bemängelt den fehlenden Leistungsgedanken und malt für die Zukunft eine düsteres Bild. 
Triathlon-Präsident Martin Engelhardt bemängelt den fehlenden Leistungsgedanken und malt für die Zukunft eine düsteres Bild. dpa

Von daher verwundere es nicht, dass auch keine neuen Hoffnungsträger in Sicht seien. Engelhardt: „Sie brauchen für einen großen Pool an Talenten eine gewisse Begeisterung für den Leistungssport. Und die ist in Deutschland derzeit nicht vorhanden.“

Der 61-jährige Orthopäde fordert einen kompletten Neuanfang: „Wir brauchen ein umfassendes Sportprogramm für alle, um in der Bevölkerung überhaupt wieder Sportbegeisterung herbeizuführen und auch die Zustimmung für den Sport zu bekommen.“ Engelhardt, der als ein Kritiker des scheidenden DOSB-Chefs Alfons Hörmann gilt, weiter: „Und das geht nur, wenn Sie eine glaubwürdige Führung haben.“

Schwimm-Ikone Michael Groß sieht es genauso: „Der Tanker DOSB ist viel zu träge, um schnell und gezielt auf die Bedürfnisse der einzelnen Sportarten einzugehen.“ Der zweifache Goldmedaillengewinner forderte die Einrichtung einer nur für den Hochleistungssport zuständigen Organisation wie es das 2006 im DOSB aufgegangene Nationale Olympische Komitee (NOK) war.

Tokio nicht der Tiefpunkt: Trübe Aussichten für Paris 2024

Deutschlands Gold-Hoffnung Johannes Vetter kam in Tokio nicht zurecht und wurde im Speerwurf nur Neunter. 
Deutschlands Gold-Hoffnung Johannes Vetter kam in Tokio nicht zurecht und wurde im Speerwurf nur Neunter. dpa

Ob es in Paris 2024 wieder mehr als die 31 in Tokio gewonnen Medaillen zu holen gibt? Eher nicht. Denn durch die Corona-Pandemie sind auch die weiteren Aussichten trübe. Die vielerorts gestörte Vereinsarbeit, der massive Schwund von Mitgliedern und das teils erlahmte Engagement im Ehrenamt lässt kaum auf eine wachsende Zahl olympischer Talente hoffen.

Tokio wird wohl leider noch nicht der Tiefpunkt in Deutschlands Olympia-Bilanz gewesen sein...