Leipzigs Lucas Krzikalla steht zu seiner Homosexualität – und ärgert sich über Philipp Lahm
Der 28 Jahre alte Handballer macht Schluss mit dem Versteckspiel und als erster aktiver Mannschaftssportler in Deutschlands Profiligen seine Homosexualität öffentlich.

Es sollte längst Normalität sein und somit eigentlich gar keine Nachricht wert. Aber so weit scheint die Gesellschaft beim Thema Homosexualität, noch immer nicht zu sein. Das spürte auch Lucas Krzikalla. Doch Leipzigs Handballstar wagte sich nun aus der Deckung, beendete sein jahrelanges Versteckspiel und machte seine e Homosexualität als erster aktiver männlicher Mannschaftssportler in Deutschlands Profiligen öffentlich.
Krzikallas Freund Chris steht auf der „Spielerfrauen-Liste“
„Ich will für das stehen, was ich mache, und nicht über meine Sexualität definiert werden“, sagte Krzikalla der Welt am Sonntag und spricht dabei von einem der „wichtigsten Schritte in meinem Leben“. Krzikalla: „Heute kann ich es hier ganz klar sagen: Ich bin schwul, ich habe einen Freund, den ich liebe, und ich bin sehr glücklich darüber.“
Was ihn nun dazu bewogen hat? Krzikalla hat genug vom Versteckspiel, vor der Heimlichtuerei und möchte für viele Homosexuelle Vorbild sein. Ein Vorbild, das der langjährige Bundesligaspieler selbst nie hatte. Der frühere Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hatte sein Coming-Out etwa nach der Karriere gegeben.
Krzikalla stellt klar: „Die Sexualität, wer wie leben will, muss einfach egal sein - in jedem Beruf. Und damit sich endlich etwas ändert, müssen wir Profisportler jetzt auch selbst etwas unternehmen. Die Veränderung muss auch von innen kommen, aus dem Sport selbst. Nach Jahren der Diskriminierung haben wir, wenn wir alle den Mut haben, jetzt die Chance, tatsächlich ein für alle Mal etwas zu ändern. Jedes Coming-out ist eine große Befreiung.“ Das Interview sei sein Beitrag dazu, sagte Krzikalla.
Coming-Out: Lucas Krzikalla schneller als Thomas Hitzlsperger
Und so äußerte Krzikalla in der MDR-Dokumentation „Aus der Deckung“ seine große Hoffnung: „Vielleicht wird es den ein oder anderen ermutigen, offener damit umzugehen und kein Versteckspiel mehr zu betreiben.“ Allein von fünf Handballspielern in der ersten und zweiten Liga wisse er, „die es vielleicht innerhalb der Mannschaft erzählen, aber Angst haben, mit einem Coming-Out ihrer Karriere zu schaden“.
Teamkollegen und Manager unterstützen Lucas Krzikalla

Im Handball kommt der für den Sport möglicherweise wegweisende Schritt gut an. Karsten Günther sieht in Krzikalla ein „absolutes Vorbild: Es kann ein positiver Aspekt dieser Nummer sein, dass nochmal allen klar wird, wir können mit Vorurteilen vielleicht mal brechen“, sagte der Teammanager der Leipziger im Sportradio Deutschland. Günther weiter: „Ich hoffe, dass dieser Schritt dazu beiträgt, dass man sich in Zukunft darüber gar keine Gedanken mehr machen muss, und dass viele Leute dem Beispiel folgen.“
Günther hatte Krzikalla vor knapp einem Jahr angeboten, dessen Freund auf die „Spielerfrauen-Liste“ zu schreiben, wie der Handballer berichtete. „Ich habe mich wirklich sehr über das Gespräch gefreut und darüber, dass Chris so herzlich aufgenommen wurde, auch von allen Spielerfrauen.“ Günther sagte dem MDR: „Das war am Ende ein sehr emotionaler und befreiender Moment, da hatten wir auch beide ein Tränchen im Auge.“
Und auch DHB-Präsident Andreas Michelmann freut die Nachricht „für den Menschen Lucas Krzikalla und sein gesamtes Umfeld. Sein Outing zeugt im besten Sinne des Wortes von einem gesunden Selbstbewusstsein“, sagte der Verbandschef. Er hofft sehr, „dass solch ein Schritt in unserer Gesellschaft in absehbarer Zeit einfach als sehr normal angesehen wird, denn es geht immer um den Menschen.“
Lucas Krzikallas Coming-Out: Erst der Familie, dann der Öffentlichkeit
Familie, Freunde und Mitspieler: Krzikallas Coming-Out begann im Kleinen. „Das war dann glaube ich schon eine Erlösung für ihn“, erzählt der Leipziger Teamkollege Alen Milosevic. Fortan grübelte Krzikalla über der Frage, ob und wann er an die Öffentlichkeit gehen sollte. Der 28-Jährige erinnert sich an Partys, auf denen er mit Mädchen nur quatschte, um den Schein zu wahren. Jetzt war die Zeit reif.
„Wie lange noch das ewige Verstellen, die Lügerei, und für wen denn überhaupt?“, schildert Krzikalla, der in Leipzig auf fast 200 Bundesliga-Spiele und knapp 500 Tore kommt, seine Gedanken. Auch wenn Mitspieler Milosevic mit „vielen, vielen Kommentaren“, auch viel Negativem auf Social Media rechnet - Krzikalla ficht das nicht an. „Idioten, die dumme Sprüche machen, wird es immer geben“, sagt er. Das Versteckspiel hat für ihn endlich ein Ende.
Lucas Krzikalla kritisiert Philipp Lahm
Der Handballer berichtete aber auch von Schwierigkeiten und Vorurteilen im Profisport. „Es gibt so viele Vorbehalte: Schwule seien zu verweichlicht für den harten Kontaktsport, sie seien weniger stark als Heterosexuelle. Die Leute wollen Muskeln, Härte, Löwenschreie, Abklatschen. Sie wollen – despektierlich gesagt – keinen Tuntensport“, sagte er. Geholfen hätten ihm Vorbilder wie der Volleyballer Benjamin Patch oder der brasilianische Fußball-Schiedsrichter Igor Benevenuto mit ihren Coming-outs.
Kritik äußerte Krzikalla an der Aussage des früheren Fußball-Nationalspielers Philipp Lahm, der Fußballern von einem Coming-out abgeraten hatte: „Das finde ich total daneben. Wir Sportler sind Vorbilder für viele, wir sind es, die etwas bewegen können.“
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