Krawalle in Nizza

1. FC Köln: Trainer Steffen Baumgart schockiert über nackte Gewalt und Absturz eines Fans

Nach der Rückkehr vom Conference-League-Spiel in Frankreich gewährte der sichtlich aufgewühlte Ex-Union-Star tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt.

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Kölns gesperrter Trainer Steffen Baumgart - links seine Frau Katja, hinter ihm seine Töchter Fiona und Emilia  - musste von einem Tribünenplatz auf die Krawalle schauen.
Kölns gesperrter Trainer Steffen Baumgart - links seine Frau Katja, hinter ihm seine Töchter Fiona und Emilia - musste von einem Tribünenplatz auf die Krawalle schauen.dpa/Friso Gentsch

Es hatte ein Festtag werden sollen. Es wurde eine Nacht der Schande für den deutschen Fußball. Über 8000 Fans hatten den 1. FC Köln zum Conference-League-Spiel in Nizza  nach Frankreich begleitet.  Es hätte  ein Highlight in der Klubgeschichte sein sollen, denn die  Anhänger der Geißböcke feierten tagsüber zu Tausenden friedlich und lautstark an der Cote d'Azur. Im Stadion drehten dann allerdings einige Chaoten, offenbar unterstützt von Hooligans von Paris St. Germain, völlig durch. Der nach einer Gelb-Roten Karte aus den Play-offs gesperrte Kölner Trainer Steffen Baumgart wurde auf der Tribüne Augenzeuge  einer Gewaltorgie.

Am Tag nach den schweren Krawallen beim 1:1 in Nizza  zeigte sich Baumi stark mitgenommen. „Ich halte mich nicht für den ängstlichsten Menschen“, sagte der 50-Jährige am Freitagmittag am Kölner Geißbockheim: „Aber ich glaube, ich brauche eine ganze Weile, um das zu verarbeiten. Das wird mich lange begleiten.“

Was er vor dem Anpfiff des Spiels  erlebte, „war einfach nackte Gewalt. Das ist schon beängstigend, meine Familie war ja auch auf den Plätzen. Ich war genauso fassungslos wie ganz viele andere Menschen“, so Baumgart, der mit seinen Geißböcken am Sonntag seinen Lieblingsklub 1. FC Union (15.30 Uhr/DAZN) erwartet.

Baumgart war mit der Familie auf der Tribüne

Baumgart befand sich zusammen mit seiner Frau Katja und den Töchtern Emilia und Fiona  in einer Loge, als die Situation eskalierte. Er sah daher aus nächster Nähe, wie sich rund 50 Vermummte aus dem Kölner Block auf den Weg zu den Heim-Fans machten. Sie schossen Bengalos auf Ordner und Fans, E-Scooter und Sitzschalen flogen.

„Ich dachte, dass ich dagegenwirken kann und habe es auch versucht“, sagte Baumgart, „aber die haben durch mich durch geguckt.“ Nur wenige Ordner stellten sich in dieser Phase weit vor Anpfiff in den Weg, Polizei war noch nicht im Stadion, die Lage eskalierte dann schnell. „Wir sind auch selbst in den VIP-Raum gegangen, um geschützt zu sein“, so der Köln-Trainer. 

„Ich glaube, dass man es hätte verhindern können“, sagte Baumgart, die Sicherheitsmaßnahmen seien „nicht ausreichend“ gewesen. Es sei nun Aufgabe beider Vereine, alles gemeinsam aufzuarbeiten. „Ich konnte das noch gar nicht verarbeiten. Das ist nicht einfach, da kannst du nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“

Die französische Justiz Vorermittlungen aufgenommen. Sie wolle Videomaterial analysieren, um die Täter zu identifizieren, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Ermittelt werde unter anderem wegen Gewalt und Sachbeschädigung. Zunächst wurde noch niemand in Polizeigewahrsam genommen.

Gestürzter Fan ist außer Lebensgefahr

Insgesamt wurden 32 Menschen verletzt, ein Franzose - angeblich ein Anhänger von PSG -  stürzte vom Oberrang in die Tiefe, soll mittlerweile aber außer Lebensgefahr sein. „Ich habe den jungen Mann da runterstürzen sehen, da bist du einfach nur geschockt“, sagte Baumgart. Für Baumgart war es zudem eine traurige Premiere, „mein erster internationaler Auftritt als Trainer. Das wird für immer damit verbunden sein.“

Auch der Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, erwähnte auf Twitter ein „skandalöses Verhalten der Fans des 1. FC Köln und fehlenden Respekt gegenüber der Stadt, die sie großzügig empfangen hat“. Er kündigte an, Entschädigungen vom 1. FC Köln zu fordern.

Mehreren Quellen zufolge hatten sich als Kölner Fans getarnte Hooligans in den Gästeblock geschmuggelt. Mehrere Hundert von ihnen, die sich rot-weiß vermummt hatten, stürmten von der Gasttribüne auf eine andere Tribüne und prügelten sich dort mit Fans des OGC Nizza.

Zu Beginn des Spiels hatte eine Ultra-Gruppe von Fans des Pariser Klubs PSG auf der Gasttribüne ein Transparent enthüllt. Zwischen den Ultra-Fans des PSG und des 1.FC Köln bestehen seit Jahren enge Beziehungen. Der PSG verurteilte am Freitag die Gewalt während des Spiels und wies darauf hin, dass der Ultra-Club Supras Auteuil seit 2010 aufgelöst sei.

Die Gewaltexzesse weckten zudem Erinnerungen bei Baume. Anfang der 1990er-Jahre sei er „in der Bereitschaftspolizei“ gewesen, „und genau aus diesen Gründen bin ich dort ausgeschieden, weil ich so etwas nicht erleben wollte. Es ist nicht einfach für mich, damit umzugehen.“

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