Fußball ist unser Leben, doch König Fußball hat den Hass satt
Der DFB und die ersten Klubs zeigen Haltung und wollen endlich gegen Rassismus und die bundesweiten Schmähungen gegen Hoffenheim-Mäzen Diemtar Hopp vorgehen.

Sinsheim/Berlin - Es ist der traurige Höhepunkt eines seit Jahren brodelnden Streits. Bundesweit sorgen sogenannte Fans mit Anfeindungen gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp (79) für einen Skandal. Dass es nicht ein schwarzer Tag für die Bundesliga wurde, lag an der starken Aktion der Bayern- und TSG-Spieler, die aus Protest 13 Minuten lang nur noch den Ball hin- und her schoben. König-Fußball hat den Hass satt!
So etwas gab es in der Bundesliga-Geschichte noch nie! 22 Spieler in den Farben Rot und Blau getrennt, aber in der Sache vereint: Die Profis von Hoffenheim und Bayern stellten sich gemeinsam gegen die Straftäter in der Bayern-Kurve. In der schwersten Stunde des Fußballs wurden aus sportlichen Gegnern Verbündete. „Wir spielen immer. Sogar bei Wind und Wetter“, trällerten einst die DFB-Spieler vor der WM 1974. Das starke Signal jetzt: Bei Hass hört der Sport auf.
Was war passiert? Beim 6:0-Sieg des FC Bayern bei der TSG wurde die Partie gemäß des Drei-Stufen-Plans wegen beleidigender Plakate gegen Hopp zweimal unterbrochen. Danach kam es zu der historischen Solidarisierung.
Auch in Köln, Dortmund und bei Union (siehe S. 20-21) traten Hopp-Hasser auf. Auffällig: Nach der Stadiondurchsage beim BVB wurden die Schmähgesänge kurzzeitig noch lauter.
BVB-Fans suchen Eskalation
Grund für die Eskalation ist eine vom DFB gegen den BVB verhängte Kollektivstrafe. Zwei Jahre Auswärtsverbot für Dortmund-Fans bei der TSG. „Alles bleibt beim Alten: Der DFB bricht sein Wort“, stand auch auf den Bannern.
Dabei vergessen die Ultras: Der DFB hatte den Verzicht auf Kollektivstrafen nur auf Bewährung ausgesetzt. Da einige BVB-Fans vor Weihnachten bei der TSG die Situation bewusst eskalieren ließen, indem sie mehrfach Hopp verunglimpften, hatte der DFB keine andere Wahl.
Der SAP-Gründer und Multi-Milliardär gilt für manche als Paradebeispiel für die ungeliebte Kommerzialisierung des Fußballs. Unabhängig von oft dubiosen Finanzgeflechten bei den eigenen Clubs ...
Was dabei ignoriert wird: Hoffenheims einstiger Kreisliga-Stürmer spendete bisher fast eine Milliarde Euro für gemeinnützige Zwecke. Zuletzt 300 Millionen Euro für das Heidelberger Krebszentrum. „Wenn man so reich geworden ist wie ich, dann hat man die Verpflichtung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Es ist an so vielen Stellen bitter nötig, Menschen zu unterstützen. ,Eigentum verpflichtet‘, steht im Grundgesetz. Reichtum noch viel mehr!“, sagte Hopp zuletzt.
DFB-Präsident appelliert an Klubs
DFB-Präsident Fritz Keller hofft, dass der Tiefpunkt zum Wendepunkt wird. Keller appelliert an die Klubs, die Kartenvergabe an Ultras genauer zu prüfen – und an die wahren Fans, Zivilcourage zu zeigen.
Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge will anhand von Videomaterial die Täter finden und aussperren: „Wir werden mit aller Schärfe vorgehen. Wir haben viel zu lange die Augen zugemacht, was in vielen Kurven passiert.“
Das muss aber nicht nur für die Hopp-Hasser gelten, sondern insbesondere auch dem wieder aufflammenden Rassismus, den unter anderen Hertha-Profi Jordan Torunarigha auf Schalke erlebte.
Schalke will Spiel abbrechen
Erste Maßnahme: Um die Straftäter in Sinsheim zur Rechenschaft zu ziehen, richtete die Polizei Mannheim eine Ermittlungsgruppe ein.
Den Finger in die Wunde legte Freiburg-Coach Christian Streich. „Was in diesem Land in den in punkto Hetze, in punkto Anschläge auf Politiker, auf jüdische Einrichtungen und auf eine türkische Shisha-Bar passiert ist, ist extrem gefährlich. Da kommen irgendwann Verrückte auf die Idee zu sagen: ,Wir schreiten zur Tat‘“, warnte er vor der nächsten Eskalationsstufe.
Streich weiter: „Wenn du siehst, wie das politisch von einer gewissen Partei instrumentalisiert wird, dann muss ich sagen: Wehret den Anfängen.“ Diese Hetze sei nicht hinnehmbar. „Die Menschen in diesem Land lieben den Fußball. Und der Fußball hat eine wichtige Funktion.“
Diese will Schalke nun wahrnehmen. Sollte es zu solchen Vorkommnissen kommen, „wird unser Team den Platz verlassen – ungeachtet der Spieldauer, des Resultats oder etwaiger Konsequenzen“, teilte der Klub am Sonntag mit. „Die Werte unseres Vereins lassen keinerlei Spielraum für Toleranz angesichts von Hass, Intoleranz und Diffamierung.“