Ein selten gewordenes Bild: Ulli Wegner sitzt in seinem Keller und blättert in einem seiner vielen Schätze.
Ein selten gewordenes Bild: Ulli Wegner sitzt in seinem Keller und blättert in einem seiner vielen Schätze. Imago

Ein bisschen versteckt wohnen die Wegners im Norden Berlins. Box-Trainer Ulli und seine Frau Margret laden gerne ein. Erste Station beim Besuch ist das Wohnzimmer. Aber meist nicht lange. Denn darunter befindet sich Ullis Schatzgrube. Dort ist in Form von Bildern, Pokalen, Video- und Sportutensilien nicht nur Wegners Lebensgeschichte. Dort lagern deutsche Box- und Sportgeschichte sowie viele Unikate und Exponate von zahlreichen Berühmtheiten wohlsortiert. Praktisch ruht unterm Sofa ein wahrer Schatz. Aber der Box-Trainer kann sich zwei Oberschenkel-Halsbrüchen nicht mehr so wie früher um diesen Schatz der deutschen Sportgeschichte kümmern.

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„Ich würde meine Sammlung gern der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Vielleicht finden sich Interessenten. Es handelt sich vielfach um einzigartige Unikate.“ Die Stimme des einstigen Haudrauf klingt irgendwie ängstlich, als fürchte er, die schöne Sammlung könnte unbeachtet bleiben.

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Ullis Sportleben ist deutsche Boxgeschichte. Ab 1971 coacht er die Stars der Szene. Erst im Amateurlager Ulli Kaden, Jürgen Fanghänel, Stefan Förster, Jürgen Voigtländer, Siggi Martin, Frank Rauschnik, führt zum Schluss 1996 die Berliner Oktay Urkal und Thomas Ullrich zu olympischen Medaillen. Als Profi-Coach knallt es Weltmeistertitel in Serie. Sven Ottke, Arthur Abraham, Marco Huck oder Marcus Beyer. Alle haben ihren Platz in Ullis Keller. Natürlich lässt sich in Wegners Schatzkammer auch die Entstehung seines Buches „Ulli Wegner“ und des Films „13 Runden“ nachvollziehen.

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Ulli Wegners Trainer-Karriere startete 1971

Ullis Sportleben ist deutsche Boxgeschichte. Ab 1971 coacht er die Stars der Szene. Erst im Amateurlager Ulli Kaden, Jürgen Fanghänel, Stefan Förster, Jürgen Voigtländer, Siggi Martin, Frank Rauschnik, führt zum Schluss 1996 die Berliner Oktay Urkal und Thomas Ullrich zu olympischen Medaillen. Als Profi-Coach knallt es Weltmeistertitel in Serie. Sven Ottke, Arthur Abraham, Marco Huck oder Marcus Beyer. Alle haben ihren Platz in Ullis Keller. Natürlich lässt sich in Wegners Schatzkammer auch die Entstehung seines Buches „Ulli Wegner“ und des Films „13 Runden“ nachvollziehen.

Und dann geht es auch schon in die Schatzkammer. Neben der Küche führt eine Treppe in den Keller. Weinverkostung? Denkste! Bereits nach zwei Stufen tauche ich in eine Traumwelt ab. Pokale, Siegerschleifen, Fotos mit Autogrammen von Max Schmeling, Henry Maske, Muhammad Ali und Manfred Wolke.

Sven Ottke hat Ulli Wegner viel Freude bereitet

Zwei Stufen tiefer stehe ich vor einem Foto: Sven Ottke und Ulli Wegner. Der Trainer wird oben an der Treppentür richtig melancholisch: „Sveni hat mir viel Freude bereitet. Er weiß, was es bedeutet, in der Weltspitze mitzuhalten. Er erhielt von Gerhard Bubi Dieter im früheren Westberlin schon eine gute Ausbildung, hat dann zahlreiche Turniere geboxt und war als Profi eine richtig große Nummer, ein echtes Vorbild eben.“

Unten im Raum angekommen, stehe ich in einer Schatzkammer des Sports. Es fehlt kaum ein Sportbuch deutscher Sprache. Ich halte ein Buch der Fußball-WM 1954 in der Hand. Von oben auf der Treppe zählt Wegner auf: Turek, Posipal, Kohlmeyer ...“ Und die Ungarn? „Grosics, Buzanski, Lorant...“ Danke, danke! Wegner lässt nicht locker: „Noch die Namen der ersten siegreichen DDR-Friedensfahrtmannschaft von 1953, als ich auf ein Buch von BZ-Sportreporter Adi Klimanschewski tippe. Schur, Trefflich, Meister 1, Dinter, Zawadski und Schulz.“ Donnerwetter! Das damalige Friedensfahrt-Trikot liegt gut aufbewahrt in einer Vitrine. „Dafür hatte ich in der Schule mit Mathe manchmal Probleme“, lässt der Startrainer etwas leise raus.

Ulli Wegner als Miniatur-Puppe allein und mit Arthur Abraham.
Ulli Wegner als Miniatur-Puppe allein und mit Arthur Abraham. zVg

An Wegners sportliches Tiefenwissens erinnerten sich die Veranstalter des Internationalen Neubrandenburger Fußball-Knaben-Turniers. Sie erhoben den Promi vor einigen Jahren zum Schirmherren des Turniers. „Ich habe die Aufgabe gern übernommen, denn es gibt in ganz Mecklenburg-Vorpommern kaum einen Sportplatz, auf dem ich nicht als Schüler oder in der B- und A-Jugend erst für Traktor Penkun und später für Traktor Anklam und bei den Männern für Vorwärts Rostock gespielt habe. Bei der DDR-Marine wechselte ich in Rostock vom Fußball zu den Boxern.“

Autogramme der Meister-Eisbären und eine Goldene Schallplatte von Andrea Berg

Ein paar Schritte weiter entdecken wir einen Eisbären-Schal mit allen Spieler-Autogrammen des neunmaligen deutschen Eishockeymeisters, daneben blitzt eine „Goldene Schallplatte“. Ulli, singst du jetzt auch noch? „Keine Angst, die goldene Scheibe hat mir Andrea Berg geschenkt. Sie ist eine echte Freundin von uns.“

Vielleicht 2000 oder mehr Bücher füllen die Regale dieser besonderen bibliophilen Sportbuch-Sammlung. Bücher über Weltstar Muhammad Ali mit Autogramm oder Max Schmeling stehen neben den Büchern von Henry Maske oder Mike Tyson. Dazu entdecken wir „Den Laden“ von Erwin Strittmatter.

Ulli Wegner sorgt sich sehr um die Zukunft des Boxens

„Im Keller las ich früher am liebsten. Ich griff hinter mich und hatte die wichtigsten Boxlehrbücher in der Hand. Das geht heute nicht mehr. Die Treppen sind zu gefährlich“, sagt ein etwas trauriger Boxheld. Die Zeit vergeht schnell. „Setz dich noch einmal hin“, bittet der Gastgeber und meint: „Eins muss ich noch loswerden. Ich fühle mich als Sonntagskind. Ich habe in der DDR den Trainerberuf erlernt. Das war die Grundlage für mein Leben. Die Einheit Deutschlands entpuppte sich für mich als besonderes, riesiges Glück. Nie hätte ich mich als Trainer in der ehemaligen DDR so entfalten können wie heute.“

Der unverwüstliche Ulli sieht allerdings nicht nur eitel Freude im Profiboxen: „Wilfried Sauerland war ein einfühlsamer Manager. Er hat uns viel gegeben. Wir mussten trotzdem immer wieder Weltmeister herausbringen, damit die Fans in die Hallen kamen oder vor den Fernsehapparaten hockten und die Einschaltquoten hochtreiben. Derzeit ist die Lage prekär. Wilfried hat sich zurückgezogen. Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender halten sich bis auf den MDR   heraus. Wenn uns die Fans weiter verlassen, ist das Profiboxen am Ende.“

Ulli stochert in seinem Kuchen und sagt mit ernster Miene: „Wir haben in Deutschland talentierte Boxer und Boxerinnen. Sie müssen intensiv und systematisch gefördert werden, damit sie uns nicht verloren gehen.“

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