Matthias Große will Eisschnelllauf-Präsident werden.
Matthias Große will Eisschnelllauf-Präsident werden. Matthias Koch

Am Sonnabend wählen die Mitglieder der Deutschen Eisschnelllaufgemeinschaft (DESG) in Frankfurt/Main einen neuen Präsidenten. Einziger Kandidat ist der Berliner Unternehmer Matthias Große. Am Lebensgefährten von Claudia Pechstein scheiden sich die Geister. Doch seine Wahl gilt als wahrscheinlich. Nicht nur, weil er der einzige Kandidat ist. In seinen 94 Tagen als kommissarischer Präsident gab Große Vollgas. Kaum ein Tag verging ohne Entscheidungen. Der KURIER hat Tagebuch geführt.

17.Juni: Die beiden verbliebenen Präsidiumsmitglieder Uwe Rietzke (Vize-Präsident Shorttrack) und Dieter Wallisch (Schatzmeister) unterzeichnen den Präsidiumsbeschluss, Matthias Große mit sofortiger Wirkung zum kommissarischen Präsidenten der DESG zu berufen.

18. Juni: Die DESG gibt die Berufung Großes auf ihrer Webseite bekannt. Er zeigt sich „voller Zuversicht, unter Ausschöpfung der Ressourcen meines Netzwerkes, die DESG gemeinsam mit den Verantwortlichen aus den Verbänden und Vereinen in eine sichere und erfolgreiche Zukunft führen zu können“.

19. Juni: Dr. Gerald Lutz kehrt als leitender Verbandsarzt zur DESG zurück. Lutz war 2017 nach elfjähriger Zusammenarbeit vom Verband ohne Begründung vor die Tür gesetzt worden. Große entschuldigte sich im Namen der DESG und stellt die medizinische Betreuung der Athleten, die zuletzt ohne Mediziner ins Trainingslager und zu Wettkämpfen gefahren sind, wieder her.

26. Juni: Offener Brief an alle Mitglieder, Athleten, Trainer und Betreuer sowie Freunde der DESG, in dem Große ausführlich schildert, wie er den Verband aus der Krise führen will. Kernthemen: finanzielle Konsolidierung, Optimierung der Bedingungen für den Leistungssport, Förderung des Nachwuchses, Verbesserung der internen Kommunikation.

29.Juni: Trennung von Eisschnelllauf-Bundestrainer Erik Bouwman. Der Niederländer hatte in der Vorsaison zunächst öffentlich erklärt, er habe „keinen Bock“, Claudia Pechstein zu trainieren. Anschließend hatte er Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin öffentlich als „zum Kotzen“ denunziert und war dafür vom Verband nicht sanktioniert worden.

30.Juni: Einrichtung eines Ideen- und Kummerkastens. Unter ikk@desg.de können sich Mitglieder, Trainer, Athleten, Nachwuchssportler und deren Eltern per Mail mit ihren Sorgen und Vorschlägen direkt an Große wenden.

2.Juli: Pressemitteilung zum neuen Hauptsponsor des Verbandes: B&O Gruppe, 486. Mio. Euro Jahresumsatz, 2300 Mitarbeiter. Details zum Vertrag (Laufzeit & Konditionen) sollen exklusiv für die Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung am Sonnabend folgen.

10.Juli: TV- und Hörfunk-Profi Daniel Gäsche (rbb) wird neuer Pressesprecher.

15.Juli: Stellenausschreibung Bundestrainer Eisschnelllaufen Damen/Herren.

22.Juli: Auf Einladung von Shorttrack-Bundestrainer Stuart Horsepool steht Große in Dresden den Athleten samt Trainerstab Rede und Antwort.

24.Juli: Besuch der Eisschnellläufer im Trainingslager in Inzell. Große erläutert in intensiven Gesprächsrunden zunächst den Sprintern, dann den Mehrkämpfern seine Vorstellung zur Neuausrichtung des Verbandes.

27.Juli: Große gibt bekannt, dass die erfolgreichste Eisschnellläuferin des 20. Jahrhunderts, Gunda Niemann-Stirnemann, und Andreas Behr als Performance Manager die Trainingskoordination der neuformierten Damen- und Herrenteams für die Mannschaftswettbewerbe übernehmen. Im Jahr zuvor hatte die DESG unter Bundestrainer Bouwman komplett auf Starts verzichtet. Niemann-Stirnemann erleichtert: „Endlich stellen wir bei Frauen und Männern wieder Teams auf. Wir dürfen keine Scheu zeigen, wenn wir international dabei sind und wieder eine Rolle spielen wollen.“ Claudia Pechstein und Patrick Beckert werden zu neuen Teamkapitänen ernannt.

28.Juli: Stellenausschreibung Leistungssportreferent Shorttrack

28.Juli: Stellenausschreibung Bundestrainer-Assistent Shorttrack

31.Juli: Die ehemalige Olympiateilnehmerin Bente Kraus wird Koordinatorin des Ideen- und Kummerkastens. Grund: Die vielen Mails können von Große alleine nicht mehr bewältigt werden.

3. August: Die „Task-Force Aufklärung und Transparenz“ nimmt ihre Arbeit auf. Die fünfköpfige Arbeitsgruppe soll Fehler in der Verbandsarbeit aus den Vorjahren analysieren. Große: „Es ist meine erste Pflicht als Verbandspräsident, das Vermögen der Mitglieder zu schützen. Und alle Vorgänge aus der Vergangenheit, die nicht gesetzeskonform waren oder vereinsrechtlich gegen gültige Statuten verstoßen haben, aufzudecken.“ Erste Ergebnisse sollen auf der Mitgliederversammlung präsentiert werden.

5. August: Ex-Eisschnellläufer Frank Dittrich, Mehrkampf-Vizeweltmeister von 1997 und jetzt Marketingexperte des ehemaligen DESG-Hauptsponsors DKB, steht dem Verband als Marketingberater zur Verfügung, um Sponsoren zu gewinnen und zu pflegen.

8. August: F&F Lasertechnik wird „Offizieller Sponsoringpartner der Deutschen Eisschnelllauf Gemeinschaft für Technik und Innovationen“. Das Unternehmen aus Neustadt in Holstein hat sich zuvor internationale Reputation erarbeitet, weil es mit seiner Hightech-Präparation der Kufen von Claudia Pechstein dazu beigetragen hat, dass die mittlerweile 48-Jährige immer noch in der Weltspitze mitmischen kann.

10. August: Der Verband trennt sich von Matthias Kulik. Der Sportdirektor hatte im Januar 2020 angekündigt, unter der Verbandsführung Großes „nicht weiter wirksam“ zu werden, aber nach dessen Kooptierung ins Präsidentenamt selbst keine Konsequenzen gezogen.

12. August: Vier Kleinbusse, die die Unternehmensgruppe Matthias Große den Leistungszentren der DESG bereitstellen möchte, sind bereits im Verbands- und Sponsorenlook gebrandet, warten nur noch auf die Zulassung.

13. August: Nadine Seidenglanz wird Generalbevollmächtigte des kommissarischen Präsidenten für den sportfachlichen Bereich und übernimmt somit die Aufgaben des freigestellten Sportdirektors. Seidenglanz war zuvor zehn Jahre lang im Management des niederländischen Eisschnelllauf-Verband KNSB beschäftigt.

14. August: Große stellt sein Konzept „Kufenträume 2022 – 2026" vor und verspricht in Kooperation mit B&O für jeden Olympiaplatz 10.000 Euro. Athleten, die sich für Olympia qualifizieren, erhalten 5000 Euro Prämie, die jeweiligen Vereine 4000, die Landesverbände 1000 Euro. Zudem hat Entertainer Andy Ost eine DESG-Hymne komponiert und eingesungen. Große lobt insgesamt 21.000 Euro Prämien für die Mitglieder aus, um das beste Video zum Song zu bekommen. Platz 1 erhält 6000, Platz zwei 5000 und Platz sechs noch 1000 Euro.

19. August: Der Chef der Inzeller Max Aicher Arena, Hubert Kreutz, begrüßt Großes Pläne, Inzell zum Mittelpunkt des Eisschnelllaufsports zu machen. In Zukunft sollen die DESG-Trainingslager und alle großen Veranstaltungen in der Max Aicher Arena ausgetragen werden. Das betrifft auch internationale Wettbewerbe wie Weltcups und Weltmeisterschaften

24. August: Große besucht den TSV Vorwärts Mylau und sagt zu, dass er dem Verein einen WC-Container zur Verfügung stellt. „Es ist ein untragbarer Zustand, dass die Kinder 600 Meter zu Fuß gehen müssen, um auf Toilette gehen zu können.“

25. August: Große zeigt sich bei seiner Stippvisite in Rostock begeistert von dem großen Nachwuchspotenzial. „Da wird mir um unsere Zukunft nicht bange“.

31. August: Mit IT-Spezialist Herbert Mollien bekommt die DESG erstmals einen Datenschutzbeauftragten.

1. September: Antje Jasch wird Hygienebeauftragte der DESG, damit trägt der Verband den veränderten Bedingungen durch die Covid-19-Pandemie Rechnung.

2.September: Athletensprecher Leon Kaufmann-Ludwig legt sein Amt nieder und wird neuer Bundestrainer-Assistent Shorttrack.

9. September: Neuer Sponsor. Zukünftig können sich die „Kufenflitzer des Jahres“ (die besten DESG-Athleten und -Trainer) vier Tage lang im 4-Sterne-Strandhotel „Fischland“ an der Ostsee verwöhnen lassen. Motto: 100 Prozent Leistung = 100 Stunden Erholung.

10. September: Große teilt den Mitarbeitern der DESG-Geschäftsstelle mit, dass die Büros des Verbandes von München nach Berlin (OSP) umziehen werden. Grund: immense Kosteneinsparung.

11. September: Große stellt sein komplettes Präsidiumsteam vor, das sich auf der Mitgliederversammlung am 19. September 2020 mit ihm zur Wahl stellt: Gert Oestreich (Dresden/Eisschnelllauf) und Harald Löffler (Oberstdorf/Shorttrack) kandidieren als Vize-Präsidenten, Marina Wunderlich (Berlin) soll Schatzmeisterin werden.

12. September: Erstmals ist eine Pressekonferenz der DESG im Internet als Re-Live-Datei abrufbar.

15. September: Große besucht die Stützpunkte/Leistungszentren in Oberstdorf und Dortmund. Den Shorttrackern in Westfalen sagt er eine Soforthilfe zu, als ihm geschildert wird, dass seit Jahren eine „Sicherheitsbande“ fehlt, die die Kinder und Jugendlichen im Training vor Verletzungsgefahr bei möglichen Stürzen schützen soll.

16. September: Frank Bornschein, stellvertretender Obmann der Fachkommission Eisschnelllauf des Berliner Eissport-Verbandes, wird zum ehrenamtlichen Good Governance Beauftragten der DESG ernannt.

17. September: Christian Breuer übernimmt die ehrenamtlichen Aufgaben des „Beraters internationale Verbandsarbeit“. Der 15-malige Deutsche Meister im Eisschnelllaufen war zuvor von 2010 bis 2018 Mitglied der Technischen Kommission des Eislaufweltverbandes ISU.

19. September: Um 10 Uhr beginnt in Frankfurt/Main die Mitgliederversammlung. Einer der ersten Tagesordnungspunkte ist die Wahl des Präsidenten. Für 13 Uhr ist eine Pressekonferenz angesetzt