Jan Hempel (51) bei den Olympischen Sommerspielen in Sydney 2000. Bereits damals soll der DSV vom sexuellen Missbrauch gewusst haben. 
Jan Hempel (51) bei den Olympischen Sommerspielen in Sydney 2000. Bereits damals soll der DSV vom sexuellen Missbrauch gewusst haben.  Stefan Hesse/dpa

14 Jahre lang soll Jan Hempel von seinem damaligen Trainer missbraucht worden sein. Der Dresdner gehörte zur absoluten Weltspitze im Wasserspringen, glauben wollte ihm dennoch niemand. Jetzt klagt er mithilfe von Thomas Summerer, Anwalt der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, gegen den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) auf Schadensersatz in Millionenhöhe. Ein Präzedenzfall mit unabsehbaren Folgen für den gesamten deutschen Sport.

Wie sehr Jan Hempel damals gelitten hat, lässt sich nicht mal ansatzweise erahnen. 1200 – so viele sexuelle Übergriffe lastet Hempel seinem Trainer Werner Langer an. 

Jan Hempel soll dem DSV vom sexuellen Missbrauch erzählt haben

Der viermalige Europameister und Olympia-Silbermedaillengewinner von 1996 will sich derzeit nicht äußern. Dafür spricht sein Anwalt. Summerer, der seit Jahren für Eisschnellläuferin Claudia Pechstein um Schadensersatz nach einer angeblich ungerechtfertigten Dopingsperre kämpft, kündigt gegenüber der „Sportschau“ an: „Wir ziehen das durch, und wenn es zehn Jahre dauert.“

Die beiden deutschen Wasserspringer Heiko Meyer (l.) und Jan Hempel bei den Olympischen Spielen im australischen Sydney im Jahr 2000. 
Die beiden deutschen Wasserspringer Heiko Meyer (l.) und Jan Hempel bei den Olympischen Spielen im australischen Sydney im Jahr 2000.  Stefan Hesse/dpa

Sportrechtler Summerer bezeichnet den Leidensweg seines Mandanten in den 1980er- und 1990er-Jahren als den „krassesten Missbrauchsfall, den der deutsche Sport je erlebt hat“. Die Verbandsspitze hatte Hempel nach eigener Darstellung 1997 zu den Vorgängen unterrichtet. Unter anderem soll er während der Sommerspiele in Barcelona 1992 sexuell missbraucht worden sein. 

Pechstein-Anwalt Summerer hilft Hempel bei Millionenklage gegen den DSV

Für Hempels Anwalt ist klar: „Die Organisation Deutscher Schwimm-Verband hat völlig versagt in der Überwachung und in der Kontrolle seiner Trainer. Es gab nur Vertuschung. Dieses Organisationsverschulden führt dazu, dass ein Verband haftet.“

Jan Hempel und Familie bei seinem Karriereende 2003 in Dresden in der Sprunghalle am Freiberger Platz. 
Jan Hempel und Familie bei seinem Karriereende 2003 in Dresden in der Sprunghalle am Freiberger Platz.  C3 Pictures/imago

Sollte das Landgericht in Kassel (Sitz des DSV) oder Dresden (zuständig für Hempels Heimatort Meißen) dieser Auffassung folgen, droht dem DSV und vielen weiteren Sportverbänden womöglich existenzielles Ungemach. Hempel, mittlerweile 51 Jahre alt, könnte unzähligen missbrauchten Athletinnen und Athleten den Weg ebnen, künftig vor Gericht um Entschädigung zu kämpfen. Beklagte wären nicht Täter – Hempels Trainer Werner Langer ist seit Langem verstorben –, sondern die jeweiligen Verbände.

Sexueller Missbrauch: Haftet der Verband für seine Trainer?

Es ist ein Präzedenzfall. Hempels Anwalt sieht dabei Parallelen zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Deutsche Diözesen und Bistümer müssen sich momentan erstmals mit Klagen wegen Organisationsverschulden auseinandersetzen. Abgeschlossen ist noch keine davon.

Der DSV richtete erst vor Kurzem eine Kommission ein, die Hempels Fall, der in der ARD-Doku „Missbraucht“ im Sommer 2022 öffentlich gemacht wurde, und weitere Anschuldigungen bezüglich sexueller Übergriffe aufarbeiten soll. Gleichzeitig lehnt der Verband finanzielle Ausgleichszahlungen an geschädigte Einzelpersonen grundsätzlich ab.

Die Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung hat Summerer abgebrochen. Er sei, so sagt er, „auf ein Schweigekartell gestoßen“.

Lesen Sie hier mehr Sportnachrichten >>