Wir sind keine Extremisten, Herr Geisel!
Eltern demonstrieren für bessere Kinderbetreuung in der Krise.

Diese Protestler vor dem Roten Rathaus wirken nicht wie Verschwörungstheoretiker und auch nicht gewaltbereit. Es sind Eltern, die es satthaben, dass der Staat sie in der Corona-Krise seit acht Wochen alleinlässt: Sie müssen ihre Kinder zu Hause betreuen – neben dem Homeoffice. Noch immer ist nicht klar, wann alle wieder in die Kita können.
„Ich kann den Infektionsschutz und die Einschränkungen nachvollziehen. Aber dass das alles ohne Ausgleich passiert, verstehe ich nicht“, sagt Katharina Mahrt (32) vom Bündnis Kitakrise. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat sich am selben Tag über Verschwörungstheoretiker aufgeregt. „Solche Theorien lehne ich ab“, sagt die Mutter aus Neukölln.
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Das Bündnis Kitakrise hat sich zusammen mit dem Landeselternausschuss und der Initiative „Eltern in der Krise“ zur Demo vor dem Roten Rathaus versammelt. Wegen der Corona-Beschränkungen sind nur etwa 15 Teilnehmer anwesend. Es regnet an diesem Montag, doch die Protestler halten tapfer durch, haben Plakate mit Forderungen dabei. Sie fordern 1000 Euro zusätzliches Elterngeld für betroffene Familien und verbesserte Betreuungsangebote in der Krise. Katharina Mahrt glaubt, dass der Einsatz von Extra-Babysittern Familien helfen und das Infektionsrisiko minimieren könnte.
Damit sie sich neben dem Job um Sohn Jan (3) kümmern kann, muss ihr Bruder einspringen. Ab dem 14. Mai lässt der Senat wieder die ältesten Kinder und deren Geschwisterkinder in die Kita. Der Regierende Michael Müller(SPD) möchte, dass die Auslastung wieder auf 70 Prozent steigt. Bildungssenatorin Scheeres (SPD) will noch diesen Sommer alle Jungen und Mädchen zurück in die Kita schicken.
Noch sei vieles unklar, kritisieren Demonstranten. „Es gibt kein klares Hygienekonzept, nur Empfehlungen. Wie geht man mit Erziehern um, die zu Risikogruppe gehören?“, sagt Katharina Mahrt.
Eltern fordern mehr Tests und Aufklärung
Corinna Balkow (39) vom Landeselternausschuss sagt: „Es sind Kapazitäten da, Gelder an Unternehmen zu verteilen, es sind Kapazitäten dafür da, Bundesligaspieler zu testen, aber es sind keine Kapazitäten da, Kinder zu betreuen oder Eltern zu unterstützen.“ Corinna Balkow fordert mehr Tests und Aufklärung, ob man sich auf einem Spielplatz eher ansteckt als im Biergarten.

Franziska Krüger (36) ist mit ihrer Tochter Neele (4) zur Demo gekommen: „Ich komme frisch aus der Elternzeit und fange nächste Woche wieder an zu arbeiten. Noch ist mein Mann zu Hause, aber wenn die Situation so bleibt, müssen wir uns spätestens ab Juli überlegen, wie wir uns aufstellen. Ich verfolge täglich die Medien, aber man sieht immer nur, dass wieder nichts für die Kinder getan wurde.“ Manchmal springt der Chef dann ein – wie bei Vater Sevrin Waights (34): „Der Arbeitgeber von meiner Frau zahlt glücklicherweise einen Babysitter für unseren Sohn, nur deswegen klappt das momentan.“