Schwer erkrankte Covid-19-Patienten belegen immer mehr Intensivbetten - auch in Berlin. 
Schwer erkrankte Covid-19-Patienten belegen immer mehr Intensivbetten - auch in Berlin.  Foto: imago images / imagebroker

Den Pandemie-Stab gibt es seit Anfang März im Pankower Caritas-Krankenhaus Maria Heimsuchung. Er ist so etwas wie die neue zentrale organisatorische Abwehreinheit gegen Corona, wie in den meisten anderen Kliniken auch. Zehn Leute treffen sich regelmäßig mit Abstand und Mundschutz – von der Krankenhausleitung bis zur Verwaltungsdirektion, von der Hygieneschwester über die Rettungsstelle bis zum ärztlichen Direktor. Alle Bereiche sollen gehört werden, denn das Coronavirus beeinflusst den gesamten Betrieb.

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Anfangs traf sich das Gremium täglich, dann spielten sich Routinen ein, die Zahl der Patienten sank, inzwischen tagt der Stab nur noch zweimal pro Woche. „Doch damit könnte bald Schluss sein“, sagt Kliniksprecherin Christina Bustorf. Sie rechnet fest damit, dass der Stab bald wieder öfter tagen muss.

Auch im nördlichsten Berliner Bezirk steigen die Fallzahlen, obwohl Pankow lange eine relativ niedrige Inzidenzrate aufwies. „Im Frühjahr ging es nicht von null auf hundert, sondern gleich auf tausend“, sagt Christina Bustorf. „Jetzt ist es nicht so stark, aber wir merken, dass wir ganz bald wieder mittendrin sind.“

156 Corona-Patienten werden in Berlin auf Intensivstationen behandelt

In Berlin waren am Donnerstagmittag 1077 Intensivbetten in allen Krankenhäusern belegt. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden in 156 von diesen Betten Covid-19-Patienten behandelt. Das sind nicht einmal 15 Prozent, aber ihr Anteil steigt seit Anfang Oktober stetig an, damals waren es nur 35 Fälle. Derzeit sind nur noch 169 Intensivbetten frei. Es gibt jedoch eine Notfallreserve von 458 Betten. Sie können innerhalb von sieben Tagen zusätzlich aufgestellt werden.

Das ist die aktuelle Lage in Berlin, die sich schnell massiv verschärfen könnte. Dafür gibt es vier sogenannte „Eskalationsstufen“, bei denen die Kliniken immer mehr Betten für Covid-Patienten bereitstellen und andere Bereiche notfalls lahmlegen. Zuletzt wird dann das vorsorglich eingerichtete Krankenhaus auf dem Messegelände freigegeben.

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Angesichts der zweiten Corona-Welle sieht der Marburger Bund, der Verband der angestellten Ärzte, die klare Notwendigkeit, wieder die Kapazitäten für Intensivbetten in den Kliniken hochzufahren. „Das war im Frühjahr und ist auch jetzt wichtig und richtig“, sagte Reiner Feldberg, Landesgeschäftsführer für den Bereich Berlin-Brandenburg. Es sei ebenfalls richtig gewesen, die Notfallklinik auf dem Messegelände einzurichten, auch wenn sie bislang nicht gebraucht wurde. „Es wusste niemand, wie sich die Lage entwickelt, und da ist es immer besser, gut vorbereitet zu sein.“ Mehr Intensivbetten bereitzustellen, das bedeute auch, dass wieder andere Kapazitäten in den Kliniken runtergefahren werden müssen.

Patienten mit schweren und akuten Erkrankungen können noch behandelt werden

„Wichtig ist dabei allerdings, das Ganze so zu gestalten, dass die Versorgung für Patienten mit schweren und akuten Erkrankungen, mit Schlaganfällen und Herzinfarkten, sichergestellt wird.“ Das gelte auch für die Pädiatrie, also die Kinderheilkunde. Im Frühjahr wurde oft nur eine Notversorgung angeboten, Operationen wurden verschoben. Deshalb trauten sich viele Patienten generell nicht mehr zum Arzt oder in die Kliniken.

Medizinische Notwendigkeiten müssten immer Vorrang vor finanziellen haben. „Es muss aber auch geklärt werden, was finanziell passiert, wenn eine Klinik ihre Kapazität auf nur noch 30 Prozent runterfährt“, sagt er. Da müsse der Staat entschädigen. Das habe im Frühjahr nicht gut geklappt.

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Die wichtigste Forderung der Ärzte und Pfleger ist, dass weiterhin genügend Schutzkleidung und Ähnliches vorhanden ist. Denn es sind meist nicht die Patienten, die für die Verbreitung von Covid-19 im Krankenhaus sorgen, sondern betroffene Mitarbeiter. „Die Patienten sind gut geschützt in ihren Zimmern, das Personal fluktuiert“, sagt Feldberg. „Deshalb ist das Wichtigste der Schutz des Personals.“ Wenn es nicht genügend Schutzkleidung gebe, erkrankten Pfleger und Ärzte selbst und fielen aus. Dann müsse das ohnehin überlastete übrige Personal noch mehr Arbeit übernehmen. „Da kommen die Mitarbeiter schnell an die Grenzen – und ohne Personal nützen auch die zusätzlichen Betten nicht viel.“

Insgesamt sehen sich die Kliniken gut gewappnet für steigende Fallzahlen. „Wir gehen mit ganz anderen Voraussetzungen in die zweite Phase“, sagt Barbara Ogrinz, Sprecherin der Berliner Krankenhausgesellschaft. Engpässe bei den Schutzausrüstungen seien behoben, Beatmungsgeräte gekauft worden, es habe mehr Schulungen für die Intensivpflege gegeben. Das bedeute: Im Notfall könnten auch Leute aus anderen Abteilungen eingesetzt werden. Zudem werde das Personal inzwischen besser seelsorgerisch und psychosozial betreut.

Saisonbedingte Krankmeldungen beim Klinik-Personal

Barbara Ogrinz ist dennoch besorgt. Denn es gibt nicht nur mehr Corona-Fälle in der Bevölkerung, sondern auch mehr saisonbedingte Krankmeldungen beim Personal. „Wenn die Zahlen an Covid-Erkrankten weiter steigen, wird es sehr schwierig werden“, sagt sie.

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Die Kliniken fürchten einen Versorgungsengpass. Von März bis August war es offiziell erlaubt, dass in der Intensivpflege weniger Mitarbeiter als üblich mehr Patienten betreuen. Das fordern viele Kliniken nun wieder. „Dringend nötig“, sagt Ogrinz, „sind jetzt mehr Flexibilität beim Einsatz von Pflegepersonal und verbindliche Regelungen bei freizuhaltenden Betten.“

Während der ersten Welle bekamen die Krankenhäuser für jedes zusätzliche Corona-Bett eine „Freihaltepauschale“. Doch dieses Geld ist zwischenzeitlich gestrichen worden. Ogrinz fordert auch hier eine Rückkehr zur Krisenregelung. Christina Bustorf vom Pankower Caritas-Krankenhaus sagt ebenfalls: „Wir hatten diesen Rettungsschirm, doch nun fehlen die politischen Rahmenbedingungen, das macht uns Bauchschmerzen.“

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Am Pankower Krankenhaus wurde bereits im Frühjahr begonnen, Personal aus anderen Abteilungen für die Pandemie-Station zu schulen. „Hier gab es eine große Bereitschaft“, sagt Bustorf, „sich auf einen anderen Bereich mit mehr Arbeitsaufwand vorzubereiten.“

Ob dieser gute Wille ausgereicht hat, wird sich – wie in anderen Häusern auch – in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Zu befürchten ist, dass andere Bereiche der Krankenhäuser erneut auf Sparflamme fahren werden – zum Nachteil der betroffenen Patienten.