Immer mehr Menschen nutzen in der Krise auch das Gesprächsangebot für Senioren.
Immer mehr Menschen nutzen in der Krise auch das Gesprächsangebot für Senioren. Britta Pedersen/dpa

Keine persönlichen Kontakte, keine Berührung, keine Zuwendung und oftmals ganz allein in der Wohnung. Das ist der hohe Preis der Isolation. Doch es gibt in jeder Krise einen Rettungsanker: Das Berliner Seniorentelefon „Silbernetz“ bietet ein Gesprächsangebot für Menschen, die sich einsam fühlen und das sind längst nicht mehr nur die Älteren.

„Guten Tag, ich habe große Angst, dass ich krank werde und dann allein in meiner Wohnung sterben muss“, sagt ein Anrufer am Silbernetz-Telefon. Sorgen und Nöte dieser Art hört Elke Schilling momentan sehr häufig. Die Silbernetz-Gründerin   und ihre 16 Angestellten   können die Flut der Anrufe in ihrer Zentrale an der Wollankstraße kaum bewältigen und müssen nun noch Ehrenamtliche hinzuziehen, die bereits von zu Hause aus dem Homeoffice telefonieren.

„Unsere Anruferzahlen haben sich im Vergleich zum Vormonat verdreifacht und wir sind jetzt sogar bundesweit frei geschaltet“, sagt Elke Schilling dem KURIER. Obwohl sich ihr Hilfsangebot, das seit Herbst 2018 existiert, eigentlich an die Zielgruppe der Senioren richtet, riefen gerade in diesen Tagen immer mehr jüngere Menschen bei der Silbernetz-Hotline an. „Inzwischen erreichen uns sogar Anrufe aus ganz Deutschland von Menschen ab 35 aufwärts“, sagt sie.

Gefühl der Einsamkeit so stark wie nie

Seitdem die Bundesregierung drastische Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus verhängt hat, ist das Gefühl der Einsamkeit so stark wie nie. Warum kommen wir mit dem Alleinsein so schwer zurecht? „Gerade für Menschen, die mit einem Mal einem Mal aus einem sehr lebendigen Leben rausgeschubst wurden, empfinden den Mangel als besonders schlimm. Sie betrauern einen Verlust, den sie so noch nie kannten“, so Schilling.

Die Ängste ziehen sich durch alle Altersgruppen. Außer die Sorge, allein zu sterben, hätten Viele Angst davor, im Notfall keinen Arzt mehr zu bekommen und sorgten sich vor zu überlasteten Praxen und Kliniken. Andere wiederum bekämen Panik beim Anblick von leeren Supermarktregalen und sorgten sich, dass sie bald nicht mehr genügend zu essen hätten. Geschweige von den finanziellen Problemen, die in dieser Zeit so groß wie nie seien, erklärt Schilling.

Die Silbernetz-Mitarbeiter nehmen sich für jeden Anrufer bis zu einer halben Stunde Zeit. Sie hören zu, versuchen zu trösten und zu beruhigen und vor allem: Sie nehmen jeden Kummer ernst. Die Distanz und fehlende körperliche Nähe, die wir in dieser Zeit erlebten, mache etwas mit den Menschen, so sagt Schilling. „Sie bekommen langsam Hunger nach einer Umarmung. Ihnen fehlt etwas, was sie brauchen und was sehr elementar für sie ist.“

Doch was hilft außer einem Anruf beim Hilfstelefon (www.silbernetz.org) gegen die Einsamkeit noch? „Alte Kontakte wieder aktivieren. Vielleicht gibt es einen Bekannten, den man von früher kennt, der sich gerade genauso einsam fühlt“, sagt Schilling. Um ihr Hilfsangebot täglich von 8 bis 22 Uhr (ab 1. April, 7 bis 23 Uhr) aufrechterhalten zu können, ist der Verein auf Spenden angewiesen.

Elke Schilling hofft, dass sie ihre Hotline schon sehr bald auch nachts eingeschaltet lassen kann. Doch noch fehlen hierfür Gelder und auch Kapazitäten. Sie sagt: „Gerade nachts sind wir in einer Glocke von Dunkelheit umgeben und fühlen die Einsamkeit besonders stark.“