Steffen (55) und Petra Dyk (58) in ihrem Reisebüro am Rathaus Lichtenberg. 
Steffen (55) und Petra Dyk (58) in ihrem Reisebüro am Rathaus Lichtenberg.  Foto: Sabine Gudath

Viele wüssten in Corona-Zeiten gern, wohin die Reise geht – aber niemand mehr als sie: Die Inhaber von Berlins Reisebüros kämpfen verzweifelt um ihre Existenz. Kaum Buchungen, nur Stornierungen, eine ungewisse Zukunft: Die Lage ist so verheerend, dass sie im Kampf ums Überleben morgen sogar auf die Straße ziehen.

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Schon seit 1992 betreiben Petra Dyk (58) und ihr Mann Steffen (55) ihr kleines Lichtenberger Reisebüro. Immer wieder mussten sie in der Tourismus-Branche Krisen erleben – aber keine war so schlimm wie diese. „Für Büros wie unseres ist die derzeitige Lage ein absolutes Desaster“, sagt Petra Dyk dem KURIER. „Wir haben momentan keinen Umsatz – kaum einer bucht Reisen, solange man nicht weiß, wie es weitergeht.“ In den letzten zwei Monaten hätten sie zwar gearbeitet – aber hauptsächlich an der Abwicklung gebuchter Reisen. Verheerend außerdem: „Für alle Reisen, die wegen der Krise storniert werden, müssen wir unserer erhaltenen Provisionen zurückzahlen. Das Geld, das wir damit verdient haben, das wir schon in Mitarbeiter, Miete und laufende Fixkosten investiert haben.“ Rund 10000 Reisebüros in ganz Deutschland seien davon betroffen.

Seit 21 Jahren habe ich mein Reisebüro, Ich bin damit nicht reich geworden, konnte mich aber immer ernähren und Steuern zahlen. Und nun überlege ich, ob ich bald Insolvenz anmelden muss.

Marion Tibursky, Inhaberin eines Reisebüros

Marion Tibursky (57), die ein kleines Reisebüro in der Prenzlauer Allee leitet, sieht ein weiteres Problem: „Die Gutscheinlösung. Kunden bekommen für ihre stornierten Reisen einen Gutschein, den sie dann für eine neue Buchung einsetzen können. Das beduetet aber, dass die Reisebüros bei der Neu-Buchung kostenlos arbeiten.“ Sie verliere in der jetzigen Situationen pro Monat bis zu 150000 Euro an Buchungen, der Schaden für Tibursky selbst belaufe sich auf bisher 30000 Euro, sagt sie. „Wenn keine weiteren Hilfen kommen, halte ich noch drei Monate durch – dann bin ich aber auch pleite hoch zehn.“

Reisebüro-Inhaberin Marion Tibursky (57) geriet wegen der Corona-Krise in Turbulenzen. Ihr Reisebüro befindet sich auf der Prenzlauer Allee.
Reisebüro-Inhaberin Marion Tibursky (57) geriet wegen der Corona-Krise in Turbulenzen. Ihr Reisebüro befindet sich auf der Prenzlauer Allee. Foto: Sabine Gudath

Weil sich bisher niemand für die Lage der Betriebe interessierte, rief Tibursky über Facebook eine Demo ins Leben. Schon im April demonstrierten sie einmal vor dem Kanzleramt, 20 Leute durften teilnehmen. Nun – am Mittwoch um 12 Uhr am Brandenburger Tor – sollen 50 Teilnehmer gestattet sein. Die Reisebüro-Betreiber fordern unter anderem, dass die Regierung einen Fonds einrichtet, damit Büros, Veranstalter und letztlich auch die Kunden finanziell entlastet werden. „Außerdem brauchen wir weitere Soforthilfen, sonst müssen wir mit einer Insolvenzwelle von bis zu 70 Prozent rechnen.“

Auch sie selbst blickt in eine ungewisse Zukunft. „Es war schon deprimierend, in den letzten Wochen hier zu sitzen und die vielen Ausdrucke mit Stornierungen zu sehen“, sagt Tibursky. „Seit 21 Jahren habe ich mein Reisebüro, Ich bin damit nicht reich geworden, konnte mich aber immer ernähren und Steuern zahlen. Und nun überlege ich, ob ich bald Insolvenz anmelden muss.“ Aufgeben will aber niemand. „Als wir schließen mussten, dachten wir: Das ist heftig, aber das wird schon wieder“, sagt Petra Dyk. „Aber nun wollen wir kämpfen. Wir haben auch schon andere Schwierigkeiten bewältigt – und auch dieses Mal ziehen wir durch.“