Steven Spielberg: DIESER Film war Exorzismus für mein Herz und meine Seele
Regisseur Steven Spielberg wurde für seinen Film „The Fabelmans“ mit dem Goldenen Ehrenbär der Berlinale ausgezeichnet.

Er ist nicht nur der kommerziell erfolgreichste Regisseur aller Zeiten, für viele ist er auch der beste in der Hollywood-Historie. Von Actionthrillern bis Gänsehaut-Dramen, die Liste der Filme von Steven Spielberg ist lang. Doch der 76-Jährige brauchte über 50 Jahre, um mit „The Fabelmans“ (läuft ab 9. März im Kino) seinen persönlichsten Film überhaupt zu drehen – ein halb autobiografisches Porträt seiner Kindheit. Darin geht es nicht nur um Spielbergs kindliche Anfänge als Filmemacher, es ist auch die persönliche Tragödie der zerbrechenden Ehe seiner Eltern – ausgelöst durch die Affäre seiner Mutter mit dem besten Freund seines Vaters.
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Berliner KURIER: Wieso haben Sie so lange damit gewartet, Ihre Kindheitserinnerungen auf die Leinwand zu bringen?
Steven Spielberg: Meine Mutter Leah ist 2017 gestorben und mein Dad Arnold ist ihr dann vor knapp drei Jahren gefolgt. Plötzlich war ich ein Waisenkind und habe realisiert, wie viel von meinem Leben auf meiner Vergangenheit basiert. Ich wusste plötzlich, dass es da einen Film gab, den ich unbedingt noch drehen musste. Bis dahin war ich im Schnellzug durchs Leben gerast. Es war an der Zeit, mein frühes Leben tief und ehrlich zu beleuchten.
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Als eine Art Selbsttherapie?
Im Nachhinein habe ich auf jeden Fall realisiert, dass es eine Art Exorzismus für mein Herz und meine Seele war.
Wer „The Fabelmans“ sieht, erkennt schnell, dass Sie schon in früheren Filmen persönliche Elemente eingebaut haben. Aus Kindersicht. „E. T.“ ist ein gutes Beispiel. Dort treffen wir Elliot, seine Mutter und Geschwister – doch der Platz des Vaters am Tisch bleibt leer.
Jeder meiner Filme war für mich immer eine sehr persönliche Sache. Doch ich habe erst beim Dreh von „The Fabelmans“ realisiert, wie viel seelischen Ballast ich in all den Jahren mit mir herumgeschleppt habe. Aber auch, dass das Leben mit meiner Mama und meinem Dad mich etwas gelehrt hat. Etwas, was sich hoffentlich in meinem Film für die Zuschauer herauskristallisiert.
Das wäre?
Es geht eigentlich im Kern darum, wann und durch welche Ereignisse ein junger Mensch seine Eltern zum ersten Mal als normale menschliche Wesen wahrnimmt. Indem ich noch einmal Revue passieren ließ, was ich in meiner Familie im Alter von sieben bis 18 erlebt habe, sah ich Mama und Dad erstmals nicht als Eltern – sondern als reale Menschen.

Und Sie glauben, damit kann sich jeder identifizieren?
Jeder, der in einer komplizierten Familie aufgewachsen ist, wird sich angesprochen fühlen. Und meiner Meinung nach gibt es keine einzige Familie auf der Welt, die nicht kompliziert ist! Deshalb versuche ich in gewisser Weise, allen einen Spiegel vorzuhalten.
Haben Sie mit Ihren Eltern zu Lebzeiten darüber gesprochen, wie sehr Sie die Erlebnisse Ihrer Kindheit im Leben auch negativ beeinflusst haben?
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Ich habe es einmal mit meiner Mutter angesprochen. Heute bedauere ich, dass ich dieses Gespräch nicht mit meinem Vater hatte.
Sie haben den Film an Originalschauplätzen wie den Häusern Ihrer Kindheit gedreht. Wie surreal war es für Sie, sich beim Dreh selbst als Kind (der junge Spielberg wird durch Gabriel LaBelle dargestellt) zuzuschauen?
Ich konnte mich da nie wirklich dran gewöhnen, dass ich mich selbst vor Augen hatte. Es habe mich wie in einem Kafka-Roman gefühlt. Und es war mir ehrlicherweise nicht sehr angenehm.

Sie haben bereits im Alter von fünf Jahren nach Ihrem ersten Kinobesuch beschlossen, dass Sie Filme drehen wollen. Zu sagen, dass Sie das sehr erfolgreich gemacht haben, ist eine riesige Untertreibung. Wenn Sie heute zurückblicken auf den Anfang Ihrer Karriere …
… dann hat sich vieles nicht wirklich verändert. Ich weiß zwar mit 76 viel mehr über das Filmgeschäft als mit 26, doch ich habe vor Drehs noch immer dieselben Unsicherheiten und Ängste wie vor meinem ersten Film „Duel“ 1971. Zum Glück verspüre ich auch noch immer dasselbe elektrisierende Glücksgefühl, sobald ich am Set bin. Dort fühle ich mich am meisten zu Hause.
Das klingt nicht so, als würden Sie planen, bald in Rente zu gehen!
Ich bin noch lange nicht am Ende meiner Reise angekommen. Ich will weiter arbeiten, weiter lernen, weiter entdecken. Ich will mich weiter zu Tode fürchten und hoffentlich manchmal auch Ihnen das Fürchten beibringen. Solange ich noch Freude an meiner Aufgabe empfinde und die Zuschauer erfreuen kann, habe ich keinen Grund, für mich zu sagen: „Das war die letzte Klappe!“