Sängerin Sia gesteht: „Ich will geliebt werden und will es allen immer recht machen“
Im Interview spricht die 45-jährige Australierin über ihr Regiedebüt, über ihre Sucht und die Adoption zweier Teenager.

Aus dem relativ sicheren Australien begab sie sich in die Corona-Höhle des Löwen. Sia (45) flog nach Los Angeles, wo gerade alle zehn Minuten ein Mensch an Covid-19 stirbt. Warum der gefährliche Ausflug? Die Pop-Diva macht PR für ihren ersten Film „Music“. Sie ist nicht nur Produzentin und Regisseurin des Musical-Dramas, sie singt auch die Filmsongs.
Berliner KURIER: Der Film handelt von einem autistischen Mädchen namens „Music“, das ihre Umwelt im Kopf als Musicalsequenzen verarbeitet. Bei der Besetzung sind Sie in der Familie geblieben.
Sia: Ja. Music wird von meinem Patenkind Maddie Ziegler gespielt. Sie ist wie eine Tochter für mich. Ursprünglich wollte ich mit einer jungen Schauspielerin arbeiten, die selbst auch autistisch ist. Doch deren Mutter hat das Ganze gestoppt, weil es für ihre Tochter zu stressig wurde. So kam Maddie zu der Rolle.
Sie mussten sich wegen der Besetzung scharfe Kritik von Autisten-Verbänden anhören.
Das ging mir sehr nah. Ich dachte, ich hätte grünes Licht, doch scheinbar gibt es verschiedene Meinungen zwischen den Verbänden. Ich hasse Kontroversen und es hat mir das Herz gebrochen. Ich habe das tiefe Bedürfnis, geliebt zu werden und will es allen immer recht machen.
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Music lebt mit ihrer Halbschwester, die ein Drogenproblem hat. Sie sind sehr offen damit, dass Sie selbst lange an Medikamenten- und Alkoholsucht gelitten haben.
Ja, bis vor zehn Jahren.
Wie haben Sie Rückfälle verhindern können?
Das Geheimnis ist, gute Beziehungen und gesunde Freundschaften aufzubauen. Und sich regelmäßig mit anderen zu treffen, die im selben Boot sitzen. Leider ist das durch Covid sehr schwer geworden und ein echter Kampf für viele. Es gab Rückfälle und sogar Selbstmorde in meinem Bekanntenkreis. So traurig.
Sie haben im letzten Jahr verraten, dass sie zwei Jungen im Teenageralter adoptiert haben. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich habe sie so wie fast immer getroffen – ohne groß nachzudenken. Ich sah im Fernsehen eine Dokumentation über einen Jungen, der zu alt für das Pflegeelternsystem war und Hilfe brauchte. Mein erster Gedanke war: „Das ist mein Sohn!“ Wir haben ihn ausfindig gemacht. Er hat gefragt, ob sein bester Freund auch mitkommen darf. Ich hatte noch ein Extra-Schlafzimmer und habe sofort ja gesagt. Aus dem Bauch heraus, wie immer!
Wie sehr hat die Mutterschaft Ihr Leben verändert?
Ich habe begriffen, wie sehr ich mich im Inneren schon immer danach gesehnt hatte, Kinder zu haben. Mit wurde bewusst, dass ich genug Liebe in meinem Herzen und genug Platz in meinem Haus habe, um Kinder aufzunehmen. Und es bedeutet mir mehr, als ich es je gedacht hätte. Ich habe die Chance, eine Familie zu haben, die ich mir selbst ausgesucht habe. Das macht mich so happy!
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Was macht Sie noch glücklich?
Musik natürlich. Sie ist für mich seit meiner Kindheit der Weg, meine Gefühle zu verinnerlichen. Und durch Songs kann ich weinen, lachen und alles, was ich will, rüberbringen. Dasselbe wie mit einem Film.
Dann ist Ihnen der Wechsel von der Musik- in die Filmindustrie nicht schwergefallen?
Es war zwar ein Sprung ins kalte Wasser, aber am Ende doch leichter als gedacht. Ich habe ja schon einige Musikvideos gedreht und die Abläufe sind ähnlich. Am Ende musst du in beiden Branchen unsichere Menschen anleiten. Wir Künstler sind nämlich alle von Natur aus sehr unsicher (lacht).

Wie gehen Sie mit Ihren Unsicherheiten um?
Ich habe einen engen Kreis von Menschen, die ich liebe und denen ich vertraue. Immer wenn ich vor etwas Angst habe oder traurig bin, rede ich mit ihnen über meine Gefühle. Ich brauche nur Geduld und Mitgefühl, um Tiefs überwinden zu können.
Sie haben noch nie einen Grammy gewonnen. Würden Sie einen Oscar bevorzugen?
Solche Auszeichnungen bedeuten mir nichts. Natürlich freue ich mich für meine Freunde, wenn sie Oscars oder Grammys gewinnen. Weil ich ja sehe, wie hart sie dafür gearbeitet haben. Ich bin auch ohne Trophäen sehr, sehr happy.
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Was brauchen Sie, um kreativ zu sein?
Sauerstoff (lacht). Und einen guten Mittagsschlaf. Am liebsten mit meinen Hunden. Sie inspirieren mich.
Wieviele Hunde haben Sie?
Zurzeit drei. Eine kleine Mischlingshündin namens Cereal, sie ist mein Liebling. Und dann ist da noch Dingus, der gerade leider an einer Pfotenverletzung laboriert. Und dann lebt noch Mitzie bei mir. Sie ist bereits 19 Jahre alt und ich habe sie vor einem Jahr adoptiert. Sie hat nur noch einen Zahn und muss im Haus Windeln tragen. Aber sie hat einen tollen Charakter!