„Reich und herzlich!“ Neue RTL-Show rührt zu Tränen, aber: Warum lässt sich ein Multimillionär dabei filmen?
Gedankenanstoß zur Nächstenliebe oder die Gutmenschen-Show eines sendungsbewussten Dubai-Millionärs?

Wieder wagte RTL ein neues Format. Wieder ging es ans Herz. Und am Ende blieb der Zuschauer ein wenig ratlos zurück. Was habe ich da gesehen? Einen echten Gedankenanstoß zur Nächstenliebe oder die Gutmenschen-Show eines sendungsbewussten Dubai-Millionärs?
Für die Reality-Doku kehrte der superreiche Unternehmer Saygin Yalcin in seine Heimatstadt Bremen zurück. Dort arbeitete er als Praktikant „undercover“ für Hilfsorganisationen, die er anschließend reich beschenkte.
Der Deutschtürke Saygin Yalcin wuchs in einfach Verhältnissen in Bremen auf. 2009 wanderte er nach Dubai aus, wurde dort mit Online-Shopping und Autohandel zum erfolgreichen Internet-Unternehmer. Einer seiner ehemaligen Firmen wurde für 580 Millionen Dollar an Amazon verkauft. Das lässt die Größenordnung von Yalcins Vermögen erahnen. Vermutlich wird er vielerorts nicht zu unrecht als Milliardär beschrieben.
Für die RTL-Primetime-Doku „Reich und Herzlich – Ein Millionär geht undercover” wurde Yalcin nun zum Wohltäter. Dafür kehrte er an die Schauplätze seiner Kindheit zurückm, besuchte ein Brennpunkt-Jugendzentrum und lud die Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah und Kevin Kurányi zum Kicken mit Problem-Kids ein.

Saygin Yalcin will seine emotionale Intelligenz verbessern
„Ich bin eher ein von Daten und Zahlen getriebener Mensch. Entscheidungen werde ich basierend auf Daten treffen. Ich sehe mich halt nicht als emotional intelligenten Menschen und ich glaub, so eine Reise hilft mir, dort meine Fähigkeiten zu verbessern”, sagt Yalcin.
Saygin Yelcin hilft, unterstützt und bezahlt in der RTL-Primetime-Doku wirklich viel. Im Jugendhaus, beim Verein Herzenswunschambulanz, im Assistenzhunde-Zentrum, der inklusiven Reit- und Fahrgemeinschaft Auetal in Bremen und in München dem Verein für Rentner e.V..
Aber viele Zuschauer fragen sich: Warum lässt sich ein Mann, der alles hat, dabei filmen?
Dafür muss man Saygin Yalcin ein bissche kennenlernen. Seine acht Jahre jüngere Schwester leidet unter schwerer Epilepsie. Das ist seit Jahrzehnten die größte Antriebsfeder für Yalcin. Schon als kleiner Junge wollte er sehr viel Geld verdienen, um der Schwester „Heilung kaufen“ zu können, erzählt er.
So haben die vorgestellten Hilforganisationen fast alle mit Yalcins Familiengeschichte zu tun. Einer zwölfjährigen Epileptikerin finanziert er den Therapiehund, einem inklusiven Reitverein – auch die Schwester erlebte auf dem Rücken von Pferd „Felix” einst Stunden der Leichtigkeit – spendiert der Multimillionär ein neues Pferd und übernimmt die Jahresbeiträge für alle Mitglieder.

„Reich und herzlich – ein Millionär geht undercover“: Superreicher schwingt Mistgabel
Zuvor macht er undercover als Praktikant „Can“ nützlich, schwingt die Mistgabel oder betreut Jugendliche und Senioren. Die Betroffenen glauben übrigens, dass RTL einfach eine ehrenamtliche Helfer drehen will.
Bei seinem jeweils zweiten Besuch „outet“ sich Yalcin im Designer-Anzug und mit Blumenstrauß als Superreicher - und nie kann er so ganz sein Erstaunen verbergen, wenn es um die nackten Zahlen geht. Ihm steht der Mund offen, wenn er hört, dass viele Rentner nicht mehr 100 Euro zum Leben haben: „100 Euro, das geben wir teilweise fürs Parken aus.“
Er ist entsetzt, als er hört, dass für jede Mahlzeit im Jugendzentrum nur 1,20 Euro pro Problemkind zur Verfügung steht:„ In Dubai kostet Essen gehen schon mal mehrere tausend Euro.“
Besonders angetan hat es Yalcin eine in sehr bescheidenen Verhältnissen lebende, knapp 80 Jahre alte Dame aus München. Hier wird es dann ein bisschen zu viel des Märchens: Die früher alleinerziehende Mutter dreier Kinder bekommt einen Frisörbesuch geschenkt, ein Handy, amit sie mit ihrer Familie telefonieren kann und ein Luxus-Essen inkl. Anfahrt im Rolls Royce damit man das auch alles RTL-geriecht inszenieren kann.
Ja, wir Zuschauer sind gerührt. Aber auch ein bisschen entsetzt.

„Reich und herzlich”: Millionär begleitet Senioren bei ihrem Herzenswunsch
In der vielleicht bewegendsten Episode der Reality-Doku begleitet er undercover zwei alleinstehende ältere Herren aus dem Seniorenheim bei ihrem Herzenswunsch. Der ehemalige Seemann und sein bester Freund wollten noch mal eine Bremer Hafenrundfahrt machen - inklusive Bierchen und Zigarette.
Als die beiden strahlend vor Glück wieder an Land ankommen, fragt Yalcin: „Würden Sie auch sagen, dass solche Momente viel mehr zählen als irgendwelche Dinge, die man besitzt?” – „Ja, das sind so Erlebnisse, die kann man nicht kaufen”, antwortet der eine Alte. Und für genau dieses Gefühl hat sich der Multimillionär wohl auf das Kamera-Experiment eingelassen.
Am Ende bleibt bei vielen Zuschauern ein beklemmendes Gefühl: Der Wohltäter und die staunenden Armen - beide hat RTL hier ein bisschen zu sehr vorgeführt.