Nach dem Tod ihrer Mutter

Miyabi Kawai in Trauer: „Ich habe eigentlich keine Kraft mehr ...“

Miyabi Kawai trauert um ihre Mutter, die vor wenigen Monaten verstarb. Wie sie mit dem Schmerz umgeht und warum es ihr so wichtig ist, das Thema Tod zu enttabuisieren – der Berliner KURIER sprach mit Miyabi.

Author - Julia Nothacker
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Miyabi Kawai trauert um ihre Mutter.
Miyabi Kawai trauert um ihre Mutter.F. Kern/Future Image/Imago

Es ist ein besonderes Gespräch, das wir mit Miyabi Kawai (50) bei der Eröffnung von „Weihnachten im Tierpark“ am vergangenen Freitag (22. November) führen – umgeben von jeder Menge bunter Lichter, dampfendem Glühwein und stimmungsvoller Weihnachtsmusik. „Es ist traumhaft“, sagt Miyabi und lächelt. „Ich liebe alles daran. Diese Zeit ist so besinnlich und gerade so ein Abend wie heute zeigt, was Lichter für eine Magie haben. Ich genieße das sehr.“ Im nächsten Moment werden die Augen der Modedesignerin glasig, die weihnachtliche Atmosphäre erinnert sie an ihre Mutter, die vor wenigen Monaten verstarb.

Noch im April sprach der Berliner KURIER mit Miyabi über die Trennung von ihrem Freund und die Pflege ihrer Mutter. Sieben Monate später ist Miyabi mitten in der Trauer. Die 50-Jährige will diese Gefühle aber nicht für sich behalten, sondern das tun, was wir Menschen meistens lieber vermeiden: Über den Tod, das Sterben und die Trauer sprechen. Genau das machen wir an diesem Abend.

Miyabi Kawai plädiert für eine offene Kommunikation über den Tod

Berliner KURIER: Liebe Miyabi, wie geht es dir?

Miyabi Kawai: Nicht gut. Ich gehe aber offen damit um. Ich habe meine Mutter ein Jahr lang bis zu ihrem Ende gepflegt und pflege auch jetzt noch meinen demenzkranken Vater. Sowohl über Pflege als auch über den Tod und besonders über das Sterben reden wir in unserer Gesellschaft viel zu wenig. Das inkludiert natürlich auch Trauer. Irgendwie wird von uns erwartet, dass alles weitergeht – und das tut es nicht. Ich plädiere dafür, offen damit umzugehen und dass sich jeder die Zeit nimmt, die er braucht. Das können vielleicht auch Jahre sein. Ich kann noch nicht sagen, wie lange das bei mir ist, bisher sind es gerade einmal zweieinhalb Monate. Aber es fühlt sich an wie gestern. Wir sollten offen darüber reden.

Hilft dir das Reden bei der Trauerarbeit?

Ich denke, reden hilft generell immer, wir reden viel zu wenig über Probleme. Also ja, reden hilft, aber es hilft nicht akut. Man hat natürlich das Gefühl, wenn man redet, dass man ein bisschen was gehen lassen kann, aber es ist ein längerer Prozess. Reden ist ein ganz wichtiger Bestandteil davon.

Was rätst du Menschen, die um eine geliebte Person trauern?

Wir bräuchten ganz handfeste Tipps. Wenn Eltern gehen – das ist ja ein ganz natürlicher Prozess –, wissen wir im Vorfeld nicht, was für ein Trauma das ist, was für ein Schmerz.  Ich habe gemerkt, dass es wahnsinnig hilft, wenn man zumindest schon mal das Handwerkszeug, so nenne ich es jetzt mal, in trockenen Tüchern hat. Bevor es passiert, bevor die Eltern nicht mehr ansprechbar sind, darüber zu sprechen, wie sie sich Dinge wünschen und diese auch zu regeln. Deutschland ist ein sehr bürokratisches Land und es gibt eine Menge Papierkram zu erledigen. Es ist gut, bestimmte Dinge schon vorbereitet zu haben – von Vollmachten, über  Patientenverfügungen, bis zur Beerdigung. Damit man weiß, man macht das alles im Sinne der Eltern. Ich weiß, was es für eine Überforderung ist, wenn man sich mit all diesen Dingen während der Trauer beschäftigen muss, man ist aber eigentlich gar nicht ansprechbar. Deswegen ist mein Tipp: Vorher schon das Thema enttabuisieren. Das muss nicht ganz furchtbar sein, man kann sich auch bei Kaffee und Kuchen zusammensetzen. Aber das erleichtert sowohl den Eltern als auch den Kindern das Gehen.

Miyabi Kawai bei der Eröffnung von „Weihnachten im Tierpark“.
Miyabi Kawai bei der Eröffnung von „Weihnachten im Tierpark“.N. Kubelka/Future Image/Imago

Weihnachten – eine schmerzhafte, aber auch schöne Tradition

Das diesjährige Weihnachtsfest wird besonders schwer für dich ...

Es wird schwer sein, denn es ist das erste Weihnachten ohne sie. Und heute ist auch noch der Geburtstag meiner Mutter, es war ein sehr schwerer Tag. Ich habe aber noch Familie. Meine Schwester und ich haben jetzt eine Verantwortung, nämlich das Weihnachten für meine Nichten und für uns alle so zu feiern, wie es meine Mutter immer gemacht hat. Das heißt, wir führen jetzt eine Tradition fort, ohne sie. Das ist schmerzhaft, aber auch schön. Weihnachten hat so viel Schönes, was auch Trost gibt.

Woher nimmst du die Kraft, dich in dieser Zeit auch noch um deinen Vater zu kümmern?

Ich habe eigentlich keine Kraft mehr ... Das Faszinierende bei uns Menschen ist, dass wir einfach weitermachen. Es gibt ja keine Alternative. Es ist nicht leicht, aber wenn Menschen Hilfe brauchen, ist man da – gerade für Menschen, die man liebt. Ich würde jetzt gerne irgendwas Schönes sagen, wie: „Man zieht da viel Kraft oder Liebe raus.“ Ganz ehrlich, es ist meistens nicht so. Aber wir schulden das unseren Familienmitgliedern und ich meine jetzt nicht eine Schuld, die man abtragen muss. Es ist etwas, das Liebe von uns verlangt: Etwas geben. Man zieht es einfach durch. ■