Interview
Peter Maffay (70): „So fand ich mein Glück“
Ein Gespräch über Jugendsünden, Klimawandel und sein persönliches Waterloo.

Die Haut ledern, die Oberarme muskulös: Peter Maffay gibt sich nach außen gerne hart. Der 70-jährige, der sich vom Schlagerstar zum Rocker wandelte, ist seit 50 Jahren im Musikgeschäft. Seine Jubiläumstour führt ihn auch nach Berlin – er spielt am 29. Februar in der Mercedes-Benz-Arena.
Herr Maffay, erinnern Sie sich, was Sie am 15. Januar 1970 getan haben?
Nein, aber das Datum hat etwas mit unserer ersten Schallplatte zu tun.
Richtig. An dem Tag erschien Ihre Debütsingle „Du“, die zum größten deutschsprachigen Hit des Jahres 1970 wurde. Hat die ZDF-Hitparade Sie über Nacht zum Star gemacht?
Nein. Anfangs wollte diesen Titel kein Mensch spielen, weil er mit fünf Minuten zu lang war. Es dauerte eine ganze Weile, bis er über Diskotheken seinen Weg machte. Entscheidend war Frank Elstner bei Radio Luxemburg. Erst danach ging ich zu Dieter Thomas Heck in die Sendung. „Du“ hat mich aus meinem Lehrlingsdasein herausgeholt und in eine spannende Zukunft hineinkatapultiert.
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Vom rumänischen Kronstadt bis nach Deutschland
In Ihrem neuen Buch „Hier und Jetzt“ schreiben Sie, dass Sie nicht nur zufrieden, sondern auch glücklich seien. Hat das etwas mit Ihrer heutigen Lebensweise zu tun?
Ich vermute schon. Ich habe viele Strecken zurückgelegt. Auf unserem neuen Album gibt es einen Song, der das umschreibt. Er heißt „1000 Wege“. Vom rumänischen Kronstadt bis nach Deutschland, meiner jetzigen Heimat, waren es viele kurvige Wege. Einige davon waren unnötig, andere jedoch sehr schön mit wertvollen Begegnungen. Rückblickend bin ich mit diesem rasanten Trip sehr einverstanden.
In Ihrer Biografie „Maffay – auf dem Weg zu mir“ ist zu lesen, dass Sie früher bis zu zwei Flaschen Whiskey und 80 Zigaretten am Tag konsumierten. Wie denken Sie als gesundheitsbewusster Biobauer über den jungen Peter Maffay?
Das war völliger Unsinn und überflüssig. Das waren die Kurven, von denen ich sprach. Es hat zu nichts geführt. Möglicherweise habe ich das irgendwann mal cool gefunden. Die Musik ist dadurch nicht besser geworden, und die Gesundheit hat darunter gelitten. Gottseidank ist Rauchen für mich kein Thema mehr, und ich trinke auch keine harten Sachen mehr. Alles geht leichter ohne.

Mit „Tabaluga oder die Reise zur Vernunft“ produziert er 1983 das erste Album einer erfolgreichen Reihe über einen kleinen grünen Drachen.
Für sein soziales Engagement erhält er 1996 das Bundesverdienstkreuz. Im Jahr 2001 gründet er auf Mallorca die „Tabaluga Stiftung“, die Therapien und Resozialisierungsmaßnahmen für traumatisierte Kinder finanziert. Bis 2015 lebte Maffay mit seiner vierten Ehefrau Tania Spengler und dem gemeinsamen Sohn Yaris (16) zusammen. Heute lebt er mit seiner Lebensgefährtin Hendrikje Balsmeyer und der gemeinsamen Tochter Anouk (1) in Tutzing.
Auf welche Weise bekommen Sie auf Ihrem Gut Dietlhofen in Oberbayern oder auf Ihrer Finca auf Mallorca die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren?
Ich bin kein wirklicher Landwirt, aber selbst für mich ist erkennbar, dass da ein Wandel stattfindet. Ende Januar zum Beispiel bin ich mit leichter Kleidung aus der Haustür gegangen. Wir hatten in Tutzing 15 Grad. Es lag kein Schnee. Wir haben nicht einmal genügend Regen. Wenn es so weitergeht, wird der Boden austrocknen. Uns sterben die Bienen weg, die Singvögel verschwinden. Wer die Auswirkungen des Klimawandels negiert, tut das wider besseres Wissens.
Ihre Kinder werden die Folgen des Klimawandels wahrscheinlich viel stärker zu spüren bekommen als Ihre eigene Generation. Macht Ihnen das Angst?
Ja. Deswegen dulden diese Fragen auch keinen Aufschub. Wir dürfen die Erkenntnisse über den Klimawandel nicht negieren und müssen global Lösungen anstreben. Leider wird das massiv von Lobbyisten torpediert. Der Zeitraum, der uns bleibt, wird immer enger. Realistisch betrachtet bedeutet das, dass wir das Ziel möglicherweise nicht erreichen werden. Was dann kommt, wird fatal sein, weil die Auswirkungen irgendwann nicht mehr reversibel sind. Trump wird das nicht mehr erleben, aber er wird dafür mitverantwortlich sein.
Wir dürfen die Erkenntnisse über den Klimawandel nicht negieren
Steht die Politik der Bundesregierung für einen echten sozialen und ökologischen Wandel?
Sie tut zu wenig beziehungsweise ist nicht entschieden genug. Jetzt werden wahrscheinlich etliche Politiker aufschreien und sagen: Was redet der Maffay da für einen Unsinn! Aber das ist so. In der Politik wird viel Zeit verdiskutiert. Und sie steht unter dem Einfluss der Wirtschaft. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Während sich verschiedene Seiten um eine Lösung bemühen, verstreicht zu viel Zeit, weil es zu keiner Lösung kommt. Ich finde es richtig, dass die Jugend Kraft ihrer ökologischen Erziehung auf die Straße geht und von den Erwachsenen einfordert, die Weichen zu stellen.
Sie sind in Rumänien in äußerst bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Spielt deshalb der Wohltätigkeitsaspekt eine so große Rolle in Ihrer Arbeit?
Das kann sein. Auf jeden Fall ist es nicht verkehrt, Armut und Existenzangst zu kennen. Wer das nicht kennt, blendet unter Umständen die Situation anderer Menschen aus. Dann ist man dialogunfähig.
Ihr persönliches Waterloo, so schreiben Sie in Ihrem Buch, war die Tournee mit den Rolling Stones im Sommer 1982. Sie wurden damals von den Stones-Fans ausgebuht. Wann sind Sie zu der Erkenntnis gekommen, dass diese Niederlage Sie geerdet hat?
Zunächst mal war bei mir die Enttäuschung groß. Im Anschluss an diese sechs Abende mit den Stones, an denen wir geblutet haben, haben wir eine eigene Tournee gespielt. Die sah natürlich anders aus. Das hat geholfen, die Wunden zu heilen. Der Tourveranstalter Fritz Rau, die Band und ich haben zusammengesessen und uns gefragt, was zum Teufel da abgelaufen ist. Und dann sind wir darauf gekommen, dass wir gewisse Vorzeichen übersehen haben. Ich hätte in Hannover nach dem ersten Konzert zu der Pressekonferenz gehen und ihr nicht als beleidigte Leberwurst fernbleiben sollen. Das war ein Fehler.
Auf Tour mit den Rolling Stones

Wieso haben Sie die Tour mit den Rolling Stones trotz allem durchgezogen?
Das habe ich meinen Jungs zu verdanken. Die sagten: Das machen wir einfach so und versuchen, daraus zu lernen. Fritz Rau, der ein cooler Analytiker war, erkannte sofort, dass wir das Ganze von vornherein anders hätten machen müssen. Wir haben Balladen gespielt, wo die Leute Rockmusik erwartet haben. Aber dergleichen ist uns seither nie wieder passiert.
„Mit alten Männern spiele ich nicht“, lautete früher einer Ihrer Leitsätze. Wie sehen Sie das jetzt, da Sie mit 70 Jahren wieder auf Tour gehen?
Der Satz stammt nicht von mir, sondern von Bertram Engel. Und das kam so: Wir waren am Proben und haben es uns richtig gegeben. Zwei Stunden später warf er die Drumsticks durchs Studio und sagte: Mit alten Männern spiele ich nicht. Wir waren ihm nicht gut genug.
Wie fühlt es sich an, heute mit älteren Herren zu spielen?
Ich spiele mit älteren Herren, aber die sind ziemlich fit, gerade Bertram Engel. Dieser Satz, den Sie erwähnt haben, findet seine Anwendung bei jedem unserer Konzerte. Wenn es nicht nach Bertrams Fasson geht, kann ich hinter mir spüren, dass die Sticks wieder fliegen. Er ist gnadenlos. Ich bin froh und zufrieden über die Haltung meiner Band. Das sind keine Luschen, sondern enorm gute Handwerker, die eine coole Auffassung von ihrem Job haben. Da ist keiner dabei, der aus der Reihe tanzt. Da ist Lockerheit drin, aber wenn es sein muss, auch Druck und Härte.