Das große „Babylon Berlin“-Interview im KURIER : Volker Bruch: Mehr Natur, mehr Ruhe, mehr Glück – darum lebt er auf dem Land
Die lange Corona-Pause hat dem Schauspieler nichts angetan. Im Gegenteil: In gesunder Landluft lässt es sich trefflich leben. Jetzt ist Volker Bruch wieder da, rechtzeitig zum Free-TV-Start der 3. Staffel des Welterfolgs „Babylon Berlin“.

Die Pandemie hat Volker Bruch offenbar kaum zugesetzt. Am Telefon, wo wir den „Babylon Berlin“-Star coronabedingt zum Interview treffen, wirkt der Schauspieler jedenfalls so ruhig und entspannt, als hätte es die vergangenen Monate mit Quarantäne, Abstandsregeln und Job-Angst nicht gegeben. Vielleicht liegt es ja daran, dass Bruch zurückgezogen auf dem Land lebt. Für den Free-TV-Start der 3. Staffel des Welterfolgs „Babylon Berlin“ am 11. Oktober um 20.15 Uhr im Ersten hat sich der 40-Jährige zur Abwechslung ein bisschen Rummel verordnet.
Berliner KURIER: Guten Tag, Herr Bruch, Sie klingen so angenehm zuversichtlich.
Volker Bruch: Eine andere Chance hat man nicht, würde ich sagen. Das ist die einzige Haltung, die man sich selber erlaubt.
Mitten in der Corona-Pause fängt für Sie der „Babylon“-Zirkus wieder an – mit Interviews und Presseterminen. Wie surreal ist das?
Es ist immer ein bisschen surreal mit diesen Terminen, weil der Dreh meist schon so lange her ist. Auf einmal muss man sich wieder in die Materie begeben. Aber auch jetzt ist es in der Tat, zumindest in meinem Kopf, erst mal noch ein ganzes Stück weit weg.

Wie ist es Ihnen zuletzt ergangen?
Mir geht’s soweit ganz gut. Ich wohne ja auf dem Land, und das macht die Situation um ein Vielfaches angenehmer als in der Stadt. Ich war einige Male in Berlin und dort ist der Druck noch mal ein anderer. Davon hat man bei mir auf dem Land im Alltag natürlich nicht so viel mitbekommen. Landleben erdet und macht unabhängig.
Trotzdem: Gab es eine besonders schmerzliche Projekt-Absage?
Klar, ich hätte im Mai etwas drehen sollen, das ich sehr gern gemacht hätte. Mal gucken, vielleicht passiert es ja auch noch. Aber im Prinzip ist es bei uns Schauspielern immer so, dass Projekte so lange unsicher sind, bis man den ersten Drehtag hat. Filme werden verschoben oder nicht finanziert, weil sie doch eine Förderung nicht bekommen haben. Das ist eher die Regel bei uns. Aber durch Corona wurde ja von heute auf morgen alles auf Pause gesetzt. So einen kompletten Projektekahlschlag gab es noch nie.
Haben Sie Existenzängste?
Nein. Ich versuche aber auch, meinen Lebensstandard so niedrig zu halten, dass ich auch lange Durststrecken überstehen kann. Das ist nicht das Problem.
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Wie muss man sich Ihre langen Phasen auf dem Land vorstellen?
Ich genieße auf jeden Fall die Weite hier, und es gibt einen anderen Tagesablauf. Im Garten zum Beispiel kann man immer was machen.
Viele Städter, die nicht das Glück haben, draußen eine Scholle zu besitzen, werden Sie beneiden. Gerade jetzt ist der Wunsch, aufs Land zu ziehen, so groß wie nie.
Absolut. Mein Gefühl ist nur, dass etliche, die jetzt diesen Schritt gehen möchten, den Traum schon seit vielen Jahren haben. Unter den Umständen, in denen wir gerade leben, wird es nur mehr Menschen bewusst, unter welchem Druck wir in der Stadt zusammenkommen und dass dieser Schritt aufs Land nur folgerichtig ist. Mehr Platz, mehr Natur, mehr Ruhe, weniger Gestank, die Lebensqualität hat sich für mich immens verbessert. Natürlich ist das nicht für jeden etwas und für viele auch gar nicht umsetzbar, aber ich kann diejenigen, die diesen Traum haben, nur darin bestärken, ihn umzusetzen, wenn es irgendwie möglich ist.
Stehen Sie schon wieder vor der Kamera?
Nein, jetzt geht es erst mal wieder mit der Pressearbeit für „Babylon“ los, und dann haben wir auch schon wieder neue Bücher auf dem Tisch. Es soll ja bald schon wieder weitergehen. In knapp einem halben Jahr fangen wir an, die vierte Staffel zu drehen. Ob ich dazwischen noch etwas Anderes mache – mal sehen.
Die Originalbücher von Volker Kutscher sind im Detail schon anders. Diskutieren Sie mit Ihren Regisseuren inhaltliche Fragen, wenn Sie ein neues „Babylon“-Drehbuch vorgelegt bekommen?
Bei mir im Kopf verschmelzen „Babylon Berlin“ und die Volker-Kutscher-Romane komplett und ich weiß tatsächlich nicht mehr, was wo war – im Drehbuch oder im Roman. Es ist aber auch schon ein paar Jahre her, dass ich die Romane gelesen habe. Die Drehbücher stehen für sich, und sind ihr eigenes Universum. Die drei Autoren (Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten, die Red.) sind ja Meister ihres Faches. Denen braucht man nicht erklären, wie man ein Drehbuch schreibt. Was für sie aber von Wert sein kann, ist die Sicht eines Schauspielers auf seinen Strang. Die Regisseure schreiben Stränge für 50 Charaktere und dabei gilt es, den Überblick über dieses riesige Geflecht aus Geschichten zu behalten. Wenn wir Schauspieler jetzt die Bücher bekommen, lesen wir mit besonderem Augenmerk auf unseren Strang aus der Perspektive unseres Charakters. Dabei fallen einem oft wertvolle Details auf.

„Babylon Berlin“: Die dritte Staffel schockt
Die ersten drei Minuten gehen unter die Haut: Ein Mann jagt sich eine Kugel in den Kopf, ein anderer erhängt sich auf der Treppe, während zehntausendfach von einer überhohen Decke Papier zu Boden segelt. Es gibt, so scheint’s, kein Halten mehr: Die Welt zerfällt und alles, was uns lieb und teuer ist, geht unter ... Nächste Runde im „Babylon Berlin“-Theater für Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch, F.) und Kriminal-Assi Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries). In „Der stumme Tod“ löst der Tonfilm den Stummfilm ab, und in den Ateliers tobt ein tödlicher Kampf um Macht und Geld. Start: 11. Oktober im Ersten.
Träumen Sie manchmal von Gereon Rath?
Ehrlich gesagt, passiert das nie.
Sie nehmen die Figur nicht mit ins Bett, auch nicht, nachdem Sie Text gelernt haben?
Das kommt darauf an: Wenn man den ganzen Tag bei Regen am Set nach seiner Waffe sucht … kann das schon sein, dass das man nachts damit weitermacht.
Sie sind nach dem renommierten Max-Reinhardt-Seminar gleich zum Film und zum Fernsehen. Ein festes Theater-Engagement hat Sie nie interessiert?
Das war der Grund, warum ich auf die Schauspielschule gegangen bin – weil ich Filme drehen wollte. Ich wollte das Handwerk lernen und mich intensiv mit Schauspiel beschäftigen. Mein Plan war aber immer vor die Kamera zu gehen. Ich habe als Teenager bei einzelnen Drehtagen mal etwas Setluft schnuppern dürfen, und schon damals hat mich die Stimmung am Set fasziniert. Diese Magie und der Wahnsinn, dass 20 erwachsene Menschen gemeinsam an Momenten arbeiten, sie wiederholen und an ihnen schleifen und arbeiten, das war so eindrücklich und gleichzeitig so seltsam, dass mich das nicht losgelassen hat, bis heute nicht. Deswegen bin ich auf die Schauspielschule gegangen. Und von da an ging’s weiter. Nein, ich wollte nie fest ans Theater.
Trotzdem, das Strenge und Großgestische, das Sie durch Ihre klassische Ausbildung mitbringen, und das so ein bisschen aus der Zeit fällt, passt natürlich wunderbar zu „Babylon Berlin“. Man wird das in der dritten Staffel sehen, die viele umhauen wird: die Börsen implodieren, die Welt zerfällt. Das erinnert an die Panik unserer Zeit.
Die Dinge wiederholen sich, nicht eins zu eins, aber der damalige Börsencrash hat jeden getroffen und wirklich alles verändert. Man konnte sich davor nicht verstecken. Man kann immer Parallelen ziehen, wenn man das will. Und bei guten Geschichten ist das ja auch immer so, dass man sich selbst wiedererkennen kann und seine eigene Zeit wiederentdecken darf.
Ein Wiedersehen mit alten Bekannten
Worauf dürfen sich die Zuschauer dieses Mal besonders freuen?
Was mich gefreut hat, als ich diese Staffel das erste Mal gesehen habe, war: all die vertrauten Figuren wiederzutreffen. Es sind ja doch Charaktere, die man liebgewonnen hat. Und die wiederzusehen, war schön. Das ist wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Und die neue Staffel hat wieder diesen Ton, dass man sofort weiß, man schaut wieder „Babylon“.
„Der stumme Tod“ behandelt ein paar interessante Themen. Zum Beispiel den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. Das klingt sehr zeitgenössisch, wenn man das auf die Probleme der Digitalisierung heute überträgt und damit auf die Herausforderungen, vor denen Ihre Branche steht …
Wechsel sind ja immer ein kontinuierlicher Vorgang. Der reißt ja nicht ab. Er findet vielleicht nur woanders statt. Damals gab es nur Filme ohne Stimme und es war für viele unvorstellbar, dass das jetzt anders sein sollte. Es gibt Leute, die Angst haben, dass der Ton dem Film etwas wegnimmt. Und auf eine Art stimmt das ja auch. Die Kunst des Stummfilms wurde dadurch beendet. Er musste der neuen Form weichen.
Film ist vor allem ein ökonomisches Wagnis. Wird Ihnen manchmal schwindelig, wie viel Geld da drinsteckt?
Das sind bei so einem Projekt natürlich hohe Summen. Aber diesen Druck spüre ich nicht wirklich. Für die Arbeit am Set ist das ja völlig irrelevant. Das ist zum Glück etwas, mit dem ich mich nicht beschäftigen muss.
Wann ist das Geld für „Babylon Berlin“ versiegt? Oder kann man endlos weitermachen?
Endlos sicher nicht. Aber es wird so lange weitergehen, wie man das Gefühl hat, man beschäftigt sich gern mit den Figuren und der Thematik. Ich denke schon, dass es noch was zu erzählen gibt. Ich hoffe, dass es noch weitergeht. Und ich hoffe, dass wir die Erzählung bis zur Machtübernahme der Nazis 1933 fortsetzen. Und dann reicht es vielleicht auch.
Also gibt es noch keine Abnutzungserscheinungen?
Nein. Tatsächlich haben wir ja auch lange Pausen dazwischen, und das ist so ein unfassbar tolles Team, das immer wieder zusammenkommt. Das sind so viele fähige Menschen und wunderbare Kollegen. Das ganze Team ist so eingeschweißt, wir haben einfach so viel zusammen erlebt. Ich sag’s mal so: Diese Dreharbeiten sind ein nicht abreißendes Abenteuer. Das ist ja das Irre an Filmsets, dass so wahnsinnig viel an einem Tag passiert. Weil man ständig mit Herausforderungen konfrontiert ist, die man nur zusammen meistern kann. Man kann sich noch so gut vorbereiten, trotzdem passieren immer wieder Dinge, die man nur gemeinsam lösen kann. Und lösungsorientiert durch den Tag zu gehen, tolle Ideen zu haben und Dinge möglich zu machen, die eigentlich unmöglich sind, das ist das, was wir so lieben und was die Zeit so wertvoll macht, die wir zusammen verbringen. Ich liebe das.
Sind Sie im Herzen eigentlich mehr Österreicher oder Deutscher?
Ehrlich gesagt habe ich zu Nationalitäten nicht so ein enges Verhältnis. Tatsächlich spielt das in meinem Leben keine Rolle.