KURIER sprach mit dem Hollywood-Star

Cate Blanchett: „Ich stalke Nina Hoss schon seit zehn Jahren. Es ist fast schon ungesund.“

Die australische Oscargewinnerin spielt die Rolle der abgehobenen Star-Dirigentin Lydia Tár an der Seite der deutschen Schauspielerin Nina Hoss.

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Cate Blanchett vor wenigen Tagen bei den Filmfestspielen in Venedig.
Cate Blanchett vor wenigen Tagen bei den Filmfestspielen in Venedig.Marco Bertorello/AFP

Die sechsminütige Standing Ovation trieben sogar einer Hauptdarstellerin, die nicht für öffentliche Gefühlsausbrüche bekannt ist, die Tränen in die Augen. Für Kritiker stand bereits nach der Premiere von „Tár“ beim Filmfestival in Venedig fest, dass Cate Blanchett für ihre Glanzleistung ihre achte Oscar-Nominierung schon in der Tasche hat. Kein Wunder, denn der Regisseur und Drehbuchautor Todd Fields hatte der australischen Oscargewinnerin die Rolle der abgehobenen Star-Dirigentin Lydia Tár auf den Leib geschrieben. In einem Interview nach ihrem Venedig-Triumph stand die Oscargewinnerin Rede und Antwort zu ihrer Rolle.

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Was hat Sie an Lydia am meisten gereizt?

Cate Blanchett: Lydia ist jemand, der voller Gegensätze ist – aber auch jemand, der sich selbst von seinem wahren Ich entfremdet hat. Mich hat ihre Komplexität gereizt, weil ich finde, dass sie das unglaublich menschlich gemacht hat. Lydia fühlt sich in meinen Augen von jemandem oder von etwas verfolgt. Es ist ihre Vergangenheit, ihr früheres Ich und Dinge, die sie getan hat. Ich will nicht zu viel verraten, aber ich fand es faszinierend, wie sie sich neu erfinden konnte.

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Sie spielen eine Frau auf dem Zenit ihrer Karriere …

… die von ihrem Platz auf dem Olymp wieder auf die Erde zurückgeholt wird. Wenn man ganz weit oben ist, dann wird man von der ständigen Befürchtung heimgesucht, dass es nur noch einen Weg gibt – den nach unten. Und für mich bedarf es einer riesigen Portion Mut, sich dem zu stellen.

Sie werden im Film von einem Vertrauten verraten. Ist Ihnen so etwas auch schon einmal passiert?

Wenn man so wie ich eng mit Menschen zusammenarbeitet, dann ist das eine sehr intime Sache. Und natürlich wurde ich auch schon enttäuscht, weil man mein Vertrauen missbraucht hat. Am Ende ist es übrigens egal, in welcher Branche du tätig bist – Diskretion geht über alles!

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Die australische Oscargewinnerin als abgehobene Star-Dirigentin Lydia Tár
Die australische Oscargewinnerin als abgehobene Star-Dirigentin Lydia TárFocus Features/AP

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Im Film sind Sie mit einer deutschen Filmkomponistin verheiratet, die von der deutschen Schauspielerin Nina Hoss gespielt wird. Die wurde in der Presse einst als die deutsche Cate Blanchett bezeichnet …

… wenn ich Glück habe, bin ich eher die australische Nina Hoss!

Kannten Sie sich vorher schon?

Ich stalke Nina schon seit zehn Jahren. Es ist fast schon ungesund, aber es ist die Wahrheit.

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Hatten Sie sich vor dem Film schon einmal persönlich kennengelernt?

Wir haben uns schon mal auf der Bühne gesehen. Wissen Sie, dass wir auch schon einmal dieselbe Theaterrolle hatten? Wir waren beide Lotte im Stück „Groß und Klein“. In verschiedenen Städten und verschiedenen Ensembles natürlich.

Sie spielen eine lesbische Frau in Zeiten, wo überall auf der Welt die Rechte der LGBT-Gemeinde beschnitten werden. War es Ihnen auch deshalb wichtig, diese Rolle zu übernehmen?

Auf der einen Seite hat sich die Rolle sehr wichtig angefühlt. Und der Film als ein solcher, der dringend gezeigt werden muss. Allerdings habe ich aber überhaupt nicht an Lydias Geschlecht oder ihre Sexualität gedacht, als ich entschieden habe, sie zu spielen. Ich habe sie allein als Mensch gesehen …

… und nicht als starke Frau, die diesen Film trägt?

Sie werden lachen! So aufregend ich das jetzt auch finde, das ist mir ehrlicherweise erst auf der Pressetour so richtig aufgefallen. Als ein Journalist seine Frage mit „Sie haben eine Frau im Mittelpunkt der ganzen Handlung …“ begann. Das hat mich total überrascht und ich meinte: „Oh Shit, das stimmt ja wirklich!“

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Nina Hoss und Cate Blanchett stellten ihren Film „Tàr“ in Venedig vor.
Nina Hoss und Cate Blanchett stellten ihren Film „Tàr“ in Venedig vor.Cinzia Camela/LPS via ZUMA Press Wire/d

Im Film geht es auch um Macht und ungerecht verteilte Powerdynamik. Gab es Momente am Anfang Ihrer Karriere, in denen Sie sich machtlos gefühlt haben?

Die Dinge haben sich schon sehr viel geändert. Also verglichen zum Beginn der Zeitrechnung, als ich vor langer, langer Zeit in die Filmindustrie eingetreten bin. Wenn ich zurückdenke, ich war eine Theaterschauspielerin und habe mir niemals eine Karriere im Film ausgerechnet. Mein unglaublich unterstützender Ehemann hat zu mir damals gesagt: „Genieß es einfach, Baby. Du hast fünf Jahre, wenn du Glück hast!“ Und das war damals für Frauen die Wahrheit.

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Und heute ist das anders geworden?

Dank vieler verschiedener Leute in der Industrie haben sich die Dinge verbessert. Nicht zuletzt dank Schauspielerinnen, die die Türen für andere geöffnet und die Grenzen erweitert haben. Die kleine Rolle genutzt haben, um diese groß und wichtig zu machen. Doch es gibt noch immer leider Unterschiede, wie Schauspieler und Schauspielerinnen gesehen werden. Das beginnt bereits beim Vokabular.

Haben Sie ein Beispiel?

Eine Frau in einer Hauptrolle wird oft als „starke Frau“ bezeichnet. Allein, weil sie einen großen Einfluss auf die Handlung hat. Bei Männern wird das einfach vorausgesetzt. Und es ist nach wie vor sehr schwer unsere – ich setzte das Mal in Anführungsstriche – „Brüder in Hollywood“ dazu zu bringen, eine Nebenrolle neben einer weiblichen Hauptrolle zu besetzen. Wir Schauspielerinnen machen das sofort, wenn es ein gutes Drehbuch mit einem guten Regisseur oder Regisseurin gibt!

Sie sagten, dass sich Lydia neu erfinden musste. Sie kommen als eine Frau herüber, die genau weiß, wer sie ist und die sich nicht verbiegen lassen würde!

Ich denke, dass ich noch dabei bin, die zu werden, die ich bin. Für mich ist Identität nicht statisch, sondern ein fortlaufender Prozess. Wir entwickeln uns ständig weiter. Und das ist doch das Wundervolle an Menschen, dass wir uns als Individuum und als Gemeinschaft verändern können. Genau das gibt mir auch Hoffnung für die Zukunft unseres Planeten!